Im verhandelten Rechtsstreit erlitt das Kind bei Geburt in einer Klinik einen schweren Atemstillstand (Asphyxie), weshalb das Neugeborene dauerhaft geschädigt wurde. Ursache hierfür waren auch Behandlungsfehler des Belegarztes sowie einer angestellten Hebamme, die ihn bei der Geburt unterstützt hatte. Der Arzt wurde rechtskräftig zu Schadensersatz sowie einem Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro verurteilt.

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Der Haftpflichtversicherer des Arztes wollte daraufhin jedoch die Hebamme persönlich in Anspruch nehmen, da sie ebenfalls für den Geburtsfehler mitverantwortlich sei. 75 Prozent des Schadens bzw. 225.000 Euro sollte sie für den Schaden zahlen. Entsprechend klagte der Versicherer gegen die Hebamme. Zunächst hatte das Landgericht Gießen in erster Instanz zugunsten des Versicherers entschieden: die Hebamme sollte hälftig die Haftung übernehmen. Über den Rechtsstreit berichtet aktuell der Verlag C.H.Beck.

OLG Frankfurt kippt Urteil

Die Hebamme wollte den Richterspruch aber nicht akzeptieren und ging in Revision. Mit Erfolg: Das OLG Frankfurt am Main entschied, dass die klagende Versicherung keine Ansprüche gegenüber der Hebamme habe. Ob ihr selbst ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, sei hierfür gar nicht ausschlaggebend. Dabei nannte das Gericht vor allem zwei Entscheidungsgründe:

Nach dem Belegarztvertrag haftet der Arzt dem Patienten gegenüber unmittelbar für alle Schäden, die bei der ärztlichen Versorgung entstehen, so führten die Richter aus. Mitwirkende Angestellte des Krankenhauses – wie die Hebamme - sind Erfüllungsgehilfen des Belegarztes. Zu den Pflichten des Belegarztes gehöre auch, eine ausreichende Haftpflichtversicherung abzuschließen, damit keine persönlichen Ansprüche gegen die Gehilfen geltend gemacht werden können. Entsprechend sei die Frau über den Arzt gegen Schadensersatz abgesichert.

Doppelter Schutz: aber Hebamme nicht persönlich haftbar

Darüber hinaus sei das Risiko des Geburtsfehlers ohnehin doppelt versichert gewesen, so betonte das Gericht: Sowohl über die Versicherung des Belegarztes als auch über jene des Anstellungskrankenhauses. Die Hebamme sei damit vor Vermögenseinbußen wegen Schadensersatz-Ansprüchen von Patienten doppelt abgesichert.

Sei das „identische Interesse gegen die identische Gefahr“ mehrfach haftpflichtversichert, so bewirke dies einen sogenannten Innenausgleich, hoben die Richter hervor. Hierfür sei aber die Hebamme nicht persönlich haftbar zu machen:

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Vielmehr müsse sich der Haftpflichtversicherer des Arztes nun an die Haftpflicht des Krankenhauses wenden, um eine Art Kompromiss bei der Teilung der Schadenssumme zu finden. Die Hebamme sei aber persönlich nicht zu belangen. Rechtskräftig ist das Urteil noch nicht (OLG Frankfurt a. M. , Urteil vom 17.12.2019 - 8 U 73/18).

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