Ob dieser Weg erfolgversprechend ist, steht allerdings in den Sternen: erst vor Kurzem wurde die BaFin wegen eines rechtsgestaltenden Eingreifens in die Kompetenzen des Gesetzgebers juristisch in die Schranken gewiesen.

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Eine Handlungsempfehlung als Schrecken der Branche

Der Evaluierungsbericht zum Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) vom April 2018 spricht Klartext: die Abschlusskosten für Lebensversicherungen sind seit Verabschiedung des Gesetzes 2014 „nur um rund 5 % zurückgegangen“, obwohl sich die Provisionen in den letzten 20 Jahren vervierfacht hatten. Deswegen sieht man beim Finanzausschuss des Deutschen Bundestages auch „Handlungsbedarf“: „Durch einen gesetzlichen Provisionsdeckel sollte etwaigen Fehlanreizen entgegengewirkt und eine weitere Senkung der Abschlusskosten unterstützt werden“, heißt es in dem Papier. Die Bundesregierung will handeln ... und zögert noch. Bei einer Veranstaltung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) versprach Jörg Kukies, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, konkrete Pläne für das erste Quartal 2019. Die Branche hingegen läuft Sturm: Der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) wollen klagen, falls es zur Einführung eines Provisionsdeckels kommt, wie der Versicherungsbote berichtete. Der Geschäftsführer des Deutschen Maklerverbundes (DEMV), Karsten Allesch, beschwört in einem „Aufruf“ die "potenzielle Wucht einer Graswurzelbewegung“ und rät zur Widerrede im direkten Kontakt mit Bundestagsabgeordneten. Und BVK- Präsident Michael Heinz schimpft gegen die „Axt“, die man durch die Deckelung der Provision an der „Existenz der Vermittler“ und sogar am „Sozialstaat“ anlege.

Als drohendes Szenario aber diente bisher nur ein Vorschlag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vom April dieses Jahres: 2,5 Prozent des Beitragsvolumens sollen künftig als Provision oder Courtage in der Lebensversicherung gezahlt werden dürfen. Erst bei Einhaltung vorher festgelegter und messbarer Qualitätskriterien (zum Beispiel konkret festgelegter geringer Kündigungsquoten) darf der Deckel angehoben werden, jedoch nur bis zur Obergrenze von maximal vier Prozent. Alles darüber Hinausgehende hingegen soll in Zukunft der Gesetzgeber verbieten.

Nun aber wird deutlich: Die BaFin will es nicht bei einem Vorschlag belassen. Äußerte doch Frank Grund, Exekutivdirektor der Versicherungsaufsicht, bei der jährlichen Konferenz der Behörde in Bonn: Würde sich der Gesetzgeber nicht zu einer Deckelung der Provisionen in der Lebensversicherung durchringen, wird seine Behörde selbst aktiv. Das berichtete die „Süddeutsche“ am Dienstag dieser Woche.

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Versicherungsaufsichtsgesetz ermögliche Eingreifen

Möglich wäre ein Eingreifen aufgrund des Versicherungsaufsichtsgesetzes, genauer des „Gesetzes über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (VAG)“. So bestimmt zum Beispiel § 48a, „Vertriebsvergütung und Vermeidung von Interessenkonflikten“: Versicherungsunternehmen dürfen „keine Vorkehrungen durch die Vertriebsvergütung, Verkaufsziele oder in anderer Weise treffen, durch die Anreize für sie selbst oder Versicherungsvermittler geschaffen werden könnten, einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnten.“ Weil zu hohe Provisionen aber derartige Anreize schaffen, sieht sich die Behörde in der Pflicht. Offen bleibt jedoch, wie ein Provisionsdeckel konkret umgesetzt werden soll unter Berufung auf diese Grundlage.

Bund der Versicherten begrüßt Ankündigung – und fordert weiter Beschränkung der Abschlusskosten

Ein erstes positives Feedback auf die Ankündigung der Behörde ließ unterdessen der Verbraucherverband Bund der Versicherten (BdV) verlautbaren. Vorstandssprecher Axel Kleinlein nannte es, laut Presseerklärung des Verbands, „schön, dass uns die Aufsichtsbehörde BaFin bei der Forderung nach einem Provisionsdeckel zur Seite steht“. Zugleich bedauerte Kleinlein aber das „höhere Niveau“ der Deckelung aus dem BaFin-Vorschlag. Denn schon länger fordert der BdV eine Beschränkung der Abschlusskosten auf 1,5 Prozent sowie der Verwaltungskosten auf fünf Prozent des Beitragsvolumens.

Der Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung der Provisionen, wie vom Grünen-Politiker Gerhard Schick mehrfach und nun erneut bei einem Diskussionsgespräch der Konferenz vorgebracht, erteilte aber selbst der Vorstandssprecher des BDV eine Absage. Kleinlein: „Wir sehen einen Provisionsverzicht in allen Bereichen als nicht sachgerecht an.“

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Begibt sich die BaFin in Gefahr "rechtsgestaltenden Handelns"?

Dass die BaFin mit derartigen Vorstößen jedoch auch Gefahr laufen kann, ihre Kompetenzen zu überschreiten, zeigt ein anderes Beispiel: Ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom 25.09. 2018 (Az. (4) 161 Ss 28/18 (35/18), das der Behörde die Zuständigkeit absprach, über die hochspekulativen Kryptowährungen zu wachen. Die BaFin hatte ein Merkblatt herausgegeben, auf dem sie Bitcoins als Rechnungseinheit definierte im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG). Daraus leitete die BaFin ihre Zuständigkeit für die Aufsicht über die neuen Währungen ab.

Das Kammergericht Berlin aber urteilte, die Behörde wäre zu weit gegangen. So könne es laut Urteil nicht Aufgabe der Bundesbehörden sein, „rechtsgestaltend (insbesondere) in Strafgesetze einzugreifen“. Vielmehr wäre hier der Gesetzgeber gefragt.

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Der Rechtsanwalt und Vorstand des Bundesverbands Finanzdienstleistung Norman Wirth nutzte das Urteil für eine Mahnung an die Adresse der Behörde: „Es wäre wünschenswert, wenn sich die Verantwortlichen bei der BaFin diese Aussagen auch zum Beispiel bei ihrem extensiven Verständnis der Zuständigkeit für einen allgemeinen Provisionsdeckel im Versicherungsbereich zu Herzen nehmen. Schließlich geht es auch dort um einen sehr massiven Eingriff in ein Grundrecht“ (der Versicherungsbote berichtete).

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