Panels sichern Meinungsforschern eine gewisse Verlässlichkeit. Ist doch ein Online-Panel ein Pool von Personen, für die Daten vorliegen und die wiederholt an Umfragen der Meinungsforschung teilnehmen. Das Ziel: Je sicherer die Datenbasis durch Bekanntheit der Teilnehmer und je länger die regelmäßige Teilnahme an bestimmten Umfragen, desto besser lassen sich bestimmte Trends und Tendenzen erforschen. Für die Versicherungswirtschaft verfügen die Versicherungsforen Leipzig – ein Dienstleistungsunternehmen mit Schwerpunkt Forschung und Entwicklung (F&E) in der Assekuranz – über ein solches Panel. Hierbei profitiert das Unternehmen von seiner eigenen Beratungstätigkeit.

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In Zusammenarbeit mit dem Insurance Innovation Lab riefen die Versicherungsforen Leipzig 2017 das Netzwerk „Insight“ ins Leben, dem sich mittlerweile 230 Unternehmen – sowohl der Versicherungswirtschaft als auch branchennahe Dienstleister – angeschlossen haben. Ein Vorteil für eine Panel-Befragung. Greift man auf dieses Netzwerk zurück, bleibt der Kreis der Befragten auf Experten aus branchennahen Unternehmen begrenzt. So können die Umfragen auch den Anspruch erheben, als „Stimmungsbarometer“ der Branche zu gelten – wenngleich innerhalb der eingegrenzten Reichweite eigener Partner.

Ziel der aktuellen Panel-Studie: Herausforderungen der nächsten Jahre sollten für die Branche erfragt werden. 72 Partner beteiligten sich im Dezember des zurückliegenden Jahres an der Befragung – 40 davon waren Versicherer, 32 branchennahe Dienstleister. Eine erste Frage betraf die aktuelle Lage nach Einschätzung der Branche. Zudem wurde gefragt, wie sich Investitionen und Beschäftigungszahlen in den kommenden drei Jahren entwickeln könnten. Und es wurde erfragt, ob mit besseren oder schlechteren Marktbedingungen in den kommenden drei Jahren zu rechnen sei. Der Versicherungsbote stellt Ergebnisse der aktuellen Versicherungsforen-Studie vor.

Einschätzung der aktuellen Lage: Erstaunlich gut, aber...

Wie schätzt die Versicherungswirtschaft die „allgemeine Lage in der Versicherungswelt“ aktuell ein? Ein erstes Ergebnis der Studie lässt sich dergestalt pointieren: Die Stimmung scheint gut, aber es gibt Befürchtungen. Zunächst gilt: Immerhin 53 Prozent der Befragten schätzen die Lage mit „gut“ ein. Ein Prozent der Befragten kommt hinzu mit der optimistischsten Antwort einer „sehr guten" Lage. Für 38 Prozent der Befragten ist die Stimmung weder gut noch schlecht. Und nur acht Prozent der Befragten meinen, die aktuelle Lage wäre „schlecht“. Für „sehr schlecht“ hingegen entscheidet sich keiner der Befragten. Grund zur Klage also scheint es aus Sicht der Branche derzeit kaum zu geben.

Die Erwartungen jedoch für die nähere Zukunft machen auch Befürchtungen offenkundig. Auf die Frage nämlich, wie sich Marktbedingungen für Versicherer in den kommenden drei Jahren entwickeln werden, erwarten mit 50 Prozent der Versicherer immerhin die Hälfte eine Verschlechterung der Marktbedingungen. Bei den branchennahen Dienstleistern erwarten sogar 53,2 Prozent eine Verschlechterung. Jedoch legen zwei Einwände für diese Zahlen nahe, die nähere Zukunft dennoch nicht allzu schwarz zu malen.

Zum einen nämlich erwarten 42,5 Prozent der Versicherer und 34,4 Prozent der Dienstleister, die Marktbedingungen werden sich nur „etwas“ verschlechtern. Gerade mit Blick auf die gute Einschätzung der aktuellen Lage gibt es also keinen Grund für drastische Annahmen hinter diesen Zahlen. Zum zweiten erwarten 42,5 Prozent der Versicherer und 40,6 Prozent der Dienstleister, die Marktbedingungen würden „ungefähr gleich bleiben“. Und 7,5 Prozent der Versicherer sowie 6,3 Prozent der Dienstleister erwarten sogar, die Marktbedingungen würden sich „etwas verbessern“. Eine grundsätzliche Krisenstimmung lässt sich folglich nicht erkennen.

