Versicherungsbote: Versicherungen und Maklerpools haben auf das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) mit neuen Provisionsmodellen reagiert. Zumeist soll die Abschlussprovision sinken, die Bestandsprovision im Gegenzug steigen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

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Sebastian Grabmaier: Diese Entwicklung war voraussehbar, da durch das LVRG der Kostendruck auf die Versicherer steigt und die Eingangssätze bei den Pools sinken. Auch wenn diese Entwicklung langfristig positive Auswirkungen hat, da sich der Wert des Bestandes erhöht und der Bestand kontinuierlich Einnahmen bringt, ist das LVRG der bisher größte Einschnitt in die Berufsausübung der freien Makler. Die Übergangszeit bis zur Gewöhnung an niedrigere Courtageniveaus in Versicherungssparplänen wird für viele Vermittler zunächst deutliche Einkommenseinbußen bedeuten. Dies wird insbesondere ein Problem für junge Vermittler, die noch keinen großen Bestand haben und für Vertriebe, die mit vielen Vermittlerstufen aufgestellt sind. Zudem wird auch der Einstieg für neue Makler schwieriger und das jetzt schon vorhandene Nachwuchsproblem der Branche wird sich verschärfen.

Versicherungsbote: Wie entwickelt sich die Sparte „Lebensversicherung“ in den letzten Monaten bei Ihnen? Wagen Sie eine Prognose, wie sich das LVRG auf das Neugeschäft auswirken wird?

Sebastian Grabmaier: Das LVRG wird sich insgesamt negativ auf den LV-Umsatz 2015 auswirken, da viele Vermittler noch LV-Geschäft in 2014 platziert haben und sich jetzt nach alternativen Umsatzmöglichkeiten umschauen. Da biometrische Produkte vom LVRG nur in Ausnahmefällen betroffen sind, im Lebensversicherungsabsatz von Jung, DMS & Cie. aber über 70 Prozent des Absatzes ausmachen, ist Jung, DMS & Cie. nur mit einem kleinen Umsatzanteil vom LVRG betroffen. Insgesamt gehen wir also von einem nur leichten Umsatzrückgang im LV-Geschäft aus und auch davon, dass wir diesen negativen Effekt durch die stark wachsenden Geschäftsfelder KV-Zusatz und Nettopolicen überkompensieren können.

Versicherungsbote: Welche Prognose geben Sie für die zukünftige Entwicklung des Lebensversicherungs-Marktes ab? Werden Sie weiterhin auf LV-Produkte setzen – oder verstärkt auf alternative Altersvorsorge-Produkte „ausweichen“?

Sebastian Grabmaier: Am Kundenbedarf hat sich durch das LVRG nichts geändert und wir setzen weiter auf Lebensversicherungsprodukte. Warum? Biometrische Risiken (Tod, BU, Pflege) können nur durch Versicherungsprodukte effektiv abgesichert werden. Im Altersvorsorgebereich bieten Versicherungsprodukte zudem lebenslange Leibrenten, die zukünftig stark an Bedeutung gewinnen werden, da das „Langlebigkeitsrisiko“ durch andere Sparprodukte nicht abgedeckt ist.

Versicherungsbote: Das LVRG bringt die Senkung des Garantiezinses mit sich. Lebensversicherungen reagierten darauf mit der Einführung von Produkten, die auf einen Garantiezins verzichten. Was halten Sie von diesen Angeboten?

Sebastian Grabmaier: Diese Angebote werden die Zukunft sein, da sie den Spagat zwischen Garantiebedürfnis des Kunden und Renditechancen schaffen. Zudem nehmen diese Produkte Renditedruck von den Versicherungen, da keine jahrzehntelangen Garantieversprechen mehr eingehalten werden müssen. Allerdings wird es noch einige Zeit dauern, bis sich diese Produkte in der Fläche durchsetzen.

Versicherungsbote: Können Sie den Kunden noch guten Gewissens eine Lebensversicherung als Altersvorsorge empfehlen? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung!

Sebastian Grabmaier: Natürlich kann man Lebensversicherungsprodukte noch guten Gewissens empfehlen, da es mittlerweile eine große Bandbreite an Produkten gibt, die die Bedürfnisse risikofreudiger und risikoscheuer Kunden bedienen können. Zudem verfügen die meisten Lebensversicherer über eine sehr solide Finanzausstattung und Pleiten wie im Bankenbereich sind nicht zu erwarten. Hinzu kommt noch, dass nur Lebensversicherungsprodukte das Langlebigkeitsrisiko abdecken.

