Haftungsfalle BU und Teilzeit?
Auf ein weiteres Problem macht den Versicherungsboten Fachmakler Frank Dietrich in einer Mail aufmerksam. Er unterscheidet drei Gruppen: Teilzeitkräfte, die schon immer in Teilzeit tätig waren, jene, die dauerhaft in Teilzeit wechseln wollen sowie eine dritte Gruppe, die aus privaten, meist familiären Gründen für eine gewisse Zeit in Teilzeit gehen will. Die Teilzeitklausel, so seine Einschätzung, ist nur für letztgenannte Zielgruppe relevant — aber eben nicht als Lösung geeignet.
Das Problem Bedarfsgerechtigkeit: Der Kunde würde eine zu hohe Prämie zahlen
Dietrich macht auf einen Fakt aufmerksam, aus dem sich auch konkrete Beratungspflichten für Makler ergeben können. Denn wer in Teilzeit wechselt, verdient auch weniger Geld und bekommt mitunter andere Tätigkeiten im Beruf zugewiesen. Der Versicherungsschutz müsste entsprechend angepasst werden.
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Der neue Absicherungsbedarf ergibt sich aus dem Charakter der Teilzeitarbeit selbst, wie Dietrich erklärt. Denn oft fallen beim Herabsetzen der Arbeitszeit Kerntätigkeiten weg, etwa bestimmte Aufgaben und Befugnisse. Es ist dann eben nicht mehr exakt dieselbe Tätigkeit wie früher, nur mit reduziertem Stundenumfang, sondern, zugespitzt formuliert: ein "neues" Berufsprofil. Ein Beispiel: Reduziert der Mitarbeiter eines Maklerbüros seine Arbeitszeit von acht auf vier Stunden, so ist er vielleicht nicht mehr im Außendienst eingesetzt und berät Kunden, sondern übernimmt Verwaltungsaufgaben im Büro.
Hier stellt sich die Frage, wie im Rahmen der Teilzeitklausel das Restleistungsvermögen des Betroffenen gegenüber den gesunden Tagen berechnet werden soll: in welchem Umfang sich also Ursachen wie Unfall, Krankheit oder Kräfteverfall negativ auswirken. "Eine bei Vollzeittätigkeit bestehende Kerntätigkeit hätte Leistungsauslöser bei Berufsunfähigkeit sein können, fällt aber oftmals bei der Teilzeittätigkeit weg. Welche Tätigkeit genau wird in ihrer Ausgestaltung dann geprüft?", fragt Dietrich. Die Teilzeitklausel von Condor berücksichtigt nur einen Teilaspekt, nämlich die Arbeitszeit. Auch andere Auslöser im Sinne der Bestimmungen müssten einbezogen werden, mahnt der Fachmakler. Ähnlich wie auch Hendrik Scherer ist damit indirekt der Vorwurf verbunden, dass die Klausel der Komplexität einer Leistungsprüfung nicht gerecht werden kann.
Stattdessen präferiert Dietrich eine andere Lösung. “Schauen wir uns den konkreten Fall an, dass jemand vorübergehend aus dem Beruf ausscheidet“, schreibt er an den Versicherungsboten. „Bei einigen Versicherern ist von Beginn an, also mit dem ersten Tag der Elternzeit, um ein Beispiel zu nennen, der Beruf nicht mehr versichert. Das ist nachteilig für den Kunden, scheint hingegen viele Marktbeobachter nicht zu interessieren. Bei den qualitativ hochwertigeren Bestimmungen ist eine genaue Zeit definiert, in der die Beruf versichert bleibt, auch wenn ich ihn vorübergehend nicht ausübe. Ich sehe auf dieser Basis die Lösung für Teilzeitkräfte, nicht aber in der vorgelegten Klausel.“
Warum nicht Wechsel in Teilzeit über die Nachversicherungsgarantie regeln?
Wechselt ein Versicherungsnehmer in Teilzeitarbeit, bringt das, wie bereits angesprochen, auch Beratungspflichten für Makler mit sich. Sie müssen ihre Kunden über den sich ändernden Absicherungsbedarf aufklären: zumindest, wenn er dauerhaft seine Arbeitszeit reduzieren will. Das macht die Sache nicht weniger kompliziert. Denn weiß die Versicherungsnehmerin bzw. der Versicherungsnehmer bereits, ob sie oder er dauerhaft in Teilzeit wechseln will — oder nur vorübergehend? Es ist zu erwarten, dass eine nicht unbedeutende Zahl an Menschen sich diese Frage offen hält beziehungsweise keine genauen Vorstellungen für die spätere Berufsbiographie hat. Das dürfte speziell für jungen Berufstätige in Zeiten der Familiengründung gelten.
Hier zeigt sich eine weitere Haftungsfalle. Denn die Vermittler müssten auch darüber aufklären, dass es bei vielen Versicherern eben nicht möglich ist den Schutz wieder aufzustocken, nachdem er einmal aufgrund von Teilzeit nach unten korrigiert wurde. Nach stichprobenhaften Recherchen des Versicherungsboten geht dies oft nicht ohne eine neue Gesundheitsprüfung bei der Rückkehr in Vollzeit. Hier zeigt sich die Branche, wie bereits erwähnt, starr, unflexibel und den Bedürfnissen der heutigen Arbeitswelt unzureichend angepasst.
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Eine Lösung könnte sein, die Teilzeitarbeit bei den Nachversicherungs-Garantien stärker zu berücksichtigen. Und zwar nicht nur derart, dass die Garantien erlauben, unter genau definierten Bedingungen bei Rückkehr von Teilzeit- in eine Vollzeitarbeit den Schutz wieder um einen bestimmten Betrag aufzustocken. Sondern auch, dass die Garantien es ermöglichen, den Schutz für ein bestimmtes Zeitfenster nach unten zu korrigieren, wenn eine Frau oder ein Mann in Teilzeit wechseln will. Auch hierfür könnten Fristen und genaue Bedingungen definiert werden, etwa ein maximales Zeitfenster von drei Jahren ab Geburt eines Kindes.