Kläger widerrief ... nach 7 Jahren

Um was ging es in dem Rechtsstreit zur Widerrufsbelehrung? Ein Versicherungsnehmer hatte ein Versicherungsunternehmen verklagt aufgrund seiner fondsgebundenen Rentenversicherung. Erklärte der Versicherungsnehmer doch seinen „Widerspruch/Rücktritt/Widerruf gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages“ sowie eine „hilfsweise Kündigung“ für den Fall, dass der Versicherer den „Widerspruch/Rücktritt/Widerruf" zunächst nicht anerkannte. Hierdurch wollte der Versicherungsnehmer den Rückkaufswert für seinen Vertrag sowie sämtliche gezahlte Prämien geltend machen.

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Die beklagte Versicherung jedoch akzeptierte lediglich die Kündigung und zahlte einzig den Rückkaufswert in Höhe von 14.432,33 aus, was zur Klage des Versicherungsnehmers führte. Standen doch aus seiner Sicht noch Prämien in Höhe von 5.350,86 Euro aus, da der Versicherungsnehmer der Meinung war, er hätte mit Recht seinen Vertrag widerrufen.

Die Prämiensumme verdeutlicht freilich bereits: Mit dem Widerruf hat es seinen Haken, weswegen das beklagte Versicherungsunternehmen aus gutem Grund die Prämien einbehielt. Denn die Rentenversicherung wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2009 abgeschlossen. Vom 01. Januar 2009 bis zum 01. Januar 2016 zahlte der Versicherungsnehmer zudem pflichtgemäß seine Prämien. Viel zu spät also erfolgte der Widerruf, wenn man bedenkt, dass Paragraph 152 Versicherungsvertragsgesetz für die Lebensversicherung eine Widerrufsfrist von 30 Tagen vorschreibt: Erst am 24. November 2015 hatte der Versicherungsnehmer den Vertrag widerrufen.

Vorinstanzliche Gerichte schlugen sich folglich auch auf die Seite des beklagten Versicherers: Das Landgericht (LG) Heilbronn wies mit Entscheidung vom 29.09.2017 (Az. 4 O 111/17 Ko) die Klage des Versicherungsnehmers ab, ebenfalls das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Entscheidung vom 03.05.2018 (Az. 7 U 179/17). Nun musste der Bundesgerichtshof als oberste Revisionsinstanz über die Sache entscheiden und die Urteilsgründe auf ihre Richtigkeit prüfen.

Der zweite Blick: Tatbestand scheint widersprüchlich

Mehrere Dinge waren zur Beurteilung des Tatbestands wesentlich, die der Kläger trotz des viel zu späten Widerrufs für seine Forderungen vorbrachte:

  1. Bereits am 18. Dezember 2008 unterschrieb der klagende Versicherungsnehmer den Vertrag seiner fondsgebundenen Rentenversicherung (mit Vertragsbeginn zum 01. Januar 2009). Erst am 05. Januar 2009 erhielt er aber, über den Postweg, den Versicherungsschein und weitere notwendige Unterlagen – wie die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) oder die Verbraucherinformationen nach Paragraph 7 VVG. Deswegen vermeinte der Kläger einen Pflichtverstoß gegen die Vorgaben des Paragraphen 7 Abs. 1 Satz 1 VVG. Muss ein Versicherungsnehmer doch laut Paragraph rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie notwendige Informationen erhalten.
  2. Der klagende Versicherungsnehmer wollte zudem Rechte für eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung geltend machen. Denn zwar wurde er anhand der Verbraucherinformation, die ihm am 05. Januar 2009 zuging, sachgemäß über sein Widerrufsrecht und die Widerrufsfolgen aufgeklärt. Jedoch enthielt die Widerrufsbelehrung keinen Hinweis auf Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung. Definiert werden diese Rechtsfolgen bei Pflichtverletzung durch den Versicherer in Paragraph 9 Abs. 1 Satz 2 VVG und – speziell für die Lebensversicherung – in Paragraph 152 Abs. 2 Satz 2 VVG.
  3. Insbesondere den Hinweis auf eine Regelung sah die Kläger-Partei als geboten an, die bei fehlerhafter Belehrung dem Versicherungsnehmer entweder den Rückkaufswert einschließlich der Überschussanteile oder die für das erste Jahr gezahlten Prämien zuspricht. Weil über derartige Rechtsfolgen nicht aufgeklärt wurde, meinte sich der Kläger im Recht: Neben dem Rückkaufswert sollten auch gezahlte Prämien durch den Versicherer zurückgezahlt werden.