Investitionen: Nichts Großes in Aussicht ... außer im IT-Bereich

Wie aber werden sich Investitionen in den befragten Unternehmen sowie Beschäftigungszahlen entwickeln? Auch dies wollte die Versicherungsforen-Studie erfragen. Für die Investitionen wurden sieben Bereiche vorgegeben:

  • IT
  • Modernisierung der Organisationsstruktur
  • Kooperationsprojekte
  • Beteiligungen an anderen Unternehmen oder Start-ups
  • Vertrieb
  • Personalaufbau- und Entwicklung
  • Externe Dienstleistungen und Beratungen

Für jeden der Bereiche konnte zudem angegeben werden: Investitionen würden innerhalb der nächsten drei Jahre "wesentlich ansteigen" oder „etwas ansteigen“, sie konnten zudem „ungefähr gleich bleiben“ oder „etwas sinken“ oder auch „wesentlich sinken“. Was aber erwarten die Unternehmen mit Blick auf Ihre Investitionen?

Zunächst gilt auch für diese Frage: Drastische Antworten sind nicht die Regel. Im Gegenteil: Für jeden der Bereiche entscheidet sich die Mehrzahl der Befragten entweder dafür, dass die Investitionen nur „etwas ansteigen“ werden oder dass sie „ungefähr gleich bleiben“. Nur ein Bereich bildet bei den Investitionen die Ausnahme und provoziert Antworten jenseits verhaltener Prognosen. Das betrifft den IT-Bereich: 46,2 Prozent der Versicherer und sogar 71,0 Prozent der branchennahen Dienstleister nämlich gehen davon aus, die Investitionen in den IT-Bereich würden in den nächsten drei Jahren „wesentlich ansteigen“.

Sinkendes Investitionsvolumen: Umfrageergebnisse uneinheitlich

Sinkende Ausgaben hingegen erwarten die Versicherer am ehesten in den Bereichen Personalaufbau- und Entwicklung sowie externe Dienstleistungen und Beratungen. 12,8 Prozent der Versicherer geben in der Studie an, für den Bereich Personalaufbau- und Entwicklung werden die Investitionen „etwas sinken“. Aus Sicht von 5,1 Prozent der Befragten werden die Ausgaben in diesem Bereich sogar „wesentlich sinken“. Dem stehen aber auch 30,8 Prozent der Befragten gegenüber, die von überhaupt keinen Veränderungen der Investitionen in diesem Bereich ausgehen. Außerdem erwarten 38,5 Prozent der Befragten einen leichten Anstieg der Investitionen in dem Bereich Personalaufbau- und Entwicklung und 7,7 Prozent sogar einen wesentlichen Anstieg der Investitionen in diesem Bereich.

Ähnlich das Bild bei externen Dienstleistungen und Beratungen: Zwar erwarten 15,4 Prozent der Versicherer einen leichten und 2,6 Prozent einen wesentlichen Rückgang der Investitionen. Dem stehen aber 30,8 Prozent gegenüber, die von gleichbleibenden Investitionen für den Bereich ausgehen. Zudem erwarten 33,3 Prozent der Befragten einen leichten und 7,7 Prozent sogar einen wesentlichen Anstieg der Investitionen.

Obwohl also für die Bereiche Personalaufbau- und Entwicklung sowie externe Dienstleistungen und Beratungen die prozentuale Zustimmung für einen Rückgang der Investitionen am größten ist, verteilen sich die Stimmen dann doch für diese Bereiche auf eine Art, die drastische Prognosen nicht rechtfertigt.

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Weniger Investitionen in den Vertrieb?

Bei den befragten Dienstleistern wird am ehesten beim Vertrieb mit sinkenden Investitionen gerechnet. 19,4 Prozent der Befragten gehen davon aus, die Investitionen in den Vertrieb würden "etwas" sinken. 6,5 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, die Investitionen in den Vertrieb würden "wesentlich" sinken. Dieser Befund, der die Branche durchaus beunruhigen könnte, erscheint jedoch wieder nicht einheitlich. Denn für den Bereich Vertrieb gehen 45,2 Prozent der branchennahen Dienstleister von gleichbleibenden Investitionen aus und 22,6 Prozent sogar davon, die Investitionen würden etwas ansteigen. 3,2 Prozent der Befragten meinen sogar, die Investitionen in den Vertrieb würden wesentlich ansteigen. Auch bei diesem Umfragethema also wären verfrühte Warnungen doch fehl am Platze.

