Deutschland hat eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt: Auf mehr als 387 Milliarden Euro bezifferten sich die Gesundheitsausgaben 2018, das ist mehr als eine Milliarde pro Tag. Eine repräsentative Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Finanzvertriebes MLP zeigt nun aber Reformbedarf. Sowohl Bürger als auch Ärzte haben demnach Anlass zu Kritik.

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62 Prozent der Bürger beklagen lange Wartezeiten

Grundsätzlich sind die Bürger und Ärzte mit der Gesundheitsversorgung in Deutschland noch zufrieden: 77 Prozent der Bürger sowie 89 Prozent der Ärzte schätzen sie als „gut“ oder „sehr gut“ ein. Beim zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass bei wichtigen Themen immer mehr Anlass zur Klage haben.

Beispiel lange Wartezeiten: Mittlerweile sagen mehr als sechs von zehn Deutschen (62 Prozent), dass sie zu lange auf einen Arzttermin warten müssten. Das sind immer mehr. Im Jahr 2012 klagte noch etwas mehr als jeder Zweite darüber (52 Prozent), bei der Umfrage 2016 waren es bereits 55 Prozent. Ein Trend, der zu denken gibt. Erwartungsgemäß überproportional betroffen zeigen sich hier gesetzlich Krankenversicherte mit 65 Prozent Zustimmung.

Jeder Dritte glaubt, ihm werden Leistungen aus Kostengründen vorenthalten

Auch hat ein Drittel der befragten Bürger (34 Prozent) das Gefühl, dass ihnen aus Kostengründen Leistungen vorenthalten werden. Dieser Wert ist gegenüber der letzten Umfrage 2016 immerhin zurückgegangen: Damals stimmten noch 40 Prozent zu. Im Jahr 2012 waren es 31 Prozent.

Dass die Bürger nicht zu Unrecht vermuten, sie erhalten bestimmte Leistungen aufgrund der Kosten nicht, zeigt die Befragung der Ärzte. Fast jeder zweite Arzt (45 Prozent) bestätigt, dass er bereits aus Kostengründen seinen Patienten medizinische Dienste verweigern musste. Auch hier geht der Trend steil nach oben. 2012 bestätigte dies nicht einmal jeder dritte Mediziner (31 Prozent), 2016 stimmten bereits 44 Prozent zu.

Noch häufiger kommt es sogar vor, dass Behandlungen aus Kostengründen verschoben werden. 64 Prozent der Ärzte sahen sich bereits dazu gezwungen — mit ebenfalls steigender Tendenz. Vor drei Jahren geschah das noch deutlich seltener (2016: 57 Prozent).

Strukturelle Probleme in Krankenhäusern und auf dem Land

Die Umfrage legt zugleich strukturelle Probleme offen. So hat sich die Lage in den Krankenhäusern gegenüber der Umfrage vor drei Jahren deutlich verschlechtert. Sagte 2016 noch jeder zweite Krankenhausarzt, er habe zu wenig Zeit für seine Patienten (50 Prozent), so sagten dies bei der aktuellen Umfrage bereits 61 Prozent. Besonders betroffen sehen sich Assistenzärzte (67 Prozent). Ebenfalls erschreckend: 84 Prozent aller Krankenhausärzte gibt zu Protokoll, es gelinge nicht, ausreichend Krankenpfleger anzuwerben (2016: 72 Prozent). Rund die Hälfte der befragten Ärzte sagt, dass sie auch mehr Patienten betreuen müssen.

Der Personalengpass wirkt sich auch auf die Einschätzung der Qualität in den Kliniken aus. Rund jeder fünfte Krankenhausarzt sagt, die Qualität der Versorgung in den Krankenhäusern sei weniger oder gar nicht gut. Und wie auch 2016 sagen rund drei Viertel der Ärzte, wirtschaftliche Aspekte würden das medizinisch Sinnvolle dominieren (2016: 77 Prozent). Die jüngsten Reformmaßnahmen der Bundesregierung: Sie will mehr als sechs Milliarden Euro zusätzlich bis 2020 in die Kliniken geben, halten 47 Prozent der befragten Mediziner für wirkungslos, während sich 37 immerhin positive Auswirkungen erhoffen.

Ein weiteres Problem in Krankenhäusern sind überfüllte Notaufnahmen. Von den befragten Krankenhausärzten müssen 75 Prozent häufiger "Notfälle" behandeln, die keine seien. Entsprechend plädiert fast jeder Dritte (29 Prozent) dafür, von Patienten eine Gebühr zu verlangen, wenn sie ohne dringenden Grund in die Notaufnahme kommen. Weitere 33 Prozent plädieren eher dafür, die niedergelassene Versorgung zu verbessern: schließlich kommen viele deshalb in die Klinik, weil sie nicht wissen, ob sie an etwas Ernstem leiden: aber keinen Termin bei einem niedergelassenen Facharzt bekommen (der Versicherungsbote berichtete).

Ärztemangel speziell im Osten Deutschlands

Ein weiteres Problem des Gesundheitssystems: Auf dem Land fehlen die Ärzte. Die Bevölkerung nimmt den Ärztemangel bereits deutlich wahr oder rechnet damit – im Osten (64 Prozent) nochmals stärker als im Westen (40 Prozent). Niedergelassene Ärzte erkennen ebenfalls eine Verschärfung des Ärztemangels: Vor drei Jahren sahen 60 Prozent diesen in der eigenen Region oder rechneten damit, 2019 ist der Wert auf 71 Prozent gestiegen. Fast zwei Drittel der Ärzte sagen zudem, es sei schwierig bis sehr schwierig, einen Nachfolger für die eigene Praxis zu finden. 2016 war es erst etwas mehr als jeder Zweite (57 Prozent).

Der Glaube daran, dass die Reformen der Bundesregierung eine Verbesserung der Situation bewirken, ist hingegen gering. Für die kommenden zehn Jahre gehen Ärzte weiterhin von einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung aus (59 Prozent, 2016: 62 Prozent). In der Bevölkerung erwarten 30 Prozent pauschal eine Verschlechterung. Zugleich rechnet eine breite Mehrheit weiterhin mit einer Zwei-Klassen-Medizin (60 Prozent, 2016: 67 Prozent) und steigenden Kassenbeiträgen (72 Prozent, 2016: 81 Prozent). 90 Prozent der Ärzte befürchten, dass speziell die Versorgung auf dem Land weiter leiden wird, und 87 Prozent, dass sie künftig noch weniger Zeit für Patienten haben werden.

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Hintergrundinformationen: Der MLP Gesundheitsreport erscheint bereits zum zehnten Mal. Für die repräsentative Umfrage hat das Institut für Demoskopie Allensbach mehr als 1.200 Bundesbürger und über 500 Ärzte befragt. Weitere Details und Schaubilder finden sich unter: https://mlp-se.de/presse/gesundheitsreport/

mit Pressematerial MLP

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