Die restriktive Annahmepolitik der BU-Versicherer sorgt erneut für Kritik. Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung werde für Verbraucher immer mehr zum Glücksspiel, warnt der Osnabrücker Versicherungsmakler Matthias Helberg. Dies sei auch deshalb bedenklich, weil der BU-Schutz zu den wichtigsten Vorsorgeformen für Erwerbstätige zähle, „da sind sich Verbraucherschützer, Versicherungskonzerne und Versicherungsmakler ausnahmsweise einig“.

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Einschätzung der BU-Kunden höchst unterschiedlich

Die Einschätzung der Kunden durch die Versicherer sei inzwischen sehr unterschiedlich geworden, begründet Helberg seine Kritik. „Der gleiche Kunde kann von einem Versicherer abgelehnt, von einem anderen nur mit Ausklammerung einer Vorerkrankung genommen und von einem weiteren Versicherer zu ganz normalen Konditionen versichert werden“, so Helberg. Die Gefahr hierbei: „Laien gehen oft sorglos vor, dabei kann kaum jemand einschätzen, was aus seinem Antrag wird.“ Grundlage für Helbergs Aussage sind mehrere hundert Anfragen zur BU, die der Makler im letzten Jahr mit seinem Team bearbeitet hat. Der Experte rät dazu, Voranfragen in anonymisierter Form bei mehreren Versicherern gleichzeitig einzuholen.

Mit seiner Kritik steht der Makler nicht allein. Auch Wolfgang Schuldzinski, neuer Chef der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, hatte die Berufsunfähigkeits-Versicherer vor zwei Wochen scharf angegriffen. BU-Verträge seien voller undurchsichtiger Klauseln und die Antragsfragen undurchsichtig, klagte Schuldzinski in einem Interview mit dem Handelsblatt. „Im Leistungsfall wird den Versicherten dann vorgeworfen, unehrlich zu sein, etwa wenn sie eine gefährliche Sportart nicht angegeben haben.“ Hier lautet der Vorwurf, die Anbieter gestalten ihre Policen bewusst intransparent, um im Leistungsfall eine Auszahlung der BU-Rente zu verweigern. Schuldzinski spricht sogar von einem "Marktversagen" (Versicherungsbote berichtete).

Verbraucherzentralen machen Druck

Die Rosinenpickerei der BU-Versicherer könnte sich langfristig als Eigentor erweisen. Wie Schuldzinski berichtet, drängen die Verbraucherzentralen auf eine politische Lösung, um möglichst vielen Erwerbstätigen eine solche Absicherung zu ermöglichen. Setzt sich der Verbraucherschutz mit seinen Forderungen durch, drohen neue regulatorische Vorgaben durch den Gesetzgeber. Denkbar wäre zum Beispiel ein Kontrahierungszwang für bestimmte Tarife – ähnlich den Pflegebahr-Policen. Kunden dürften dann nicht einfach wegen einer Vorerkrankung abgelehnt werden.

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Bisher fehlt es an verlässlichen Zahlen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Beschäftigte gar keinen BU-Schutz erhalten. Aber auch eine Stichprobe von Öko-Test unter 22 Versicherern hatte 2013 wenig Erfreuliches zu Tage gefördert. Keineswegs seien es nur ernste Vorerkrankungen, die zur Ablehnung eines Antrages führen würden. Schon bei geringsten Anzeichen für psychische Probleme verweigern viele Versicherer einen BU-Vertrag, berichten die Verbrauchertester, darunter so „alltägliche“ Sachen wie Flugangst. Auch wer ein Hobby wie Reiten hat oder unter Heuschnupfen leidet, muss mit Risikoaufschlägen oder einer Ablehnung rechnen.

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