Laut Mathematiker Werner Siepe lohnt sich etwa eine Rürup-Basisrente für Versicherte erst, wenn sie bei ihrer Lebensversicherung mindestens 23 Jahre lang eingezahlt haben. Das steht in einem Bericht auf „Focus Online“, der ansonsten wegen fachlicher Mängel der Autorin nicht zu empfehlen ist. So wird von ihr behauptet, Kindererziehungs-Zeiten „können zu hohen Abschlägen bei der Rente führen“. Das Gegenteil ist der Fall, wie unsere Leser wissen!

Aber die Aussage, wonach sich eine Rürup-Rente erst nach 23 Jahren für den Sparer lohnt, kommt hin, wenn man nachrechnet. Außerdem macht sich Mathematiker Siepe in dem Magazin-Beitrag Gedanken darüber, wie ein angehender Ruheständler Rentenlücken bei der Deutschen Rentenversicherung schließen kann, statt mit Hilfe einer privat laufenden Basisrente zum Beispiel. Wer gewinnt? „Die Rente“ oder die private Version Rürup-Rente?

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23 Jahre Sparzeit bis zur schwarzen Null

Letztere eignet besonders gut für einen Vergleich mit der Gesetzlichen Rente, weil beide Versorgungsformen jederzeit absolut gleich besteuert werden, sei es die Spar-, sei es die Rentenphase. So dass wir im Folgenden Steuern völlig außer Acht lassen können. Zinsen auch. Erstens, weil die Deutsche Rentenversicherung keine bezahlt und weil im hier berechneten Modell keine Zinsen erwartet werden, lediglich Garantie-Leistungen. Zunächst prüfen wir Mathematiker Siepes Zahl, wonach der Rürup-Sparer erst nach 23 Sparjahren eine „schwarze Null“ sieht.

Nehmen wir einen Mustersparer, der 23 Jahre lang jeden Monat 100 Euro anlegt. In Summe kommt der fleißige Rentner der Zukunft in 276 Monaten auf 27.600 Euro, die er in diesen Jahren insgesamt an die Versicherung schickt. Und dieses Geld will der Sparer wieder zurückhaben. Mindestens. Sein Sparleben beginnt bei der Rürup-Rente im Minus. Bisher werden dem Verbraucher vom privaten Versicherer marktweit vier Prozent seiner insgesamt geplanten Beiträge als Abschlusskosten aufgebrummt, die etwa Allianz bis Zurich ihrem Kunden mit der Police in Rechnung stellen.

Versicherer kassieren immer noch vier Prozent Kosten

Daran hat auch das Lebensversicherungs-Reformgesetz aus dem vergangenen Jahr nichts geändert. Dessen neue Regelungen deckeln zwar die bilanzielle Entlastung des Versicherers, der bei seinem Betriebsstätten-Finanzamt nur noch 2,5 Prozent der Beitragssumme je Vertrag als Betriebsausgaben geltend machen kann. Dem Kunden stellen die meisten Versicherer dennoch weiterhin ganze 4,0 Prozent Kosten in Rechnung. Wir rechnen nun mit typischen Kosten einer Rürup-Rente:

In unserem Beispiel sind das 1.104 Euro (vier Prozent von 27.600 Euro Beitragssumme), mit denen das Versicherungskonto des Sparers in den ersten fünf Jahren nach Antragsunterschrift schrittweise je zu gleichen Teile belastet wird - dem Fachleser als Zillmerung und Erfindung des Mathematikers August Zillmer (1831 -1892) bekannt. Und es dauert in der Tat gut 23 Jahre, bis das Konto des Kunden wieder seine 27.600 gezahlten Euro als Guthaben ausweist, wenn man von 100 jeden Monat eingezahlten Euro deren 90 als Sparanteil ansetzt.

Also jenem Beitragsanteil, der vom Lebensversicherer bisher mit Zinsgarantie ausgestattet ist. Die zehn Euro Schwund jeden Monat zwischen 90 Euro Sparanteil und 100 Euro Zahlbeitrag sind Stundungszinsen für Ratenzuschläge und Verwaltungskosten des Versicherers geschuldet. In der vorstehenden Berechnung fehlt noch eine Zinsangabe. Diese muss berechnet werden. Und siehe da: gut 1,25 Prozent Zins kommen heraus. Mathematiker Siepes Angabe stimmt nicht nur offensichtlich, sondern auch mathematisch. Und eben diese 1,25 Prozent stehen für die seit diesem Jahr geltenden Höchstrechnungszinsen der Lebensversicherer.

