Die Ergo will ihre Lebensversicherungs-Töchter Ergo Leben und Victoria unter Umständen verkaufen – und drückt dabei aufs Gaspedal. Schon Mitte November sollen erste Angebote für die rund sechs Millionen Policen eingeholt werden, so berichtet das Handelsblatt am Montag. Bis Ende des Jahres soll dann über einen Verkauf entschieden werden. Das Wirtschaftsmagazin beruft sich dabei auf zwei mit der Situation vertraute Personen, die aber anonym bleiben. Der Konzern wollte das Vorgehen nicht kommentieren.

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Finanzinvestoren und Bestandsverweser als Interessenten

Bereits seit einiger Zeit könnten erste Bieter Einblick in die wirtschaftlichen Daten der beiden Lebensversicherer nehmen, um unverbindliche Angebote, sogenannte Non-Binding-Officers, abzugeben, heißt es weiter in dem Bericht. Und es herrsche bereits erstes Interesse an den Beständen. Bei den Bietern soll es sich ausschließlich um Finanzinvestoren sowie Spezial-Abwicklungsplattformen handeln. Die Konkurrenz der deutschen Versicherer scheint folglich kein Angebot vorlegen zu wollen.

Neugeschäft schreiben die beiden Lebensversicherungs-Töchter ohnehin nicht mehr. Die Victoria Leben wirbt bereits seit 2010 nicht mehr um neue Kunden, sondern wickelt nur noch die Altbestände ab. Die Ergo Leben wurde ebenfalls 2016 in den Run-off überführt. Der Hintergrund: Niedrigzins, hohe Garantien und steigende Eigenmittel-Anforderungen infolge von Sovency II lassen das klassische Leben-Geschäft auch für die Versicherer immer unattraktiver werden, so eine Studie von Willies Towers Watson (der Versicherungsbote berichtete).

Bei der Ergo treten noch hohe Kosten infolge doppelter Strukturen hinzu. Ein Verkauf des 6 Millionen Verträge umfassenden Portfolios sei für Konzernchef Rieß lange Tabu gewesen, berichtet das „Handelsblatt“ - auch, weil der Konzern einen Imageschaden gefürchtet habe. Stattdessen wollte man eine eigene Abwicklungsgesellschaft gründen. Dann aber habe das Run-off-Geschäft an Fahrt gewonnen, seit auch große Konkurrenten über den Verkauf ihrer Leben-Bestände laut nachdenken. So könnte die Generali Leben vier Millionen Policen veräußern, die Axa schließt einen solchen Schritt zumindest nicht aus. Das habe auch bei der Ergo zu einem Umdenken geführt: die Wahrscheinlichkeit, dass die Bestände verkauft werden, steigt.

Widerstand von den Ergo-Mitarbeitern

Das Run-off-Geschäft ist für die Versicherer lukrativ, wenn sie die Verwaltungs- und Vertriebskosten in den Abwicklungsgesellschaften deutlich drücken können. Und so haben sich Spezialisten wie die Vidrium oder Heidelberger Leben ganz auf die Abwicklung von Altbeständen konzentriert: Allerdings bisher nur auf relativ kleine Bestände im sechsstelligen Bereich. Das soll nicht so bleiben. Das Ratinghaus Fitch prognostiziert, dass sich der Run-off-Markt in den nächsten Jahren enorm vergrößert. Bereits 2022 soll sich jeder fünfte deutsche Vertrag in der Abwicklung befinden (der Versicherungsbote berichtete).

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Aber es regt sich auch Widerstand gegen solche Verkaufspläne. Bei der Ergo begehrten rund 1.000 Mitarbeiter offen gegen die Pläne des Managements auf und gingen Anfang Oktober auf die Straße (der Versicherungsbote berichtete). Unterstützung erhalten die Beschäftigten von der Neuen Assekuranz Gewerkschaft (NAG). Jahrzehntelange Finanzbeziehungen mit den Kunden dürften nicht „wie ein klappriger Gebrauchtwagen an Hedgefonds oder chinesische Investoren verramscht werden“, sagte Tobias Münster, Vorstandsvize der Gewerkschaft. Er kündigte weiteren Widerstand an.

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