Das Thema Rente und Soziales zählte bisher nicht zu den Schwerpunktthemen der Alternative für Deutschland (AfD). Als der Versicherungsbote vor der Bundestagswahl 2017 eine Umfrage startete, wie die Parteien die gesetzliche Rente künftig gestalten wollen, antwortete die AfD als einzige Partei nicht auf den Fragenkatalog. Anfangs vertröstete man uns noch - dann blieben alle Anfragen unbeantwortet.

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Das mag auch kaum verwundern, tobt doch auch innerhalb der Partei ein Rentenstreit. Ein abgestimmtes Konzept für die Zukunft der Rente aber fehlt. Bisher bekannt war, dass sich in der AfD zwei scheinbar unversöhnliche Flügel gegenüber stehen: ein völkischer, der besondere Privilegien für deutschstämmige Staatsbürger vorsieht, und ein wirtschaftslibertärer. Nun tritt ein drittes Konzept hinzu, mit dem besonders kinderreiche Familien begünstigt werden sollen. Über den neuen Vorstoß berichtet aktuell Welt Online.

Drei Rentenkonzepte - drei widersprüchliche Positionen?

Grob lassen sich derzeit in der AfD drei Positionen zur Rente unterscheiden. Einen ersten Vorstoß wagte im Juni Björn Höcke, Landes- und Fraktionschef der AfD in Thüringen. Sein Papier sieht vor, das sogenannte Rentenniveau dauerhaft bei 50 Prozent zu stabilisieren - höher als der aktuelle Wert. Um die Rente dauerhaft zu sichern, will Höcke deutlich höhere Reallöhne zahlen, was zum Beispiel durch einen höheren Mindestlohn gewährleistet werden müsste.

Zur Bekämpfung der Altersarmut will Höcke eine sogenannte Staatsbürgerrente etablieren. Demnach sollen nur Menschen mit deutschem Pass eine Aufstockung der Rente erhalten, wenn sie nur geringe Alterseinkünfte zu erwarten haben. Kindereiche Familien will Höcke ebenfalls bei der Rente begünstigen (der Versicherungsbote berichtete).

AfD-Chef Meuthen will umlagefinanzierte Rente schrittweise abschaffen

Diesem Vorschlag völlig konträr gegenüber steht das Konzept von AfD-Parteichef Jörg Meuthen. Während Höckes Papier einen Ausbau der gesetzlichen Rente vorsieht, plant der wirtschafstliberale Meuthen genau das Gegenteil: er will das umlagefinanzierte System der gesetzlichen Rente schrittweise abschaffen. Vorsorgen „können die Einzelnen in der Regel besser als der Staat“, sagte Meuthen in einem „Welt“-Interview.

Bereits auf dem Parteitag der AfD Anfang Juli in Augsburg hatte der Parteichef vor versammelter Menge gefordert, es müsse eine „„Abkehr vom zwangsfinanzierten Umlagesystem“ geben. Lediglich eine sehr niedrige Grundrente will Meuthen zusätzlich für jene einrichten, die sich keine Privatvorsorge leisten können, komplett aus Steuern finanziert. Auch die gesetzliche Unfall- und Pflegeversicherung stünde damit vor dem Aus.

Neues Konzept: Viel Rente für Kinderreiche, fast nichts für Kinderlose

Nun gesellt sich ein drittes AfD-Rentenkonzept hinzu, das der Brandenburger Abgeordnete Norbert Kleinwächter entwickelt hat. Er will zwar am umlagefinanzierten System der gesetzlichen Rente festhalten, finanziert von den Beitragszahlern. Aber eine auskömmliche Alterssicherung sollen künftig nur jene erhalten, die genügend Kinder für den vermeintlichen Erhalt des Systems geboren haben. Kinderlose hingegen würden kaum etwas aus der Rentenkasse bekommen, würde sein Modell in die Realität umgesetzt.

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„Die gesamte Umlagerente kann nur funktionieren, wenn Kinder geboren werden, die Beiträge für die Renten der Eltern zahlen können“, sagte Kleinwächter gegenüber Welt Online. Hier will der Politiker den sogenannten Eckrentner neu definieren. Der Eckrentner ist ein Mustermodell für einen Beschäftigten, der für sein ganzes Arbeitsleben ein durchschnittliches versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt bezahlt hat - und 40 oder 45 Jahre in die Rentenkasse einzahlte. Das daraus errechnete Verhältnis seiner Rente zum Durchschnittseinkommen wird als (Eck- oder Standard-)Rentenniveau bezeichnet.

