Der Digitalversicherer Ottonova hat nach wie vor Probleme, Neukunden zu gewinnen. Seit 17 Monaten bietet das mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Unternehmen in Deutschland Krankenvollversicherungen an. Doch noch immer muss man sich mit einer dreistelligen Zahl an Versicherungsnehmern zufrieden geben, wie Technikvorstand Frank Birzle bei einer Veranstaltung in München einräumen musste. Dies berichtet am Donnerstag das Portal boerse-online.de.

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Damit platziert sich Ottonova aktuell auf dem letzten Platz aller privaten Krankenversicherer. Rund neun Millionen Privatversicherte gibt es in Deutschland. Laut der Branchenstudie Map-Report ist die DEVK mit rund 1.400 Versicherten aktuell der kleinste Anbieter unter den Etablierten.

Realistische Erwartungen und offensiv-aggressive Außendarstellung

Dabei kann man Ottonova keineswegs vorwerfen, dass der Versicherer mit überzogenen Erwartungen in den Markt kam. In die Gewinnzone wollte man im Juni 2017 kommen, so hatte Firmenchef Roman Rittweger bei der Gründung des Unternehmens ausgegeben. Dafür hätte das Start-up 12.000 Kunden einsammeln müssen. Ein Ziel, das bescheiden und durchaus realistisch scheint, aber aktuell in weiter Ferne liegt.

Ganz anders war jedoch die Außendarstellung der Vorstände, die auf schrille und offensive Töne setzte. „Wir wollen der Tesla der Krankenversicherer sein“, so hatte Rittweger dem „Handelsblatt“ ins Mikrofon diktiert. Man könne als Versicherer schneller Innovationen vorantreiben als die etablierten Wettbewerber, da Ottonova „keine veraltete IT und keine veralteten Strukturen“ habe, so Rittwegers Selbsteinschätzung.„Wir wollen ein richtiger privater Krankenversicherer sein, nur anders, schneller und besser.“

An prominenter Unterstützung hat es bisher jedenfalls nicht gemangelt. Frank Thelen, mehrfach prämierter Risikokapital-Geber und seit der Vox-Sendung „Höhle der Löwen“ ein kleiner Fernsehstar, lobte Ottonova mehrfach in den höchsten Tönen. Ein „echter Gamechanger“ sei der Versicherer, „der die Gesundheitsbranche revolutioniert, digitalisiert und ein Stück weit sexy macht“, überschlägt sich Thelen in einem Marketing-Video förmlich mit Lob. Klappern gehört zum Handwerk der Start-up- und Investorenbranche.

KVpro-Ranking: die Probleme der Tarife

Man muss Ottonova entlastend anrechnen, dass der Versicherer in einer Zeit den Markteintritt wagte, in der die ganze PKV-Sparte mit Problemen zu kämpfen hat. Das Krankenvollgeschäft schwächelt seit Jahren und die Privatversicherer verlieren netto sogar Mitglieder an die gesetzliche Krankenversicherung. Im Niedrigzins sorgen zudem hohe Beitragsanpassungen in einzelnen Tarifen immer wieder für Negativschlagzeilen.

Darüber hinaus musste Ottonova schon selbst mit Negativschlagzeilen kämpfen. Ein Ranking des Onlineportals kvpro.de führte zu dem Ergebnis, dass die beiden Krankenvoll-Tarife des Versicherers nicht nur teurer als der Marktschnitt seien, sondern auch Leistungslücken haben. Kein gutes Zeugnis für einen Versicherer, der damit wirbt, günstiger, schneller und besser als die etablierte Konkurrenz zu sein.

Allerdings muss man das Ratingergebnis relativieren: der Krankenversicherer schloss auch deshalb schlecht ab, weil bestimmte Leistungen der Tarife an ein gesundheitsbewusstes Verhalten gebunden sind. So erhöht sich beispielsweise die Erstattung für Zahnersatz im Premium-Tarif von 60 auf 90 Prozent, wenn der Versicherte einmal pro Jahr eine Zahnreinigung in Anspruch nimmt, die der Versicherer ebenfalls erstattet. Hier hätten KVpro nur die Grundleistungen eingerechnet, kritisierte Ottonova-Vorstand Bernhard Brühl mit Blick auf die Studie (der Versicherungsbote berichtete).

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Aufgeben sollte man den Tech-Versicherer jedenfalls noch nicht. Zum einen hat Ottonova starke Finanzpartner im Rücken, die in das Unternehmen ihr Geld gesteckt haben: etwa die Debeka, Tengelmann Ventures, Holtzbrinck Ventures und Vorwerk Ventures. Zum anderen kann der Versicherer durchaus mit Features aufwarten, mit denen man sich aktuell vom Markt abheben kann. Dazu gehört etwa die Diagnose per Telemedizin, eine recht übersichtliche Krankenakte per App sowie ein Online-Team, das über Smartphone-Chat Arzttermine vermittelt und Unterstützung bei Fragen anbietet - 24 Stunden am Tag.

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