Wer die Startseite der Verbraucherzentrale Bremen öffnet, erfährt nichts davon, in welch schwieriger Lage sich der gemeinnützige Verein befindet. Informiert wird über die Risiken von Direkt-Investments und über die Insolvenz des Fluganbieters Germania. Eine Meldung verspricht „50 Prozent ermäßigte Beratungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Thema Altersvorsorge“.

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Doch Fehler bei der Altersvorsorge sind wohl der Grund, weshalb die Verbraucherzentrale nun selbst pleite ist: Sie hat nicht genug Geld zurückgelegt, um die Betriebsrenten der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bedienen. Um das zu erfahren, muss der Leser erst auf den Link für „Pressemitteilungen“ klicken, wo unter der Überschrift „Zur Situation der Verbraucherzentrale Bremen e.V.“ über die Nöte berichtet wird. Verlinkt ist der Text auf der Startseite nicht.

Mutmaßlich Fehler in Tarifverträgen — und falsch berechnete Betriebsrenten

Was genau schief ging, ist allerdings auch aus dem Pressetext nicht zu entnehmen. Dort heißt es, man habe „eine Restrukturierung in Eigenverwaltung initiiert, um sich mithilfe eines Insolvenzplans wirtschaftlich neu aufzustellen.“ Mit anderen Worten: Der Verbraucherzentrale droht die Pleite, sie musste Insolvenz anmelden. Der Begriff "Insolvenzplan" ist zumindest ein Hinweis darauf.

Grund für die Geldsorgen seien „nicht ausreichend versicherte Verpflichtungen, die sich auf die Beschäftigungsverhältnisse auswirken“, heißt es weiter. Das klingt sehr verklausuliert und unkonkret. Mehr Details zu den Ursachen verrät die Verbraucherzentrale im Pressetext nicht.

Die Hintergründe hat aber der „Weserkurier“ recherchiert. Am Dienstag berichtet das Blatt, der Verein habe Fehler bei der Altersvorsorge der Mitarbeiter gemacht. In den Tarifverträgen seien die Betriebsrenten offenbar dem falschen Versorgungsanbieter zugeordnet wurden, so dass ihnen nun deutlich mehr Geld zustehen würde, als es bei einer richtigen Eingruppierung der Fall gewesen wäre.

Weil der Verein aber über Jahre hinweg den Fehler nicht bemerkt hat, habe er zu wenig Geld für die Betriebsrenten der Mitarbeiter zurück gelegt. Denn natürlich müssen die Verträge erfüllt werden, auch wenn der Arbeitgeber patzte. Nun drohen laut Weserkurier hohe Nachzahlungen, wofür der Verbraucherzentrale schlicht das notwendige Kapital fehlt.

Für die betroffenen Mitarbeiter könnte die jetzige Situation darauf hinauslaufen, dass sie freiwillig auf Zahlungen verzichten und deutlich weniger Betriebsrente erhalten, als in den Tarifverträgen versehentlich vereinbart. Das freilich wird so explizit auch nicht in der Presse-Aussendung der Verbraucherzentrale formuliert. Dort heißt es lediglich, man versuche, „in erheblichem Umfang drohende sozialversicherungsrechtliche Ansprüche der Altersversorgung abzuwenden“.

Keine personelle Konsequenzen

Die Verbraucherzentrale will sich zur Höhe der Altlasten nicht konkret äußern. Entsprechende Presseanfragen seien nicht beantwortet worden, so berichten unisono „Weserkurier“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Die Verein mauere bei dem Thema. Zudem hätten die Mitglieder des Verwaltungsrates und die beteiligten Rechtsanwälte auf eine Verschwiegenheitsklausel verwiesen.

Ärgerlich ist dies auch deshalb, weil der Verein fehlende personelle Konsequenzen gerade mit der angestrebten Transparenz begründet. Im Pressetext heißt es wortwörtlich: "Die Geschäftsführung bleibt im Amt und kann weiter uneingeschränkt agieren. Damit wird das Verfahren für alle Beteiligten transparenter.“ Allerdings schreibt der Weserkurier auch, es sei die jetzige Geschäftsführerin Annabel Oelmann gewesen, die den Fehler aufgedeckt habe und sofort tätig wurde. Das spricht dafür, dass sie persönlich kein Verschulden trifft, sondern wohl ihre Vorgänger.

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Immerhin gibt es auch gute Nachrichten für die Betroffenen. Die Gehälter der 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien abgesichert, Entlassungen nicht geplant, heißt es im Pressetext. Sie seien in einer Betriebsversammlung über die Ereignisse „kurzfristig informiert worden“.

Kritik vom AfW - und offenbar höhere Förderung angedacht

Für den Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW), Lobbyverband vieler Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler, sind die Vorgänge bei der Verbraucherzentrale Bremen eine Steilvorlage. Wiederholt hatte der Verband kritisiert, dass die Mitarbeiter der Verbraucherzentralen nicht ausreichend qualifiziert seien, wenn es um Themen wie Altersvorsorge und Risikoabsicherung gehe. Sie müssten schlicht keine Sachkunde nachweisen. In einem Pressetext wiederholt der Verband nun seine Kritik.

"Wir halten Verbraucherzentralen in vielen Bereichen für wichtig und gut. Aber gerade weil sie Missstände im Markt anprangern, sollten sie selbst Vorbild sein", kommentiert AfW-Vorstand und Rechtsanwalt Norman Wirth. Und weiter: "Ständig müssen sich unsere Mitglieder von den vermeintlichen Verbraucherschützern pauschal und ohne belastbare Grundlage vorhalten lassen, provisionsexzessiv und qualitativ schlecht zu beraten. Und seit Jahren weisen wir darauf hin, dass es schwerlich sein kann, wenn in den staatlich subventionierten Beratungsstellen ohne klare Ausbildungs- und Qualifizierungsanforderungen die Bürger auch in Altersvorsorgefragen beraten werden. Schlimm, wenn es jetzt sogar dort die eigenen Mitarbeiter betrifft“, so Wirth.

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Die Verbraucherzentrale Bremen will sich nun über einen Insolvenzplan neu aufstellen. Dabei könnte sich das Problem quasi von selbst lösen: wenn auch auf Kosten des Steuerzahlers. Politiker von CDU, FDP und der Linken sagten dem "Weserkurier", man müsse über eine höhere Förderung der Verbraucherzentrale nachdenken, um das Beratungsangebot der Verbraucherschützer aufrecht zu erhalten.

Im Jahr 2017 verbuchte die Verbraucherzentrale nach eigenen Angaben 2,1 Millionen Euro an Einnahmen: davon neunzig Prozent aus Fördertöpfen. Insgesamt hat der Verein knapp 19.300 Beratungen durchgeführt.

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