Ein gutes Placebo ist besser als eine schlechte Medizin? Nicht so, wenn es nach der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geht. Der Lobbyverband der Kassenärzte fordert im Vorfeld des Deutschen Ärztetages in Freiburg, dass Naturheilverfahren zukünftig von den Patienten selbst bezahlt werden sollen.

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KBV-Chef will Krankenkassen untersagen, Homöopathie zu erstatten

Da Homöopathie jeglicher Nutzennachweis fehle, habe sie auch nichts im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verloren, sagte KBV-Chef Andreas Gassen laut „Tagesspiegel“. Den Kassen müsse es künftig untersagt werden solche Leistungen zu erstatten, sagte er. Allein Erprobungsregelungen nach § 137e SGB V könnten eine Ausnahme sein – also wenn in einer wissenschaftlichen Studie untersucht wird, ob eine Behandlung nicht doch als Alternative zu bekannten Verfahren infrage kommt.

Der aktuelle Stand: Derzeit übernehmen zwei von drei gesetzlichen Kassen die Kosten für Homöopathie, berichtet der „Tagesspiegel“. Nach Branchenangaben sind das 76 – darunter die großen Ersatzkassen Barmer und Techniker, die in Summe 19,3 Millionen Mitglieder zählen. Aufgelistet sind solche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch V, das die Kostenübernahme von „besonderen Therapieeinrichtungen“ erlaubt.

Die Krankenkassen haben ein gutes Argument für diese Erstattungen, wie nicht namentlich genannte Vorstände gegenüber dem Berliner Blatt argumentieren. Sie berufen sich auf den Wettbewerb, gerade mit Blick auf die private Krankenversicherung. Vor allem junge und gesunde Gutverdiener könnte man mit solchen Leistungen in die Kassen locken – Menschen also, die laut Gesundheitsstatistik des Statistischen Bundesamtes seltener krank sind und weniger Kosten erzeugen. Damit wirkt das Placebo sogar positiv im Sinne des Versichertenkollektivs. Laut dem Zentralverein homöopathischer Ärzte nutzen 12 Millionen Patienten pro Jahr die Homöopathie.

Homöopathie als „Pseudowissenschaft“ verurteilt

Konkret geht es um rund zweihundert Heilmethoden, die in der Nachfolge des deutschen Arztes Samuel Hahnemann entstanden sind. Ab 1796 stellte Hahnemann mehrere Behandlungsmethoden vor, die dem Prinzip folgen: „Ähnliches soll durch Ähnliches geheilt werden“. Das heißt, bei einer Krankheit werden Substanzen oder Medikamente verabreicht, die in hoher Dosierung eine ähnliche Krankheit verursachen würden, allerdings in wesentlich kleinerer Menge. Über sogenanntes Potenzieren soll ein Reiz gesetzt werden, der die Heilung angeblich beschleunigt. Auch die Gemütsart eines Menschen soll berücksichtigt werden.

Ein Beispiel: Leidet ein Patient unter Heuschnupfen und hat deshalb tränende Augen, wird ihm ein Medikament verabreicht, das Bestandteile der Küchenzwiebel enthält. Das soll die Tränenbildung unterbinden. Medizinische Belege für die Wirksamkeit der Homöpathie gibt es nicht – mehrere Studien haben lediglich eine Placebo-Wirkung festgestellt. Der Fachbereich Humanmedizin der Philipps-Universität Marburg verwarf die Homöopathie 1992 im Rahmen der „Marburger Erklärung zur Homöopathie“ als „Irrlehre“. Bereits der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte mehrfach, dass Krankenkassen hierfür nicht mehr zahlen sollten.

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Doch mit einem Verbot der Kassen-Finanzierung ist nicht zu rechnen, denn die Homöopathie hat viele Fürsprecher. Karl Lauterbach musste zurückrudern, nachdem ihn stellvertretende SPD-Fraktionschefin Elke Ferner ermahnte, die Partei bekenne sich zu einem "umfassenden Leistungskatalog" der Kassen. Und wenn im Juni der homöopathische Weltärztekongress in Leipzig stattfinden wird, kann er sich über einflussreiche Unterstützung freuen, wie der "Tagesspiegel" berichtet. Schirmherrin ist CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.

Tagesspiegel

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