Seit 2014 ist das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) in Kraft. Die Bundesregierung hat das Regelwerk aktuell evaluieren lassen, ob die damit verbundenen Ziele tatsächlich erreicht worden sind. Das heißt, ob die Lebensversicherer tatsächlich krisenfester dastehen und die Abschlusskosten im Sinne der Kunden sanken.

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Das Ergebnis: Die Regierung sieht akuten Handlungsbedarf, wie aktuell der Bund der Versicherten (BdV) informiert. Ein sogenannter Entwurf zur Evaluierung des LVRG, der dem Verbraucherverband vorliegt, liste acht Bereiche auf, bei denen dringend nachgebessert werden muss. Insgesamt stünden 60 Prozent des jetzt geltenden Gesetzes zur Disposition und müssten überarbeitet werden, berichtet BdV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein.

Verluste der Kunden bei Überschüssen und Bewertungsreserven nicht evaluiert

Ein wichtiger Punkt fehle jedoch komplett, beklagt sich der BdV. Seit 2014 dürfen die Lebensversicherer auch die Beteiligung der Kunden an Überschüssen und Bewertungsreserven zurechtstutzen, wenn sie nachweisen können, das Garantiezusagen nicht sicher sind. Doch wie dies geschehe und in welchem Umfang, sei völlig intransparent, so hatte der Verband mehrfach kritisiert. Der Verband sieht die Kürzungen schlicht als verfassungswidrig an - und hat vor dem Bundesgerichtshof (BGH) dagegen geklagt. Ein Urteil steht noch aus (der Versicherungsbote berichete).

Doch wie viel Geld den Versicherten verloren ging, weil die Lebensversicherer bei den Reserven und Überschüssen den Rotstift ansetzen, sei überhaupt nicht untersucht worden, bemängelt Kleinlein. „Die Evaluation blendet die katastrophalen Folgen des LVRG in Sachen Überschussbeteiligung und Beteiligung an den Bewertungsreserven gezielt aus“, sagt der meinungsfreudige Vorstandssprecher. Dies sei offenbar politisch gewollt. „Der Skandal ist das, was offenkundig nicht Gegenstand der Evaluation ist, nämlich eine Analyse, wie viele Milliarden Euro an Bewertungsreserven bei der Überschussbeteiligung nicht mehr eingerechnet werden“.

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Axel Kleinlein, soeben von einer längeren Pilgerreise ins Büro des BdV zurückgekehrt, wertet die Eingriffe als Enteignung des Kunden. Die Verbraucherinnen und Verbraucher würden gar um ihre Vermögenswerte betrogen. Das Bundesverfassungsgericht stellte mit einem Urteil 2005 fest, dass die Versicherten an den Bewertungsreserven angemessen zu beteiligen sind, da diese Gewinne aus den Kundengeldern gebildet werden.

Auch die Versicherer haben Argumente

Tatsächlich haben aber auch die Versicherer Argumente, dass sie bei den Überschüssen und Reserven den Rotstift ansetzen. Zum einen können sie nicht willkürlich kürzen: die Finanzaufsicht BaFin muss ihr Okay geben und schaut den Versicherern auf die Finger. Zum anderen betreffen die Kürzungen nur bestimmte festverzinsliche Wertpapiere, etwa für Staatsanleihen. Hier haben die Versicherer mit dem Problem zu kämpfen, dass bestimmte Wertsteigerungen auf Reserven nur scheinbar vorhanden sind:

Zwar werden diese Anleihen auch an der Börse gehandelt und unterliegen Kursschwankungen. Aber die Anleihen besitzen einen festen Anfangs- und Endwert, wenn sie der Versicherer bis zum Ende der Laufzeit im Portfolio behält. Von einer Wertsteigerung kann dann aus Sicht des Investors nicht gesprochen werden. Hohe Ausschüttungen würden damit zu Lasten des Versichertenkollektivs gehen, argumentieren die Gesellschaften.

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BdV begrüßt möglichen Provisionsdeckel und Reform der Zinszusatzreserve

Der BdV nennt im Pressetext weitere Punkte, bei denen die Bundesregierung nun nachbessern will. Einen möglichen Provisionsdeckel begrüßt der Verband. Dieser sei überfällig, um Fehlanreize für den Vertrieb in Form überhöhter Provisionen zu vermeiden und Abschluss- sowie Vertriebskosten zu senken. „Die Branche hat es versäumt, von sich aus dem Willen des Gesetzgebers zu folgen und die Abschlusskosten zu senken. Jetzt ist es nur folgerichtig, wenn der Gesetzgeber reagiert“, kommentiert Axel Kleinlein.

Auch bei der Zinszusatzreserve (ZZR) will der Gesetzgeber nun nachbessern und die Versicherer entlasten, berichtet der BdV. Das sind zusätzliche Rückstellungen, zu denen die Lebensversicherer gesetzlich verpflichtet sind, um die Garantien ihrer Kunden auch langfristig erfüllen zu können. Weil sich diese Rücklagen ebenfalls an festverzinslichen Anleihen wie langjährigen Staatspapieren orientieren, die immer weniger abwerfen, müssen die Versicherer immer höhere Rücklagen bilden. Teils zum Nachteil der Kunden, deren Vertrag aktuell abläuft, denn ihnen steht weniger an Überschuss zur Verfügung. Oft können die Versicherer diese Reserve schon nicht mehr aus eigenen Kapitalanlagen bedienen.

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Durch die ZZR werden dem Überschusssystem Milliarden entzogen, den Verbraucher*innen vorenthalten und somit eine rentable private Altersvorsorge verhindert, kommentiert der BdV. „Es ist zwar richtig, wenn bei der Zinszusatzreserve nachgebessert werden soll, damit überbordende Reserveanforderungen nicht die Unternehmen erdrücken“, fordert Kleinlein. Er gelte jedoch zu bedenken, dass bei dieser Hilfestellung für die Unternehmen die Belange der Versicherten an erster Stelle stehen müssten.

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