Urteil des Bundesgerichtshofs: Eindeutige Zurückweisung der Revision

Vorausgeschickt: Das Gericht folgte der Sicht des Klägers nicht. Wie schon bei den Vorinstanzen neigte sich Justitias Waage zugunsten des Versicherers. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg, eine Verletzung der Hinweispflicht durch den Versicherer fand nicht statt. Somit erreichte der Versicherungsnehmer sein Ziel nicht, sondern musste stattdessen die Kosten der Revision tragen. Wie aber begründete der Bundesgerichtshof sein Urteil bei einem Tatbestand, der keineswegs eindeutig scheint?

Zunächst führte das Gericht aus: Zwar hat der Versicherer in der Tat Pflichten gemäß Paragraph 7 VVG nicht erfüllt und hat nicht rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung die Unterlagen geliefert. Diese Tatsache jedoch ist für das Urteil unerheblich. Zur Begründung verwies das Gericht unter anderem auf ein BGH-Urteil vom 28.06.2017 (Az. IV ZR 440/14).

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Zum einen legen die Umstände nämlich nahe, dass der Kläger darauf verzichtete, die nach Paragraph 7 VVG mitzuteilenden Informationen bereits vor Antragstellung ausgehändigt zu bekommen. Zum anderen sichert für derartige Fälle einer nachträglichen Information das deutsche Recht dennoch die Interessen des Versicherungsnehmers: Erst mit Zugang aller notwendiger Unterlagen und der Widerrufsbelehrung beginnt nämlich die Widerrufsfrist von 30 Tagen. Ist die Widerrufsbelehrung demnach fehlerfrei und hat der Versicherungsnehmer trotz späteren Zugangs die Möglichkeit, auf die geschuldeten Informationen angemessen zu reagieren, bleibt sein Recht auf angemessene Information gewahrt.

Belehrung über fehlerhafte Belehrung? Muss nicht sein

Wie aber verhält es sich nun aus Sicht des Bundesgerichtshofs mit der Belehrung über eine fehlerhafte Belehrung? Muss also der Versicherer dem Versicherungsnehmer präventiv Rechte im Falle einer fehlerhaften Belehrung mitteilen? Dem ist laut Bundesgerichtshof nicht so. Denn zum einen sprechen laut Bundesgerichtshof Sinn und Zweck der Widerrufsbelehrung gegen eine solche erweiterte Aufklärungspflicht. Verfolgt doch eine Widerrufsbelehrung das Ziel, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, unter welchen Voraussetzungen er seine Vertragserklärung widerrufen kann und welche Rechtsfolgen dieser ordnungsgemäße Widerruf für ihn und den Versicherer hat. Dieser Normzweck, über Bedingungen des Widerrufs ordnungsgemäß aufzuklären, würde sogar erschwert, wenn gleichzeitig über die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Belehrung aufgeklärt werden müsste.

Dann nämlich drohe laut Gericht „die Gefahr einer inhaltlichen Überfrachtung und Unübersichtlichkeit der Belehrung“. Der Bundesgerichtshof verweist in diesem Kontext auch auf eine durch den Gesetzgeber mit Wirkung zum 11. Juni 2010 eingeführte Musterwiderrufsbelehrung – auch diese enthält keine Belehrung bezüglich der Folgen einer fehlerhaften Belehrung. Auf Folgen fehlerhaften Verhaltens müsse sich die Belehrung somit nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht erstrecken.

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Von Versicherer wird nicht verlangt, sich pflichtwidriges Verhalten zu unterstellen

Zum anderen kann laut BGH vom Versicherer auch nicht gefordert werden, sich selbst von vorn herein in Rechnung zu stellen, die Belehrung sei fehlerhaft. Hier folgt der Bundesgerichtshof einem Urteilsgrund des Berufungsurteils. Und dieser Urteilsgrund pointiert durch gezielt umständliche Argumentation das Paradoxe hinter einer solchen Forderung ... und sei deswegen abschließend zitiert: „Aus Gründen der Billigkeit und aus dem Zweck der Norm heraus“ könne „vom Versicherer nicht verlangt werden, dass er eigenes pflichtwidriges Verhalten unterstelle und über etwaige daraus resultierende Rechtsfolgen belehre, um sich erst dadurch pflichtgemäß zu verhalten und die beschriebene Rechtsfolge gerade nicht herbeizuführen.“

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