Beschäftigungszahlen: Bereich "Vertrieb und Kundenservice" unter Druck

Wie aber sieht es bei den Beschäftigungszahlen für die kommenden drei Jahre aus? Hinsichtlich dieser Frage könnte dann doch Beunruhigung in der Branche aufkommen. Denn zwar gibt es erneut den deutlichsten Trend bei den Antworten für den IT-Bereich: Hier rechnen die Befragten damit, dass Beschäftigungszahlen etwas oder gar wesentlich ansteigen. Es zeigt sich aber ein zweiter Trend, der Vermittler dann doch unangenehm aufstoßen könnte: Mit einem Rückgang der Beschäftigungszahlen in den kommenden drei Jahren rechnen die Befragten am ehesten für den Bereich Vertrieb und Kundenservice.

Grundsätzlich wurden für Beschäftigungszahlen zunächst folgende Bereiche vorgegeben:

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  • IT
  • Kapitalmanagement
  • Produktmanagement
  • Underwriting
  • Betriebsorganisation
  • Marketing
  • Schadenmanagement
  • Vertrieb und Kundenservice

Auch konnte erneut angegeben werden, dass Beschäftigungszahlen "wesentlich ansteigen" oder „etwas ansteigen“, außerdem konnten sie „ungefähr gleich bleiben“ oder „etwas sinken“, aber auch „wesentlich sinken“. Größte Auffälligkeiten ergeben sich laut Studie aber für zwei Bereiche: Für den IT-Bereich sowie für den Bereich "Vertrieb und Kundenservice".

Mehr Jobs bei IT, weniger im Vertrieb

So gehen 23,1 Prozent der Versicherer und sogar 36,7 Prozent der Dienstleister davon aus, im IT-Bereich würden die Beschäftigungszahlen in den kommenden drei Jahren „wesentlich ansteigen“. Hinzu kommen 48,7 Prozent der Versicherer und 53,3 Prozent der Dienstleister, die davon ausgehen, dass Beschäftigungszahlen im IT-Bereich „etwas“ ansteigen werden. Wie bei den Investitionen zeigt sich: Größte Zuwächse erwartet man aufgrund des notwendigen technischen Know-hows.

Den Kontrast-Bereich hingegen bildet am anderen Ende der Tabelle: Vertrieb und Kundenservice. Denn 43,6 Prozent der Versicherer und 46,7 Prozent der Dienstleister gehen davon aus, die Beschäftigungszahlen im Vertrieb würden in den kommenden Jahren „etwas sinken“. Hinzu kommen 13,3 Prozent der Dienstleister, die davon ausgehen, die Beschäftigungszahlen würden für den Vertrieb sogar „wesentlich sinken“. Antworten, die auch durch weitere Daten nur unzulänglich aufgewogen werden:

28,2 Prozent der Versicherer und 26,7 Prozent der Dienstleister gehen davon aus, die Beschäftigungszahlen im Vertrieb würden gleich bleiben. Und 25,6 Prozent der Versicherer sowie 13,3 Prozent der Dienstleister gehen davon aus, die Beschäftigungszahlen im Vertrieb würden etwas ansteigen. Trotz dieser relativierenden Zahlen zeigt die Studie: Der größte Druck auf die Beschäftigungszahlen wird für den Bereich Vertrieb und Kundenservice vermutet.

Zu bedenken ist freilich jedoch ebenfalls, dass Stichproben bei brancheninternen Umfragen oft klein sind und die prozentualen Angaben sich 40 befragten Versicherern und nur 32 Dienstleistern verdanken. Denn wer Experten einer Branche befragt, dem stehen nicht so viele Stimmen zur Verfügung wie z.B. dem Meinungsforscher anonymer Online-Umfragen. Die Expertise der Befragten führt notwendigerweise zu einer nur engen Teilnehmerzahl. Wenige abweichende Antworten können demnach, übersetzt "in Prozente", schon große Unterschiede vortäuschen. Ein solcher möglicher Effekt ist stets bei Deutung der Zahlen zu beachten.

