Die im Jahr 2007 in deutsches Recht umgesetzte Versicherungsvermittlerrichtlinie (IMD I) steht auf höchster Ebene zur Evaluierung an, wie der Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) berichtet. „Derzeit wird intensiv über die einzelnen Kriterien diskutiert, die Streitpunkte liegen klar auf dem Tisch“, informierte Thomas Ernst, Regierungsdirektor im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, die AfW-Mitglieder in Berlin.

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Folgende Reihe von Punkten zeichnet sich bereits ab:

  • 1.) Die bislang von der Regulierung ausgenommenen Annexvermittler (Bagatellvermittler wie Reisebüros, Brillenhändler oder Reifenhändler), die bisher keine Erlaubnis und keinen Registereintrag benötigen, könnten mit in die Regulierung fallen. In diesem Fall werde es aber Erleichterungen geben. Dieser Punkt ist noch umstritten.

  • 2.) Der Direktvertrieb durch Versicherungsunternehmen soll gleichwertig miteinbezogen werden. Gleiches gilt für die Online-Vermittlung von Versicherungsprodukten durch Internet-Portale. Offen ist, ob Internet-Portale ohne Vermittlungsfunktion ebenfalls einbezogen werden.

  • 3.) Bezüglich der grenzüberschreitenden Vermittlung debattieren die Mitgliedsstaaten derzeit, ob ein Aufnahmestaat zusätzliche Anforderungen stellen darf, auch wenn ein Vermittler in einem anderen Mitgliedsstaat alle Zulassungskriterien erfüllt. „Allerdings ist unklar, wer dies dann konkret kontrollieren soll, der Herkunftsmitgliedstaat oder der Aufnahmestaat“, so Ernst. Zudem neige die Kommission dazu, keine neuen Barrieren für den grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr aufzubauen.

  • 4.) Die Verpflichtung zur Fortbildung wird in jedem Fall kommen! Strittig ist noch die Anzahl der Stunden, die Vermittler dafür aufwenden müssen. Im Europäischen Parlament sind 200 Stunden Fortbildung innerhalb von 5 Jahren als Richtwert im Gespräch. Die Fortbildung soll von einer staatlichen Kontrollinstanz überprüft werden. „Es sieht derzeit mehr nach 50 Stunden auf 5 Jahre oder einer Sachkunde-Nachprüfung alle 3 Jahre aus“, weiß der Experte aus dem Wirtschaftsministerium. Letzteres sei im Gewerbebereich in Deutschland unüblich, in einigen anderen EU-Staaten jedoch gang und gäbe.

  • 5.) Hinsichtlich der Informations- und Dokumentationspflichten für Versicherungsanlagenprodukte wolle man sich an der MifiD II orientieren, die bereits verabschiedet wurde Das betrifft auch die Frage, wann eine „unabhängige Beratung“ vorliegt. „ Es bestehen noch große Prüfvorbehalte, sodass unklar ist, wie die abschließende Regelung aussehen wird“, bekennt Ernst. Die Definition eines Versicherungsanlageprodukts wird sich orientieren an derjenigen in der Verordnung der EU über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte (PRIIPS).

  • 6.) Die Provisionen sollen nach derzeitigem Kenntnisstand in Brüssel nach Art und Quelle offengelegt werden. Dem Versicherungsnehmer soll eventuell die Möglichkeit eingeräumt werden, auf Nachfrage auch weitere Information zur Provision des Vermittlers zu erhalten. Die Mitgliedsstaaten können indes schärfere Regelungen erlassen. „Das ist in Deutschland dann ggf. ein Thema bei der Umsetzung der Richtlinie“, so Ernst.

  • 7.) Völlig offen und noch nicht im Einzelnen besprochen sind auch noch die Sanktionsmöglichkeiten, mit denen die Kontrollbehörden ausgestattet werden sollen, um auf Verstöße der neuen Regularien zu reagieren.

Unterschiedliche Verstriebsstrukturen in EU-Ländern erschweren Regulierung

Generell erschweren die unterschiedlichen Vertriebsstrukturen in den Mitgliedsländern die gemeinschaftliche Regulierung, berichtet der Versicherungsexperte. Zudem sind laut Ernst die Entscheidungs- und Diskussionsgremien unterschiedlich zusammengesetzt. Während in Deutschland und Österreich die Wirtschaftsministerien mit Fragen der Vermittlerregulierung befasst sind, entsenden die anderen Länder Vertreter aus den Finanzministerien und Aufsichtsbehörden. Dadurch bestünden zuweilen unterschiedliche Blickwinkel auf die Regulierung. „Mit der Bürokratisierung haben große Vertriebseinheiten im Ausland kaum Probleme, anders als der Mittelstand in Deutschland“, weiß Ernst.

Italien hat zum 1. Juli 2014 die EU-Präsidentschaft übernommen und das Thema IMD II eigens auf die Tagesordnung gesetzt. Das ambitionierte Ziel der Italiener ist es, die Regulierung im nächsten halben Jahr weit voranzutreiben. Nach einer vorsichtigen Schätzung könnte bereits im Herbst dieses Jahres der Europäische Rat seine Position dem EU-Parlament darlegen. Dann wäre es nicht mehr weit zu einer Verabschiedung der IMD II, die ab diesem Zeitpunkt innerhalb von 24 Monaten umgesetzt werden muss. „Dazu sind aber noch einige Diskussionsrunden nötig“, so der BMWi-Fachmann.

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„Zur Zeit wird häufig behauptet, dass es zu einem europaweiten Provisionsverbot kommen würde. Mit diesen Informationen direkt aus dem Ministerium, dass es kein grundsätzliches Provisionsverbot geben wird, hoffen wir als AfW zur Versachlichung der Diskussion beizutragen“, stellt AfW Vorstand Frank Rottenbacher klar. „Auch den Ansatz, dass sich die öffentliche Hand bei der verpflichtenden Weiterbildung mehr einbringen könnte, begrüßen wir aus Neutralitätsgesichtspunkten“, so Rottenbacher weiter.

AfW - Bundesverband Finanzdienstleistung

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