Die BaFin stellt sich in ihrem aktuellen Journal 7/2017 gegen einen Richterspruch des Amtsgerichtes Potsdam. Die Richter hatten eine Beitragserhöhung der Axa für unwirksam erklärt, weil ein unabhängiger Treuhänder, der die Beitragsanpassung prüfen sollte, mehr als 30 Prozent seiner Vergütung direkt von der Axa erhielt. Damit sei der Mann befangen und könne nicht als unabhängig gelten, hatten die Richter betont (Az.: 29 C 122/16).

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In der Branche sorgte das Urteil für Entsetzen. Denn auch andere Treuhänder erhalten gutes Geld direkt von den privaten Krankenversicherern, von denen sie doch unabhängig agieren sollen. Im Zweifel hätten die Versicherer Millionen an ihre Kunden zurückerstatten müssen. Doch die BaFin springt den Gesellschaften nun mit ihrer Stellungnahme zur Seite. Und unterstellt den Potsdamer Richtern massive Versäumnisse.

Entschied der Treuhänder unabhängig?

Ein Blick zurück: Im Oktober 2016 hatte das Amtsgericht Potsdam (AG) Beitragserhöhungen der Axa aus den Jahren 2012 und 2013 für unwirksam erklärt und das Unternehmen verpflichtet, einem Versicherten 1.100 Euro zurückzuzahlen. Eine Schlüsselrolle spielte dabei der Treuhänder (der Versicherungsbote berichtete).

Getreu dem Versicherungsrecht prüft die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) nicht selbst die Prämienerhöhung eines privaten Krankenversicherers. Dies überlässt sich geprüften Treuhändern, die unabhängig entscheiden sollen. Die Potsdamer Richter sprachen dem Treuhänder jedoch seine Unabhängigkeit ab, weil er mehr 30 Prozent seiner Vergütung direkt von der Axa erhielt. Der mittlerweile verstorbene Mann hatte mehr als zehn Jahre lang die Prämienanpassungen des Versicherers betreut.

Falsche Spezialvorschrift herangezogen?

Doch nun springt die BaFin der Axa indirekt bei - und rügt in ihrer Stellungnahme die Potsdamer Richter. BaFin-Vorwurf Numero 1 lässt sich vereinfacht so zusammenfassen: Die Richter des Amtsgerichtes haben sich schlichtweg auf die falsche Vorschrift berufen, als sie die Unwirksamkeit der Beitragsanpassung begründeten. Das Gericht habe eine Spezialvorschrift herangezogen, das auf PKV-Treuhänder gar nicht anwendbar ist.

Tatsächlich bestehe laut Handelsgesetzbuch (HGB) eine Spezialvorschrift für Wirtschaftsprüfer: Diese dürfen eine Kapitalgesellschaft nicht prüfen, wenn sie in den vorangegangenen fünf Jahren mehr als 30 Prozent aller Einnahmen von dieser Gesellschaft bezogen. Für die Treuhänder eines Krankenversicherers ist aber das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) relevant, argumentiert die Bafin. Hier gelten andere Regeln, „denn das VVG benennt keinerlei konkretisierende Voraussetzungen für die Unabhängigkeit des Treuhänders, der einer Beitragsanpassung zustimmen muss“, heißt es im BaFin-Journal.

Weiter kritisiert die Finanzaufsicht, dass die Potsdamer Richter gar nicht geprüft haben, ob die Beitragsanpassung der Axa gerechtfertigt war: ob der Gutachter also bewusst falsche kalkulatorische Annahmen zugrunde legte oder korrekt rechnete. Allein die Tatsache, dass der Treuhänder große Teile seiner Vergütung von der Axa erhielt, reichte aus Sicht des Amtsgerichtes aus, um die Prämienanpassung zu kippen. Hier hätte das Amtsgericht "externe Gutachten" heranziehen müssen, um zu überprüfen, ob das Prämienplus tatsächlich notwendig war, bemängelt die BaFin. Das sei nicht erfolgt.

BaFin prüft Unabhängigkeit der Treuhänder – vorab!

