Seit dem 1. Februar 2018 ist Carsten Schildknecht CEO der Zurich Gruppe Deutschland. In einem Interview mit der „Kölnischen Rundschau“ gab der 50jährige Manager nun Auskunft, wo es künftig hingehen soll mit dem Versicherer. Dabei verbreitet Schildknecht, der den Versicherer in einer schwierigen Umbruchphase übernommen hat, viel Zuversicht und Aufbruchstimmung. Zur Erinnerung: Schildknecht hatte die deutsche Konzerntochter der Zurich von Markus Nagel übernommen, der weniger als zwei Jahre durchgehalten hatte und den Konzern auf eigenen Wunsch verließ.

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Firmenzentrale der Deutschland-Gruppe zieht nach Köln

Im Herbst 2019 wird der Hauptsitz des Versicherers aus Bonn in die Rhein-Metropole Köln verlegt, der Neubau entsteht in der „Messe-City“ Köln Deutz. Sämtliche 2.700 Mitarbeiter aus der Region Köln und Bonn sollen dann in drei Gebäude des Komplexes einziehen, rund 60.000 Quadratmeter Bürofläche wird der Neubau bieten. Der Umzug ist Teil einer Neuausrichtung des Konzerns, so hatte die Zurich bereits per Pressetext verlautet. Und eines notwendigen Neuanfangs: Der Versicherer hatte mit doppelten Strukturen und hohen Kosten zu kämpfen, was sich in den letzten Jahren teils in einem Gewinneinbruch spiegelte.

Carsten Schildknecht ist seit Februar 2018 Chef der Zurich Deutschland. Er übernahm den Konzern in einer schwierigen Phase. Quelle: newsroom.zurich.deNun herrscht aber schon vor dem Umzug ein frischer Wind, so berichtet Schildknecht im Interview mit der „Rundschau“. Das spiegelt sich zum Beispiel in der Art des Miteinanders in der Bonner Firmenzentrale. Man duze sich jetzt, so berichtet Schildknecht, habe mehr Nähe erzeugt, Distanz abgebaut und Hierarchien abgeflacht. Ausdruck eines Kulturwandels, den die Mitarbeiter selbst in Workshops eingefordert hätten.

Neu ist die Entwicklung nicht, bei anderen Versicherern findet Ähnliches statt. So erzählte vor wenigen Tagen in einem Interview auch Alexander Vollert, Vorstandschef der Axa Deutschland, dass man den Büroalltag neu organisiert habe. Feste Arbeits- und Büroplätze gebe es in der Firmenzentrale Köln mittlerweile nicht mehr, offene Räume, „Meeting Rooms“ und gemeinsame Work Spaces sollen für einen besseren Austausch sorgen. Kicker-Tische und Kaminzimmer schaffen zudem eine Atmosphäre der Entspannung.

Das Vorbild für diese Arbeitsatmosphäre ist unter anderem Google mit seinem Hauptquartier in der San Francisco Bay: der Konzern sorgt mit kostenloser Kinderbetreuung, Fitness-, Massage- und Freizeitangeboten dafür, dass sich die Mitarbeiter auch auf Arbeit wohlfühlen. S0 soll auch der Konflikt zwischen Arbeit und Freizeitleben besser bewerkstelligt werden können, Stichwort: Work-Life-Balance. Doch das Modell bringt auch Nachteile mit sich, etwa Leistungsdruck, der in die Freizeit hineinwirkt. Laut einer Studie des Vergleichsportals Pascale ist die Fluktuation bei Google hoch, die durchschnittliche Verweildauer von Neueinsteigern im Unternehmen beträgt einhalb Jahre.

"Die Mitarbeiter mitnehmen"

Bei den Versicherern zielt die neue Arbeitskultur jedoch auch darauf, die Mitarbeiter mitzunehmen für den oft schmerzhaften Konzernumbau. 825 Stellen hat allein die Zurich Deutschland seit 2016 gestrichen und zudem die Standorte Bonn, Oberursel und Wiesbaden geschlossen bzw. schließt sie noch (der Versicherungsbote berichtete). CEO Carsten Schildknecht betont folglich, dass das „Du“ im Konzern nun Teil des kulturellen Wandels sei und „mehr als nur Symbolik“, auch wenn er es niemandem aufdrängen wolle.

Flache Hierarchien und offene Räume erlauben zudem, schneller auf aktuelle Trends und Entwicklungen zu reagieren — man ist schlicht schneller miteinander im Gespräch, die Wege sind kürzer. Die rund 4.600 Mitarbeiter würden sich nun eher trauen, sich einzubringen und ihre Meinung in einem konstruktiven Sinne zu sagen, betont Schildknecht.

“Wenn wir die Zurich nach vorne bringen wollen, müssen wir unsere 4600 Mitarbeiter mitnehmen“, sagt Schildknecht der „Kölnischen Rundschau“. Und weiter: „Auf sie kommt es an, weil sie es sind, die für die Kundenzufriedenheit sorgen. In unserem Prozess sind wir gut unterwegs“. Der Umbauprozess habe eine kritische Bestandsaufnahme vorausgesetzt — aber „viel Energie freigesetzt und Ballast der Vergangenheit abgeworfen“.

Digitale Prozesse scheffeln Zeit frei

Vergleichbar anderen Versicherern verfolgt die Zurich aktuell eine offensive Digitalstrategie. Wie Amazon im Einzelhandel müsse sich die Versicherungsbranche neu erfinden, denn "die Kunden messen uns an ihren Erfahrungen, die sie mit anderen Industrien machen", sagt Schildknecht. Als Beispiel nennt er die App Zurichtelefonie: Hierbei wird ein Schadenbegutachter per Smartphone zugeschaltet und der Schaden gefilmt, ohne dass der Gutachter mehrere Stunden zum Unfallort fahren muss. Ein deutlicher Zeitgewinn.

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Schildknecht machte noch einmal deutlich, dass „digital“ keineswegs das Aus für die persönliche Beratung bedeuten muss. Im Gegenteil: Sie schaffe Kapazitäten, den Kunden besser zu betreuen. Er wolle die persönliche Beratung ausbauen. Als Beispiel nennt er die Altersvorsorge: „Früher hat man eine Lebensversicherung abgeschlossen und sich bis zur Fälligkeit 30 oder 40 Jahre nicht gesehen. Dabei passiert beim Kunden in der Zwischenzeit viel: Heirat, Familiengründung oder Hausbau beispielsweise. Wir müssen stärker auf diese individuellen Lebensereignisse eingehen, flexible Konzepte entwickeln und Angebote machen“, so der Manager.

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