Die Provinzial Nordwest kommt nicht zur Ruhe. Konnte im Jahr 2013 ein Verkauf des öffentlichen Versicherers an die Allianz gerade so abgewendet werden, scheiterten zuletzt Fusionsverhandlungen mit der Provinzial Rheinland. Am Freitag berichteten schließlich die Kieler Nachrichten, dass der Konzern eine Verschmelzung seiner drei Schaden- und Unfallversicherungen prüfe. Tausende Arbeitsplätze seien am Standort Kiel bedroht, weil der Konzernsitz der neu entstehenden Westfälischen Provinzial Versicherung in Münster angesiedelt sein soll. Bislang sind die Sparten auf die drei Standorte Kiel, Hamburg und Münster aufgeteilt.

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Hintergrund der Gerüchte ist ein Verbandsbeschluss des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL), der als mächtiger Miteigentümer der Provinzial einen strengen Sparkurs verordnet hat. Mindestens 45 Millionen Euro sollen pro Jahr bei dem Versicherer eingespart werden. Das ist ungefähr die Hälfte des Betrages, den die gescheiterte Großfusion zwischen der Provinzial Nordwest und Provinzial Rheinland an Einsparnissen gebracht hätte. Ohne Stellenabbau wird das Ergebnis freilich kaum zu erzielen sein.

Provinzial Nordwest dementiert Gerüchte um einen Stellenabbau

Nach Bekanntwerden der Fusionspläne am Freitag kündigten der Betriebsrat und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi umgehend Widerstand an. „Wir lehnen jede Fusion ab, die nicht zu mehr Sicherheit für den Konzern als Ganzes führt“, sagte Kiels Betriebsratsvorsitzende Kerstin David den Westfälischen Nachrichten. Eine Verschmelzung der Schaden- und Unfallversicherung aber würden den Standort Kiel als Ganzes bedrohen.

Umgehend reagierte auch die Provinzial mit einem halbherzigen Dementi – ließ aber indirekt offen, ob an den Fusionsplänen nicht doch etwas dran ist. „Wie auch immer die tendenziösen Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind, deren Weitergabe und die damit verbundene Berichterstattung ist nicht im Sinne unseres Konzerns und ist damit aus unserer Sicht verantwortungslos. Der Vorstand distanziert sich ausdrücklich davon“, heißt es in einer Stellungnahme von Freitag. Es sei selbstverständlich richtig und geboten, dass der Vorstand fortlaufend an der zukunftssicheren Aufstellung der Provinzial arbeite.

Aber das Misstrauen ist angebracht: schon den Verkauf an die Allianz wollten die Entscheidungsträger des Versicherers in aller Stille vorantreiben (Versicherungsbote berichtete). Klammheimlich hatten sich 2012 die Provinzial-Eigner Rolf Gerlach, Präsident des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe, Wolfgang Kirsch vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie Reinhard Böll vom Sparkassenverband Schleswig-Holstein mit dem Allianz-Chef Michael Diekmann zu Hinterzimmergesprächen getroffen. Erst ein Artikel der Financial Times Deutschland brachte am 30. November 2012 den Vorgang an die Öffentlichkeit. Weder Vertrieb noch Belegschaft waren eingeweiht. Seitdem gilt das Verhältnis zwischen Eignern und Angestellten als zerrüttet.

Politik bekennt sich zu Standort Kiel

Ärgerlich ist die ständige Unruhe auch deshalb, weil der Provinzial Nordwest aktuell gut aufgestellt scheint. Mit rund 3 Millionen Kunden sind auf der Habenseite Beitragseinnahmen von über 3 Milliarden Euro zu verbuchen. Hinzu kommt, dass es sich um ein „öffentliches, dem Gemeinwohl in der Region verpflichtetes Unternehmen“ handelt, wie Ulrich Metschies in einem Kommentar für die Kieler Nachrichten schreibt. Der Versicherer beteiligt sich an der Organisation von Stadtfesten, finanziert Feuerwehrausrüstungen und vergibt günstige Kredite an lokale Unternehmen.

All das steht auf dem Spiel, sollte sich die Provinzial aus der Region Kiel zurückziehen oder das Unternehmen sogar privatisiert werden. Deshalb meldete sich auch die Politik zu Wort – und machte deutlich, dass sie bei den Plänen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Denn als Schleswig-Holstein 1994 die damalige Provinzial für nur 245 Millionen Euro an die Sparkassen verkauft hat, ließ es sich für einen zukünftigen Weiterverkauf des Unternehmens Mitspracherechte zusichern. Ohne Zustimmung des Landes kann die Provinzial Nordwest nicht versilbert werden.

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Eine Verlegung des Standortes Kiel sei nicht verhandelbar, sagte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig. „Wir halten uns an Verträge, die wir schließen. Wir sind aber auch wehrhaft genug, um unsere Rechte aus Verträgen durchzusetzen.“ Die rund 1.070 Kieler Mitarbeiter können also vorerst aufatmen – bis die Eigner neue Pläne hinter verschlossenen Türen schmieden.

Kieler Nachrichten

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