Modell der 20/40/60-Rente bei mindestens drei Kindern

Norbert Kleinwächter schlägt nun ein Rentenmodell vor, dass Kinderreiche besonders begünstigt. Den Eckrentner definiert der AfD-Politiker so so, dass er „zum einen 40 Jahre lang arbeitet und zum andern genügend Kinder hat, damit das System lebensfähig bleibt – nämlich drei Kinder“. Diesem kinderreichen Eckrentner will Kleinwächter eine sogenannte 20/40/60-Rente zusichern: 20 Prozent Beitragssatz in der Rentenkasse sollen nach 40 Jahren ein Netto-Rentenniveau von mindestens 60 Prozent im Vergleich zum vorherigen Nettolohn garantieren.

Langfristig sollen nach Kleinwächters Modell vor allem solche Eltern ein auskömmliches Rentenniveau erhalten, die eben viele Kinder großziehen. Nach seinen Berechnungen würden im Jahr 2040 Familien mit drei Kindern ein Nettorenten-Niveau von gut 64 Prozent des Durchschnittslohns erhalten, Familien mit zwei Kindern immer noch rund 53 Prozent. Folglich mehr, als sie jetzt bekommen. Bis zum Jahr 2060 müssten diese Rentner kaum Einbußen beim Verhältnis von Lohn und Rente erleiden.

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Kinderlose Arbeitnehmer: zwanzig Prozent Beitragssatz, zehn Prozent Rentenniveau

Anders sieht es jedoch bei jenen Beschäftigten aus, die weniger oder keine Kinder haben. Auch sie sollen nach dem Modell verpflichtend 20 Prozent des Bruttoeinkommens Beitrag in die Rentenkasse einzahlen. Eltern mit einem Kind sollen im Jahr 2050 eine Rente erhalten, die einem Rentenniveau von 38 Prozent entspricht. Bei kinderlosen Arbeitnehmern sind sogar nur zehn Prozent Rente angedacht. Mit anderen Worten: Sie zahlen genau so viel wie die anderen in die Rentenkasse ein. Erhalten aber fast nichts daraus. Kinderlose würden folglich die Rente kinderreicher Familien finanzieren.

Wer nur ein Kind hat oder gar keines, dem droht folglich massive Altersarmut. Kleinwächter argumentiert jedoch gegenüber Welt Online, dass diejenigen ohnehin nur so viel an gesetzlicher Rente bekommen würden, wie man "nach dem bisherigen System in den verschiedenen Szenarien zur künftigen Rentenentwicklung wegen des demografischen Wandels ohnehin bekommen würde." Mit anderen Worten: der AfD-Politiker sieht die Rente ohnehin massiv geschwächt.

Zusätzliche Vorsorgekasse: Alle Arbeitnehmer sind Mitglied - sofern sie nicht widersprechen

Dass zehn Prozent Rentenniveau zum Leben im Alter kaum reichen wird, ist auch Kleinwächter bewusst. Deshalb sollen die Beschäftigten mit keinen oder wenig Kindern die Option erhalten, kapitalgedeckt zusätzlich vorzusorgen. So sollen alle Rentenpflichtigen Teil einer Vorsorgekasse werden, in die Arbeitnehmer und -geber jeweils 2,5 Prozent des Bruttolohnes einzahlen. Allerdings soll es per Opt-out-Verfahren auch möglich sein, diese Vorsorgekasse zu verlassen und sich für eine andere Form der Altersvorsorge zu entscheiden. Die Vorteile einer solchen einheitlichen Vorsorgekasse: Die Verwaltungskosten seien niedrig.

Familien mit vielen Kindern bei der Rente zu bevorteilen, ist kein neuer Gedanke. Der Ökonom und frühere ifo-Chef Hans Werner Sinn hat bereits 2013 mehr Rente für Eltern mit mindestens drei Kindern gefordert. „Wer keine Kinder hat, kann das bei der Kindererziehung eingesparte Geld am Kapitalmarkt anlegen, um sich so die Rente zu sichern, deren Zahlung er den Kindern anderer Leute in voller Höhe nicht mehr zumuten kann“, argumentierte Sinn (der Versicherungsbote berichtete).

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In Ostdeutschland finden in diesem Jahr drei wichtige Landtagswahlen statt: in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. In allen drei Bundesländern rechnet sich die AfD Chancen aus, stärkste Partei zu werden. Ob sich die Partei bis dahin auf ein Rentenkonzept einigen konnte, bleibt abzuwarten.

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