Es war ein Schock für viele Anwärter und Rentner, als in den letzten Monaten drei Pensionskassen in existentielle Schieflage gerieten. Der Deutschen Steuerberater Versicherung ging ebenso das Geld aus wie der katholischen Caritas, auch deren Schwester Kölner Pensionskasse hat finanzielle Probleme. Allen drei Anbietern hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Neugeschäft untersagt und einen Krisenplan zur Sanierung abverlangt.

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Doch hätte die BaFin möglicherweise schon früher eingreifen und die Betriebsrentner schützen müssen? Diesen Vorwurf erhebt laut „Süddeutscher Zeitung“ Gerhard Schick, früherer Grünen-Abgeordneter im Bundestag und Gründer des Vereins „Bürgerbewegung Finanzwende“. Dabei verweist er darauf, dass die Kassen selbst im Angesicht der Krise, als die existenzbedrohenden Probleme schon abzusehen waren, nichts an ihrer Außendarstellung änderten:

"Wenn die Kölner Pensionskasse noch 2018 mit den höchsten Garantien werben konnte und lange Unbedenklichkeitserklärungen für Ausschüttungen von der Finanzaufsichtsbehörde Bafin erhielt, wäre Vertrauen eigentlich angebracht gewesen", sagte Schick dem Münchener Blatt. Genau hier sei es aber zu drastischen Leistungskürzungen gekommen, die Arbeitgeber wie Versicherte gleichermaßen belasten.

Auch Managementfehler mit verantwortlich

Tatsächlich bedeutet die finanzielle Schieflage auch für die betroffenen Arbeitgeber ein erhebliches Risiko. Sie haften für die Höhe der Rente: Und müssen notfalls einspringen, wenn die Pensionskasse nicht mehr zahlen kann. Entsprechend wichtig ist es, dass sich sich auf die Stabilität der Anbieter verlassen können.

Dabei nagt nicht nur der Niedrigzins an der Stabilität der Kassen: Sie müssen hohe Garantien aus Zeiten bedienen, als die Zinsen am Kapitalmarkt noch nicht im Keller waren. Auch Management- und Vorstandsfehler sind für die Probleme mit verantwortlich:

In einem gemeinsamem Statement von Caritas und Kölner Pensionskasse vom Mai heißt es zum Beispiel zu den Ursachen der finanziellen Probleme, beide Anbieter hätten „die lang anhaltende Niedrigzinsphase und die steigenden Lebenserwartungen in ihren Berechnungen zu wenig berücksichtigt. Zudem hatte sie Fehler in der Tarifkalkulation gemacht, die zu hohe Leistungsversprechen zum Ergebnis hatten. Dies führte zu einem Fehlbetrag in der Bilanz 2017.“ Mit anderen Worten: Man hat sich schlicht verrechnet.

Hier wirft nun Schick der BaFin Aufsichtsversagen vor: Sie hätte ihren Job nicht gemacht, andere müssten dafür büßen. Schon weit zeitiger hätte die Behörde den Pensionskassen das Neugeschäft untersagen müssen. Ein Argument, das Frank Grund, bei der BaFin für die Aufsicht der Kassen zuständig, zurückweist. Die BaFin hätte ausgelotet, ob und wie die betroffenen Anbieter die Engpässe „durch eigene Anstrengung und durch Unterstützung ihrer Trägerunternehmen überwinden könnten“. Erst, als klar gewesen sei, dass sie sich nicht selbst sanieren können, habe die Behörde gehandelt. "Man darf auch nicht vergessen, dass die Untersagung des Neugeschäfts ein schwerwiegender Eingriff ist“, so Grund.

Kürzungen auch bei Bestandsrenten

Für die betroffenen Betriebsrentner sind die finanziellen Probleme der Pensionskassen auf jeden Fall ein Problem. Nicht nur Anwärter werden nun weit weniger Betriebsrente erhalten: auch bei Bestandsrentnern wird der Rotstift angesetzt. Zwar muss der Vorstand einen entsprechenden Sanierungsplan auch von den Mitglieder-Versammlungen abstimmen lassen. Aber ob die Mitglieder eine echte Wahl haben und hatten, diese Kürzungen abzulehnen, ist zumindest diskutabel: Es geht um nicht weniger als die Existenz der Vorsorge-Anbieter. Man hat ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt.

Ein Ende der Krise ist nicht abzusehen, im Gegenteil. 45 der damals 137 deutschen Pensionskassen standen zum Jahresanfang 2018 unter erweiterter Aufsicht der BaFin, so berichtete die Bundesregierung im Juli 2018 auf eine kleine Anfrage der Grünen. In insgesamt 27 Fällen haben Pensionskassen im vergangenen Jahrzehnt ihre Verrentungsfaktoren zu Ungunsten der Versicherten nach unten korrigieren müssen - einige sogar mehrfach.

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Damit nicht genug: Auch bei anderen Altersvorsorge-Einrichtungen kündigen sich Probleme an. Das Versicherungsjournal berichtet am Dienstag, dass der anhaltende Niedrigzins die Pensionslasten für die Betriebsrenten der 30 Dax-Konzerne enorm erhöhe. Ende Juni bezifferten sich die Pensionszusagen auf 411,1 Milliarden Euro, wie das Fachblatt mit Bezug auf eine Studie der Fondsgesellschaft Flossbach von Storch berichtete. Dies entspreche dem höchsten jemals von den Dax-Konzernen ausgewiesenen Wert. Ausfinanziert seien aber lediglich rund 250 Milliarden Euro: Eine Lücke von 146 Milliarden Euro. Das Fazit der Studienmacher: Die Herausforderungen für die Versorgungswerke wachsen.

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