Thomas Schösser ist Versicherungsmakler mit Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen Berufsunfähigkeits-, Dienstunfähigkeitsversicherung sowie der Privaten Krankheitskostenvollversicherung. Neben seiner Maklertätigkeit ist er als Fachreferent unterwegs. Er ist darüber hinaus Betreiber der Internetseite www.pkv-inhalte.de.Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) gelten schon seit vielen Jahren als wichtiger Baustein zur finanziellen Absicherung der individuellen Arbeitskraft, muss doch jeder vierte Erwerbstätige seinen Beruf vor Erreichen des Rentenalters aufgeben. Umso genauer sollten Versicherungsvermittler ihr Augenmerk bei ihrem Beratungsprozess auf den Leistungsrahmen dieser Verträge legen.

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Im Zusammengang mit dem Begriff „Leistungsrahmen“ ist allerdings nicht nur der Inhalt der Vertragsbedingungen, sondern insbesondere auch der Prozess rund um den Vertragsabschluss gemeint. Unter den Leistungsablehnungen im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherung begründen Versicherer rund jeden vierten mit der Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht (Quelle: Pressemitteilung der Franke und Bornberg GmbH vom 22.03.2016 zur Leistungsfallstudie).

Somit wird noch klarer, dass die korrekte Beantwortung der Gesundheitsfragen in BU-Anträgen einer besonderen Bedeutung zukommt. Im Paragraph 19 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) kann man im Absatz 1 folgendes nachlesen (Stand 24.08.2016):

„(1) Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Stellt der Versicherer nach der Vertragserklärung des Versicherungsnehmers, aber vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der Versicherungsnehmer auch insoweit zur Anzeige verpflichtet.“

Was ist „erheblich“?

Aus dem zitierten Gesetzestext kann man viel herauslesen. Ganz besonders interessant und interpretationsfähig ist allerdings das Wort „erheblich“. Was bedeutet „erheblich“ beziehungsweise was ist als so geringfügig anzusehen, dass es für die Risikobeurteilung keinerlei Rolle mehr spielt?

Eine pauschale Antwort ist hier an dieser Stelle sehr schwierig. Je nach persönlicher Einstellung können mehrere Meinungen zur gleichen Ausgangslage möglich sein. Krankheiten und Beschwerden, die man aus eigener Sicht vielleicht als „Kleinigkeiten“ einschätzt, deshalb im Antrag nicht angibt, könnten dann im BU-Leistungsfall gegebenenfalls wie ein Bumerang zurückschlagen und für den Kunden, der die Leistung braucht, zum Problem werden.

Man sollte bei fragwürdigen Situationen lieber die entsprechenden Versicherer „bewerten lassen“, was aus deren Sicht erheblich ist und was nicht, da man ansonsten immer Gefahr läuft den Versicherer am längeren Hebel zu lassen. Viele Kunden können sich oft nicht mehr daran erinnern, weswegen sie eigentlich genau beim Arzt, Heilpraktiker und anderen Behandlern waren. Daher kann eine Recherche u. a. mittels Patientenakten, Befund- / Krankenhausberichten und dergleichen durchaus helfen, die eigene Gesundheitshistorie für die Antragsfragen besser aufbereiten zu können.

Nun hat man sich mit der korrekten Beantwortung der Gesundheitsfragen vielleicht umfassend beschäftigt. Dennoch müssen auch alle weiteren Antragsfragen mindestens genauso sorgfältig und korrekt beantwortet werden. Genau hier wird aber oftmals nicht so genau hingesehen, was natürlich im Schadenfall genauso wie die „falsche“ Beantwortung von Gesundheitsfragen zur Leistungsablehnung führen könnte.

Anderweitige Versicherungen / Vorversicherungen

Angaben zu Vorversicherungen können an dieser Stelle als Beispiel genannt werden. Fragt ein Versicherer zum Beispiel nach bestehenden BU-Verträgen, so denken die meisten Kunden und Vermittler nur an Versicherungsverträge mit einer BU-Barrentenleistung. Allerdings könnten darüberhinaus auch BU-Beitragsbefreiungsbausteine in Lebens- und Rentenversicherungen gemeint sein.

Einkommen und Angemessenheit der BU-Rente

Stellt ein Versicherer Fragen zum Einkommen, Gehalt, Gewinn und/oder zum Verhältnis der bestehenden BU-Barrenten und der neu hinzukommenden beantragten BU-Rente, so sind diese selbstverständlich ebenfalls korrekt anzugeben.

Als Beispiel für einen denkbaren Fehler bei Beantwortung von Fragen nach „BU-Absicherungen / BU-Renten“ wäre die Nichtangabe von bestehenden Anwartschaften auf BU-Rentenleistungen aus beitragsfrei gestellten Versicherungen denkbar.

Gefahrerhebliche Freizeitaktivitäten

Fragen nach „gefahrerheblichen Hobbys“ mit einer nicht abgeschlossenen Aufzählung findet man in Anträgen zu Berufsunfähigkeitsversicherungen sehr häufig. Auch hier stellt sich die Frage, was aus Sicht des jeweiligen Versicherers als gefahrerheblich anzusehen ist?

Als Vermittler ist man hier in der Pflicht, seinen Kunden die „richtigen Fragen“ zu stellen. Beispiele für offene Fragestellungen, die nach meiner Erfahrung von Kunden besser verstanden werden und dazu führen ein vollständigeres Bild der Risiko-Ist-Situation zu bekommen, wären:

  • Was für Hobbys haben Sie?
  • Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
  • Welchen Sport treiben Sie?
  • In welchen Vereinen sind Sie aktiv?
  • Haben Sie einen Tauch-, Motorrad-, Flugschein?

Die meist verwendete Formulierung „gefahrerhebliche Hobbys“ kann dagegen oft missverstanden werden, da ein Kunde sein persönliches Hobby von seiner Warte aus betrachtet und vielleicht überhaupt nicht als „gefährlich“ ansieht.

Beruf /Tätigkeit

Angaben zur beruflichen Tätigkeit können unter Umständen zu oberflächlich beantwortet werden, gerade dann wenn ein Versicherer eine kalkulatorische Unterscheidung zwischen einzelnen scheinbar gleichen Berufen macht. Auch hier sollte der Vermittler seinen Kunden genauer nach der Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit fragen.

Allein die Frage nach „der Berufsbezeichung“ ist sehr oft zu kurz gegriffen. Um das näher zu veranschaulichen möchte ich hier an dieser Stelle den Beruf des Architekten als Beispiel aufgreifen.

Architekten können in unterschiedlichster Form beruflich aktiv sein. So zum Beispiel sowohl als Freiberuflicher, Angestellter in der Industrie mit oder ohne Mitarbeiterverantwortung, oder im öffentlichen Dienst in einem Bauamt.

Darüberhinaus ist es heutzutage nicht mehr selbstverständlich, dass ein Architekt immer nur lokal tätig ist. Vielleicht ist er für seine Firma in ganz Europa oder sogar weltweit unterwegs? Ist er nur planend im Büro oder eventuell sogar an Baustellen vor Ort tätig?

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Fazit

Als Versicherungsvermittler möchte man im BU-Schadenfall natürlich genauso wie der Kunde, das alles gut über die Bühne geht und die vereinbarte BU-Rente möglichst schnell bezahlt wird. Um den Versicherer keine Chance auf Einwand der vorvertraglichen Anzeigepflicht zu geben, ist es aus meiner Sicht unabdinglich, den Kunden zuerst auf die Risiken einer Falschangabe hinzuweisen, und danach genau die Fragen zu stellen, welche die Gesamtsituation für die Antragsstellung vollständig darstellen können.

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