30 Euro Rente kosten beim Lebensversicherer 10.000 Euro

Wie viel Rente bekommt ein Sparer aus seinem Rürup-Vertrag beim Lebensversicherer am Ende heraus? Nehmen wir an, unterm Strich stehen mangels Zins bei unserem Mustersparer 27.600 Euro Kapital, das sind exakt dessen eingezahlte, vom Versicherer garantierten Beiträge. Nun ist der Kunde 65 Jahre alt und will Geld sehen. Aus dem Barwert von 27.600 rechnen wir die monatliche Rente und bedienen uns typischer Rentenfaktoren der Lebensversicherer. Wir gehen von einer garantierten Rente von 30 Euro je 10.000 Euro Kapital aus, bedienen uns also des Verfahrens, das viele Lebensversicherer etwa bei ihren Fondspolicen anwenden und welches man rechnerisch (nicht technisch) auch auf klassisch besparte Rentenverträge anwenden kann. Um die Rente zu ermitteln, teilen wir das Kapital 27.600 Euro durch 10.000 und multiplizieren es mit Rentenfaktor 30: Das Ergebnis lautet 82,20 Euro Ruhegeld. Nebenbei ist zu erwähnen, dass die Rentenfaktoren für jüngere Geburtsjahrgänge sinken; Renten-Mathematikern als Rufsche Altersverschiebung bekannt. Laien müssen nur dies wissen: Je jünger sie sind, desto weniger Rente garantiert ihnen ihr Lebensversicherer, weil er weiß: Wir werden immer älter, je später wir erstmals das Licht der Erde erblicken.

Deswegen, und weil der Zins am Kapitalmarkt aus Sicht des Sparers vorläufig ein Totalausfall ist, sinken der Rentenzusagen der privaten Versicherer für klassische Policen zusehends. Viele Kunden rechnen nur noch mit dem garantierten Wert, wir hier auch. Im Beispiel je 10.000 Euro Kapital mit 30 Euro lebenslanger Rente ab 65; für Jüngere ist die Tendenz fallend. Merke: Wer heute mit 65 von einem privaten Lebensversicherer 30 Euro Rente will, der muss 10.000 Euro cash einzahlen.

Ein Jahr Arbeit bringt bringt rund 29 Euro Rente

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30 Euro Rente kosten bei der Deutsche Rentenversicherung 6.540 Euro

Dagegen mutet der Rentenfaktor der Deutschen Rentenversicherung (DRV) für Ruhestandssparer auf den ersten Blick wie eine sichere Bank an, oder? Im Westen entspricht ein Entgeltpunkt dem aktuellen Rentenwert von 29,21 Euro pro Monat, der jährlich entsprechend dem Einkommen der Beitragszahler wächst und ebenfalls bald bei 30 stehen dürfte. Im Gegensatz zur Lebensversicherung steigen die „Rentenfaktoren“, genauer der eine Faktor der DRV für alle Alterskohorten, während die privaten Versicherer wie beschrieben ihre Rentenfaktoren nach Geburtsjahren staffeln. Allerdings ist hier anzumerken, dass weiter steigende „aktuelle Rentenwerte“ der DRV auch mit höheren Beitrags-Einzahlungen einhergehen.

Um einen Entgeltpunkt der DRV mit der Rente des Lebensversicherers zu vergleichen, muss man ermitteln, wie viel Geld der gesetzliche Rentensparer hierfür einzahlen muss. Das ist einfach. Für einen Entgeltpunkt muss ein Durchschnittsverdiener (West) ein Jahr lang zwölf Monate lang 2.915 Euro brutto verdienen. Hierauf werden 18,7 Prozent oder 545 Euro, im Jahr also 6.540 Euro Einzahlung bei der DRV fällig (jeweils leicht gerundete Zahlen).

Merke: Wer heute mit 65 von der Deutschen Rentenversicherung (knapp) 30 Euro Rente will, der muss dort nur 6.540 Euro nachzahlen.

Auf dem Bierdeckel nachrechnen

Normalerweise teilen sich Chef und Mitarbeiter den Beitrag je zur Hälfte, das ist bekannt. Aber im Beispiel hier wollen wir ermitteln, was sich eher lohnt: Eine Riester- oder Rürup-Basisrente beim Lebensversicherer ansparen oder fehlende Gesetzliche Rente ebendort bei der DRV aufstocken. Etwa durch eine Nachzahlung des Versicherten. Selbständige dürfen das jederzeit, Pflichtversicherte dürfen erst ab dem 55. Lebensjahr Rentenbeitrag bei der DRV nachschießen. Im Vergleichsbeispiel oben stellten wir fest, dass ein Rentner für 27.600 Euro Einschuss im Gegenzug eine Rente von 82,20 Euro von Allianz & Co erwarten kann. Wie viel kosten 82 Euro bei der DRV? Dazu teilen wir 82,20 Euro (das Rentenziel) durch 29,21 Euro (den aktuellen Rentenwert West). Das Ergebnis ist ein Faktor von 2,81 als Vervielfacher des Aufwands bei der DRV für einen Entgeltpunkt. Der kostet wie berechnet 6.540 Euro. Multipliziert mit 2,81 kosten 82,20 Euro Rente bei der DRV 18.404 Euro. Bei der Privatrente kostete diese Rente wie oben zu lesen und berechnet 27.600 Euro.