Versicherungsbote: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung im Bereich der Kranken- und Pflegeversicherung?

Sebastian Grabmaier: Der KV-Voll-Markt bleibt aufgrund der verlängerten Stornohaftzeiten und der aktuell noch guten Lage der GKVen schwierig. Dies könnte sich schnell ändern, wenn die GKVen die Zusatzbeiträge deutlich erhöhen oder spürbare Leistungseinschnitte vornehmen. Im Bereich KV-Zusatz und dabei insbesondere in der Pflegeversicherung sehen wir einen starken Wachstumsmarkt, da die Kunden hier die Schwächen des Sozialsystems sehr deutlich spüren. Allein durch die demographische Entwicklung wird Pflege das Zukunftsthema.

Versicherungsbote: Aufgrund der niedrigeren Abschlusscourtagen könnten es zukünftig junge Makler schwer haben, sich eine Geschäftsgrundlage aufzubauen. Jeder zweite Makler ist bereits älter als 50 Jahre. Wird das LVRG das Nachwuchsproblem unter Maklern verschärfen? Wie kann hier gegengesteuert werden?

Sebastian Grabmaier: Gegengesteuert werden kann beispielsweise mit ganzheitlichen Verkaufskonzepten, die den jungen Vermittlern nachhaltige Umsätze bringen. Mit PRIMEA CARE bieten wir bspw. unseren angeschlossenen Vermittlern ein innovatives KV-Zusatz-Konzept an. Dieses führt in Summe zu einer höheren Vertragsdichte und höheren Erträgen. Zudem fördern wir das gezielte einsammeln von Sachbeständen, aus den jährlich wiederkehrende Einnahmen generiert werden.

Versicherungsbote: Der Lübecker Maklerpool Blau Direkt hat angekündigt, seine Courtagen für Lebensversicherungen im Schnitt um 38 Prozent anzuheben. Dies will der Maklerpool laut eigenen Angaben „durch eigenen Verzicht“ finanzieren. Wäre das auch für Ihren Pool eine Option?

Sebastian Grabmaier: Manchmal sollte man sich vorher überlegen, welche Auswirkungen die Aussagen von Marketingkampagnen auf die politische Landschaft haben. Wer die Ankündigung genauer liest, stellt schnell fest, dass sich eine Erhöhung nur auf einen kleinen Teil der vereinnahmten Provisionen beziehen kann: Denn wenn ein Versicherungsunternehmen Ihren Provisionsausgang um 40 verringert, kann dies kein Pool auffangen, auch wenn er seine Gesamtmarge in den Hut wirft. Von Steigerungen der Auszahlung an die Makler ganz zu Schweigen. Wenn man also nicht schlussfolgern will, dass der genannte Mitbewerber in der Vergangenheit seinen Partnern viel zu wenig ausgezahlt hat, ist die Aussage schnell als Marketing-Gag enttarnt. Ärgerlich ist dies nur vor dem politischen Hintergrund, dass die Politik aus Verbraucherschutzgründen eine Courtagereduzierung erreichen will und gerade durch solch eine Reaktion einen weiteren Eindruck gewinnen muss, dass manche in unserer Branche offensichtlich unbelehrbar sind. Als Jung, DMS & Cie. versprechen wir unseren angeschlossenen Maklern weiterhin, dass es anders als bei Blaudirekt keine fixe monatliche Belastung geben wird und wir dennoch weiter ein äußerst attraktives Courtageniveau anbieten werden.

Versicherungsbote: Vielen Dank für das Interview! (Die Fragen stellte Mirko Wenig)

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Steckbrief Dr. Sebastian Grabmeier: Sebastian Grabmaier ist Vorstandsvorsitzender der Jung, DMS & Cie. AG und verantwortlich für die Produktbereiche Versicherungen und Beteiligungen sowie u.a. den Vertrieb. Er studierte Jura in München und Chicago. 2001 erfolgte die Promotion zum Dr. jur. Ab 1992 war er in Rechtsanwaltskanzleien in München und Sydney tätig, 1999 bis 2001 in verschiedenen Stationen beim Allianz-Konzern, unter anderem als Vorstandsassistent in der Allianz Private Krankenversicherungs-AG. Parallel absolvierte er ein berufsbegleitendes Studium, das er 2002 mit einem MBA in Financial Services & Insurance abschloss.

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