„Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer ihre vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Nachweise über die jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird (z. B. Kurzarbeit)."

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Nach Einschätzung von Scherer lässt sich die Klausel nur auf Personen anwenden, die ihre wöchentliche Arbeitszeit während der Vertragsdauer reduzieren. Ansonsten werfe der Vertragstext aber mehr Fragen auf, als er beantworte:

  • Unklar sei, ob sich der Vertragstext auf eine Vollzeittätigkeit bezieht oder ob jede Reduzierung der Arbeitszeit ausreicht, um die Klausel zu nutzen — unabhängig von der ursprünglichen Wochenarbeitszeit. So ist ja zum Beispiel denkbar, dass die Arbeitszeit im Laufe des Erwerbslebens mehrfach reduziert wird.
  • Unklar sei auch, welche Arbeitszeit laut Text zu Grunde gelegt werde. Die höchste Arbeitszeit, die jemals laut Vertrag erreicht wurde? Die gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeit laut Arbeitszeitgesetz? Anhand welcher Kriterien werde dies entschieden?
  • Unklar sei darüber hinaus, welche Nachweise vorgelegt werden müssen, damit der Anspruch auf BU-Rente nach einer früheren Arbeitszeit geprüft werden kann.

Für die Kunden bedeutet dieses hohe Maß an Vagheit nichts Gutes, wissen sie doch schlicht nicht, worauf sie im Rahmen der Klausel einen Anspruch haben. Schlimmer noch: ob sie überhaupt auf irgendwas einen Anspruch haben. Es wäre folglich zu erwarten, dass ein Gericht die Klausel wegen Intransparenz kippt, wenn sich der erste Versicherungsnehmer mit seinem Versicherer streitet, weil dieser nicht die Rente aufstocken will.

Verstoß gegen Versicherungsvertragsgesetz?

Das wichtigste Argument aber, wie bereits erwähnt: möglicherweise ist der konkrete Vertragstext nicht mit Paragraph 172 des Versicherungsvertragsgesetzes vereinbar. Demnach gilt als berufsunfähig, „wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann“.

Nach Ansicht von Hendrik Scherer geht hier der Grundsatz verloren, wonach der BU-Anspruch laut Gesetz anhand der zuletzt ausgeübten Tätigkeit geprüft werden muss. "Wenn im Leistungsfall auf die höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit abgestellt wird, die irgendwann einmal während der Vertragsdauer galt, geht die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in ihrer konkreten Ausgestaltung verloren", schreibt der Geschäftsführer (Hervorhebung bereits im Originaltext).

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Prüft der Versicherer, ob der nötige Grad an Berufsunfähigkeit erreicht ist, bewertet er dies nicht allein auf Basis der Arbeitszeit, gibt Scherer zu bedenken: laut Gesetz müsse das komplexe Tätigkeitsprofil mitsamt seinen Kernmerkmalen betrachtet werden. Dieses Profil verändere sich aber, wenn man auf einen früheren Zeitpunkt zurückblicke: genau das "verspricht" ja die Teilzeitklausel. Damit gehe auch die konkrete Ausgestaltung des Berufes zugunsten einer abstrakten Analyse verloren. Es spielt nun eben keine Rolle, was genau der Versicherte zuletzt tat und in welchem Umfang.

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