Felix Hufeld, Präsident der BaFin. Infrastruktur-Investitionen würden gut zur langfristigen Natur der Versicherungsbilanzen passen, erklärte Thiemann im Gespräch mit dem Handelsblatt. Aber dafür müssten drei Bedingungen erfüllt sein: „Erstens sind ökonomisch tragfähige Infrastrukturprojekte notwendig, es gibt genug, die keinem vernünftigen Zweck gedient haben. Die zweite Bedingung: sie müssen einen bestimmten Ertrag abwerfen, und die dritte: wir brauchen regulatorische Stabilität“.

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Was mit „regulatorischer Stabilität“ gemeint ist, führt ergänzend Felix Hufeld aus, Präsident der Aufsichtsbehörde BaFin: bei dem Stromleitungsnetz in Norwegen sei bei einem gemeinsamen Projekt von privaten und und öffentlichen Investoren eine Durchleitungsgebühr vereinbart worden. Doch nach einer Wahl habe die neue Regierung beschlossen, dass diese Gebühr zu hoch sei und im Sinne des Verbraucherschutzes drastisch gesenkt werden müsse. „Doch auf dieser Grundlage hatten alle Investoren ihre Kalkulation abgestellt. Die war dann hinfällig“. Bis zu 80 Prozent hätten die Unternehmen ihre investierten Gelder abschreiben müssen.

Ausweg für mehr Investitionsmöglichkeiten sei eine ausgeprägtere Public-Private-Partnership-Kultur in Deutschland, die es aktuell noch nicht gebe. Ein Paradebeispiel seien die fehlenden Investitionen an Schulen, so Hufeld. „Ökonomisch kann man sich vieles vorstellen, aber Sie brauchen auch öffentliche Akzeptanz“. Erst zu Beginn der Woche war bekannt geworden, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zukünftig Versicherer und andere Privatinvestoren am Autobahnnetz beteiligen will (der Versicherungsbote berichtete).

Leise Kritik an Solvency II - liberalere Aufsichtsregeln gefordert

Die aktuellen Regulierungs-Vorschriften nach Solvency II sieht Axa-Stratege Thiemann kritisch. De facto verhindern sie, dass die Versicherer mehr in Aktien investieren können, um die Flaute am Anleihenmarkt auszugleichen. Thiemann erklärt: „Die Regulierung sieht vor, dass Aktien heute zu 39 Prozent mit Kapital hinterlegt werden müssen. Das bedeutet: Sie investieren 100 Euro in Aktien und müssen 39 Euro an Eigenkapital hinterlegen. Bei Staatsanleihen ist die Kapitalhinterlegung Null. Da können Sie sich ausrechnen, was das für Auswirkungen in der Anlage bedeutet.“

Hier müsse sich die Finanzaufsicht fragen, ob sie ein Fenster öffnen könne für ein langfristiges Investment der Versicherer in Aktien. Auf die Frage hin, ob dies eine vollständige Korrektur von Solvency II bedeute, verneint Thimann jedoch: „Solvency II ist ein stringenter Regulierungsrahmen, den wir behalten wollen“.

„Es reicht nicht zu sagen: dann kauf doch eine fondsgebundene Versicherung“

Kritik richtete Finanzaufseher Hufeld indirekt auch an die Versicherer. Sowohl Anbieter als auch Finanzaufsicht müssten eine Balance erreichen zwischen der Anpassung an ein niedriges Zinsniveau plus verschärfter Regulierung – und dem „Kundenbedarf, langfristigen Schutz kaufen zu können“. Ein Ausweg sei, Garantien nicht mehr für die gesamte Laufzeit auszusprechen, sondern lediglich für die Anspar- bzw. Auszahlungsphase. Dadurch erhalte man einen großen Entlastungseffekt unter Solvency II.

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„Manche geben für die Ansparphase überhaupt keine Garantie, weil ein junger Versicherter viele alternative Einkommensmöglichkeiten hat“, so Hufeld. „Dagegen benötigt man, wenn man 65 ist und weniger Einkommensalternativen hat, den sicheren, d.h. garantierten Cash Flow aus dem langfristigen Investment“. Eines fände er jedoch nicht gut: „nämlich wenn der Industrie nun einfiele zu sagen: dann kauft doch eine fondsgebundene Lebensversicherung.“ Dann sei das Risiko voll auf den Schultern des Kunden abgeladen.

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