Wer den geringeren Aufwand bei der DRV nicht glaubt, der kann mit dem Bierdeckel-Rechner des Versicherungsboten nachrechnen. Ein Durchschnittsverdiener West muss für 82,20 Euro Rente 2,8 Jahre (oder 2 Jahre und 10 Monate) arbeiten.

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Was auf dem Bierdeckel so einfach aussieht, hat Hand und Fuß. Weil im Bierdeckel die offizielle Rentenformel drin ist. Der Finanzberater muss als Fachmann neben dem Bierdeckel nur wissen, dass ein Entgeltpunkt West 6.540 Euro Beitrag an die gesetzliche Rentenkasse kostet. Dafür gibt es 29,21 Euro lebenslang. Beim privaten Lebensversicherer wird der Preis für 29 Euro Rente schneller klar. Am dort ausgewiesenen Rentenfaktor, nachzulesen in wohl jeder Fondspolice der Lebensversicherer: „Je 10.000 Euro garantieren wir Ihnen eine Rente in Höhe von monatlich 29 Euro“. So oder ähnlich steht es in der Police des Lebensversicherers, lediglich der Eurobetrag variiert abhängig vom Alter des Versicherten.

Wer sich als angehender Rentner nun fragt, in welchem System er seine Rente aufstocken soll, braucht nicht mehr rechnen. Die Lebensversicherung ist 50 Prozent teurer als Bismarcks Rente für alle. Wer hätte das gedacht? Die Lehre aus diesen Berechnungen sollte für Sparer dieses sein: 18.404 Euro in die Rentenkasse zahlen und später 82 Euro mehr Rente kassieren. Damit ist Gleichstand zum Basisrenten-Produkt der Lebensversicherer erreicht, das mit 27.600 Euro gut 9.000 Euro mehr kostet.

Lohnen Aktien? Nicht bei 23 Jahren Spardauer

Oder soll der Sparer statt auf Nullzins auf Aktien setzen? Wir rechnen Mathematiker Siepes Eingangsbeispiel ein letztes Mal durch. Rürup-Basisrente beim Lebensversicherer zu typischen Kosten: 23 Jahre Spardauer, 100 Euro im Monat Zahlbetrag (aber nur 90 Euro Sparanteil), 40 Promille oder in Summe 1.100 Euro Abschlusskosten. Nun rechnen wir aber nicht mehr mit 1,25 Prozent Garantiezins der Versicherer, sondern mit 5,0 Prozent Zins (Aktien im Spardepot bei Versicherer): rund 43.000 Euro sind das Ergebnis. Geteilt durch 10.000, multipliziert mit Rentenfaktor 30 kommen am Ende 129 Euro Rente heraus.

Eingezahlt wurden 27.600 Euro. Um Kosten bereinigt und aus Sparersicht ergeben 100 Euro nach 23 Jahren bei 43.000 Euro Endkapital eine Rendite von netto 3,60 Prozent (jeweils leicht gerundete Werte). Mit kleinen Abstrichen entspricht das auch der Rendite bei der DRV. Für dieses Geld, 43.000 Euro, reicht die Deutsche Rentenversicherung mit spitzem Bleistift nachgerechnet (6 Euro weniger) 123 Euro Rente heraus, ebenfalls lebenslang. Hier aber ohne Aktien.

Nachrechnen? 123 Euro geteilt durch 29,21 aktueller Rentenwert West = 4,21 mal 6.540 Euro („Preis“ je 1,00 Entgeltpunkte) ist gleich 27.535 Euro (also einen Schnaps weniger als 27.600). Das hier dauernd betrachtete Beispiel von 23 Jahren Sparzeit passt durchaus in die Praxis.

Es sind sehr oft die Menschen im Alter um Mitte 40 herum, die sich über das Aufstocken ihrer Rente Gedanken machen. Ihr Problem: Die DRV nimmt bei Arbeitern und Angestellten bis Alter 55 noch keine Zuzahlungen entgegen. Betroffene müssen ihre geplante Nachzahlung bis dahin ansparen oder vorhandenes Geld so lange parken.