Die BaFin verweist auf einen weiteren Fakt: Sie selbst hatte als Aufsichtsbehörde geprüft, dass der Axa-Gutachter unabhängig agierte. Der Richterspruch des Amtsgerichtes lasse außen vor, „dass jeder Treuhänder vor der Aufnahme seiner Tätigkeit nach Maßgabe des Versicherungsaufsichtsgesetzes bestellt worden ist. Das bedeutet insbesondere, dass die für einen bestimmten privaten Krankenversicherer zuständige Aufsichtsbehörde – also in der Regel die BaFin – die Unabhängigkeit des Treuhänders überprüft, bevor dieser für das Unternehmen tätig werden darf“, heißt es im BaFin-Journal.

Das Versicherungsaufsichtsgesetz beinhalte im Gegensatz zum VVG konkrete Vorgaben, wann die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Treuhänders gefährdet sei. Nach § 157 Absatz 1 VAG dürfe ein Aktuar nicht zum Treuhänder bestellt werden, der „insbesondere einen Anstellungs- oder sonstigen Dienstvertrag mit dem Versicherungsunternehmen oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen abgeschlossen hat oder aus einem solchen Vertrag noch Ansprüche besitzt“. Auch eine quantitative Vorgabe gibt es: Wer als Treuhänder für mehr als zehn Versicherer oder Pensionsfonds tätig sein will, braucht eine extra BaFin-Genehmigung.

Hier betont die BaFin auch auf die Rolle des Gesetzgebers, der es bewusst unterlassen habe, eine „Umsatzabhängigkeit“ der Treuhänder ins Versicherungsaufsichtsgesetz oder -vertragsgesetz zu schreiben. Mit anderen Worten: Es gibt keine feste Grenze, welche Vergütung ein Treuhänder höchstens von einem Versicherer erhalten darf, ohne seine Unabhängigkeit zu gefährden. Die BaFin setzt sich dafür ein, dass dies auch zukünftig so bleibt. Eine allzu starre Grenze könne sogar dazu führen, dass PKV-Treuhänder ihren Job nicht mehr wie gewohnt ausführen können:

Treuhänderische Aufgaben unmöglich gemacht

"Würde man der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Potsdam folgen, könnte es bei größeren Unternehmen mit vielen Tarifen unmöglich gemacht werden, die treuhänderischen Aufgaben unter Berücksichtigung des gesetzlichen Leitbildes wahrzunehmen. Ein hoher zeitlicher Arbeitsaufwand des Treuhänders bei einem solchen Unternehmen dürfte damit zur Folge haben, dass dieses sein Gehalt so niedrig zu bemessen hätte, dass die 30-Prozent-Marke nicht überschritten wird", argumentiert die BaFin in ihrem Aufsatz.

Die BaFin schreibt weiter: "Zentrale Aufgabe der BaFin in der Versicherungsaufsicht ist es, die Belange der Gemeinschaft der Versicherten zu schützen und sicherzustellen, dass die Versicherer alle Verträge dauerhaft erfüllen können. Umgeht man die Auseinandersetzung mit den Hintergründen und kalkulatorischen Inhalten der angegriffenen Beitragsanpassung, indem man sich auf die vordergründig bequeme Annahme einer fehlenden Unabhängigkeit des Treuhänders stützt, so dient das diesen Zielen nicht – und letztlich auch nicht dem klagenden Versicherten".

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Wenn Beitragsanpassungen praktisch unmöglich gemacht und damit der Beitragsanpassungsmechanismus konterkariert werden, könnten die Versicherer nicht mehr reagieren, wenn sich die äußeren Gegebenheiten ändern, argumentiert die BaFin weiter. Also zum Beispiel, wenn sie mehr Geld für Gesundheitsleistungen in die Hand nehmen müssen. Damit sei sowohl die Stabilität des Versicherers bedroht als auch die Übernahme der zugesicherten Leistungen, und das sei kaum im Interesse der Kunden. Eine klare Ohrfeige in Richtung der Potsdamer Richter.

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