"Der Laie liest es, er müsse nur Chronische Vorerkrankungen angeben. Er muss quasi aber jeden Arztbesuch angeben", kommentiert Bierl. "Ob es für den Versicherer interessant ist, entscheidet nicht der Antragssteller und auch nicht wir als Makler, sondern einzig und allein der Versicherer."

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Das Problem manipulierter Krankenakten

Ein wichtiges Problem spricht der Makler hierbei gar nicht an: Gesetzliche Krankenkassen zahlen Prämien an Ärzte, wenn sie Patienten auf dem Papier kränker machen, als sie tatsächlich sind. So bekommen sie mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds. Die Praxis wurde erstmals 2016 von TK-Chef Jens Baas angesprochen. Für die Kunden privater Kranken- und Lebensversicherer sind diese gefälschten Akten doppelt brisant. Sollte der Versicherer die falsche Diagnose in der Krankenakte finden, wird er ebenfalls versuchen, von Vertrag und Leistung zurückzutreten. Je länger die falsche Diagnose zurückliegt, desto schwieriger wird es sein, eine Manipulation der Gesundheitsakte nachzuweisen (der Versicherungsbote berichtete).

Keineswegs handelt es sich um Einzelfälle: Laut einer Studie des IGES-Institutes von 2017 geben die Kassen pro Jahr 290 Millionen „finanzielle Anreize“ an die Ärzte, um Diagnosen entsprechend aufzupimpen (der Versicherungsbote berichtete). Aus einer depressiven Verstimmung kann so schnell in der Patientenakte eine waschechte Depression werden, das bringt pro Fall satte 1.000 Euro mehr ein. Auch deshalb empfiehlt es sich für jeden BU-Antragsteller, die Krankenakte zu prüfen, denn auch der BU-Versicherer wird sich später an den Daten der manipulierten Akte orientieren. Die Ärzte und Kassen sind verpflichtet, falsche Einträge zu korrigieren.

...und die Netto-Prämie?

Ein weiteres Manko stellt für die Bierl-Brüder dar, dass "Finanztest" empfiehlt, "mehrere preisgünstige Angebote" anhand einer eigens erstellten Tabelle auszuwählen. Ob ein Anbieter preiswert ist, haben die Tester anhand von Musterkunden ermittelt, kritisiert Bierl. "Nur weil bei dem Musterkunden in der Finanztest ein günstiges Angebot rauskam, heißt es nicht, dass es in Deiner Berufsgruppe / Deinem Studienziel genauso ist. Da werden wieder Äpfel mit Birnen verglichen", schreibt er an seine Leser.

Noch schwerwiegender ist aber, dass "Finanztest" erneut nur den Nettobeitrag im Blick hat: also die aktuell zu zahlende Prämie. Diese kann aber über die Vertragslaufzeit hinweg erheblich steigen, wenn der Versicherer nicht gut kalkuliert - oder gar Kunden mit einer niedrigen Einstiegsbeitrag anlocken will, schon wissend, dass später die Beiträge rapide steigen müssen. Bierl nennt als Beispiel die WWK, die in manchen BU-Tarifen im letzten Jahr die Prämien für Bestandskunden um 40 Prozent angehoben hatte.

Hier sei auf den Unterschied von Brutto- und Nettoprämie verwiesen. Beim Nettobetrag handelt es sich - stark vereinfacht - um die Summe, die der Kunde zunächst zahlen muss, also beim Abschluss der Versicherung. Sie liegt meist unter dem Bruttobetrag, weil Versicherer den Kunden die Überschüsse gutschreiben, die sie erwirtschaften. Entwickeln sich die Überschüsse ungünstig, wird der tatsächlich zu zahlende Beitrag schnell teurer. Auch wenn die Leistungsausgaben stärker als erwartet steigen, kann sich der BU-Schutz selbst im Vertragsbestand deutlich verteuern.

"Die BU-Versicherung läuft teilweise knapp 50 Jahre. Was hilft einem jetzt ein günstiger Anbieter, der vielleicht in einigen Jahren massiv erhöht?", kommentiert Bierl. Auch Versicherungsmakler Matthias Helberg hatte bereits kritisiert, dass die Stiftung Warentest in ihren Tarifvergleichen die wichtige Nettoprämie vernachlässige. Ein Thema, bei dem die Verbraucher weit besser aufgeklärt werden müssen - weil sich der Bruttobeitrag als Kostenfalle entpuppen kann.

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Die Finanzberatung Bierl nennt weitere Kritikpunkte. Man kann über das Vorgehen bei einem BU-Antrag geteilter Meinung sein. Aber manche der Empfehlungen von "Finanztest" - etwa, die Krankenhistorie "nur" bei Vorerkrankungen zu recherchieren - gefährden schlicht später den Berufsunfähigkeits-Schutz, wenn sie den Kunden zu einem allzu sorglosen Vorgehen verleiten. Hier stellt sich erneut die Frage, ob derartige Magazine für ihren Ratschlag haftbar gemacht werden könnten und sollten.

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