Jeder vierte Berufsunfähige wird in Deutschland berufsunfähig, bevor er sein Rentenalter erreicht hat. Oft folgt auf das gesundheitliche Desaster auch das finanzielle: Kredite, Mieten und Auto können nicht mehr bezahlt werden. Deshalb raten sowohl Politik als auch Verbraucherorganisationen zum Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. „Öko-Test“ hat für seine Märzausgabe insgesamt 116 Policen unter die Lupe genommen – und festgestellt, dass es gar nicht so leicht ist einen Vertrag zu bekommen.

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Versicherer picken sich die besten Kunden raus

Untersucht wurden nämlich nicht nur die Vertragsbedingungen, sondern auch die Bereitschaft der Versicherer, überhaupt einen Kunden zu versichern. Dafür hat Öko-Test die Probe aufs Exempel gemacht und Versicherungsmakler anonyme Risikoanfragen für fünf reale Kunden bei 22 Versicherungen einreichen lassen. Das Ergebnis war ernüchternd. Die Antworten auf die insgesamt 110 Anfragen würden zeigen, „wie stark manche Versicherer bei der Annahmepolitik mittlerweile sieben“, kritisiert Öko-Test. Diese „Rosinenpickerei“ würde bedeuten, dass viele Vorsorgewillige überhaupt keinen Schutz mehr bekommen.

Dabei sind es keineswegs nur ernste Vorerkrankungen, die zur Ablehnung eines Antrages führen. Schon bei geringsten Anzeichen für psychische Probleme verweigern viele Versicherer einen BU-Vertrag, berichten die Verbrauchertester, darunter so „alltägliche“ Sachen wie Flugangst. Auch wer ein Hobby wie Reiten hat oder unter Heuschnupfen leidet, muss mit saftigen Risikoaufschlägen oder sogar einer Ablehnung rechnen.

Eine einheitliche Annahmepolitik fehle hingegen. „Manchmal hat man den Eindruck, dass die Versicherer bei der Annahmepolitik würfeln oder dass die Annahme davon abhängt, ob der Sachbearbeiter gerade gut drauf ist", berichtet Öko-Test-Experte Helge Kühl. Dabei versichere die Branche immer wieder, dass bei der Beurteilung von Fragen „objektive Kriterien“ zugrunde liegen. Zudem gewannen die Tester den Eindruck, bevorzugt werden Schreibtisch-Jobs versichert – wichtige Berufe wie etwa Krankenpfleger finden hingegen kaum einen preiswerten Vertrag.

Öko-Test rät zur Beratung

Positiv für Vermittler: Ausdrücklich rät Öko-Test den Verbrauchern dazu, einen Makler oder anderen Berater hinzuzuziehen, um die beste BU-Versicherung zu finden. Hier können sich Vermittler als Fachmann für schwierige Versicherungsthemen empfehlen. Wenn alle Bemühungen ins Leere laufen, bleibt noch der Rat zu alternativen Produkten wie Schwere-Krankheiten-Policen, Unfall- oder Erwerbsunfähigkeitsversicherungen.

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Das Grundproblem aber bleibt: Immer weniger Menschen können von einem guten BU-Schutz profitieren. So werden jedes Jahr rund 235.000 Anträge auf eine BU-Police von der Branche komplett abgelehnt, wie Manfred Poweleit vom Map Report vergangenes Jahr auf einer Fachtagung des BdV berichtete. Und von denen, die eine Police bekommen, erhalten 84 Prozent einen geringeren Leistungsumfang, als sie gewünscht oder beantragt hatten.