Hauptaufgabe Outsourcing?

Worin aber liegen die strategischen Hauptaufgaben der nächsten Jahre? Die Versicherer nennen (bei möglichen Mehrfachnennungen) drei dominante Aufgaben:

  • Die Risikotragung und damit zugleich das Risiko- und Schadenmanagement (90 Prozent der Befragten entscheiden sich für diese Aufgabe),
  • die Aufklärung über Risikosituation (95 Prozent entscheiden sich für diese Aufgabe) sowie das
  • Outsourcing von Wertschöpfungsprozessen (95 Prozent entscheiden sich für diese Aufgabe).

Besonders die dritte „Top-Antwort“ könnte Neugier wecken. Sind doch zwei wichtige Motive für ein Outsourcing von Prozessen denkbar: Prozesse oder Teilprozesse werden ausgelagert, sobald sie ineffizient bzw. für ein Unternehmen „zu teuer“ sind. Oder Prozesse werden ausgelagert, sobald es für ein Unternehmen besser ist, externe Experten mit bestimmten Aufgaben zu betrauen. Leider kranken vorgegebene Antwortmöglichkeiten der Studie zu strategischen Hauptaufgaben an zu allgemeinen Vorgaben. Denn worauf bezogen sich die Versicherer mit ihrer Antwort? Die Frage muss leider offen bleiben.

Auf Anfrage erklärte eine Expertin der Versicherungsforen: Der Punkt wäre leider nicht weiter definiert worden. Aus diesem Grund wäre auch davon auszugehen, dass verschiedene Teilnehmer an der Studie eventuell unterschiedliche Prozesse im Kopf hatten. Hier wirkt sich die Assoziationsweite der vorgegebenen Antwort leider zum Nachteil der Frage aus – ganz verschiedene Vorstellungen der Befragten könnten zu einer häufigen Nennung nur einer Antwort geführt haben.

Dennoch aber sei auf zwei Outsourcing-Phänomene verwiesen, die in der letzten Zeit die Branche in Atem hielten. So lastet durch niedrige Zinsen ein großer Kostendruck auf den Versicherungsunternehmen. Das machte zum Beispiel der Versicherungsriese Generali deutlich – nicht nur durch den spektakulären Verkauf von vier Millionen hochverzinsten Lebensversicherungen an den Run-off- Versicherer Viridium, sondern auch durch Umbau des Vertriebs. Der Umbau bewirkte, dass große Teile der Ausschließlichkeit an die Deutsche Vermögensberatung (DVAG) abgegeben wurden. Ein solches Vorgehen zeigt das Bestreben, den Vertrieb eigener Produkte an ein anderes Unternehmen auszulagern (der Versicherungsbote berichtete).

Ein weiteres „Outsourcing“-Phänomen der Branche sind Auslagerungen einstiger Kernaufgaben durch die Anforderungen neuer IT-Technik. Arbeiten doch immer mehr Versicherer mit IT-Experten und mit jungen Start-Ups zusammen, was sich auch in Erwartung zunehmender Investitionen für den IT-Bereich widerspiegelt.

So bieten zum Beispiel die Debeka sowie die Versicherungskammer Bayern ihren Versicherten das ePortal „Meine Gesundheit“ an, ein Portal für Rechnungs- und Gesundheitsdienstleistungen. Gestartet allerdings wurde dieses Portal von der MGS Meine-Gesundheit-Services GmbH (MGS), einem Joint Venture des AXA Konzerns. Konkurrierende Versicherer sitzen also bei einem Serviceangebot plötzlich gemeinsam „in einem Boot“ und nutzen einen gemeinsamen Online-Dienst.

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Ein Weg, den Debeka-Vorstandschef Thomas Brahm erst neulich in einem Interview der Süddeutschen anpries: Man „kriege das allein nicht hin“, es mache „Sinn, sich mit anderen zusammenzuschließen“. Hier geht das Auslagern von Tätigkeiten sogar so weit, dass Konkurrenten gemeinsam einen externen Dienst für ihre Kunden nutzen, weil sie von der Expertise eines IT-Anbieters abhängig sind.

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