VB: Bei der Durchsetzung des Familienpflegezeitgesetzes hat die Versicherungswirtschaft intensiv mitgewirkt. Gutachten zur Pflegezeit, ausgearbeitet von der MaschmeyerRürup AG aber auch Konzepte der Nürnberger Versicherungsgruppe und der Kreditanstalt für Wiederaufbau Bankengruppe gingen offenbar in den Entwurf mit ein. Die Opposition wirft Versicherern eigennütziges Verhalten vor: Es ginge kaum um die Familienpflegezeit, sondern die Pflicht zum Abschluss einer privaten Ausfallversicherung, von der vor allem Versicherungsunternehmen profitieren. Können Sie den Vorwurf nachvollziehen?

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Dirk Büttner: Nein, diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen. Ein Blick in die aktuellen Veröffentlichungen des Statischen Bundesamtes auf die konkreten Zahlen der pflegebedürftigen Personen in Deutschland zeigt deutlich, dass gerade in den Pflegestufen 0 – 2, die Pflege von Familienangehörigen übernommen wird. Somit sind viele Angehörige gezwungen, ihre bisherige berufliche Tätigkeit und die Pflege des Familienmitglieds neu zu organisieren. Das Familienpflegezeitgesetz schafft dabei Rahmenbedingungen, um auch weiterhin der beruflichen Tätigkeit nachgehen zu könne, und Arbeitgebern bietet es die Möglichkeit, bewährte Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Gut, dass das Gesetz auch Restschuld der Lohnvorauszahlung berücksichtigt und den Arbeitgeber bei Berufsunfähigkeit und Tod des Arbeitnehmers während der Inanspruchnahme der Familienpflegezeit sofort schadlos hält.

VB: Bisher sind seit Januar 2012 erst 135 Anträge beim zuständigen Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gestellt worden. Entspricht diese Nachfrage den Erwartungen der VPV?

Büttner: Viele Veränderungen im Pflegebereich, unter anderem eben auch das Familienpflegezeitgesetz, sind noch nicht voll von jedem Bürger in Deutschland – und damit meine ich Arbeitgeber genauso wie Arbeitnehmer – wahrgenommen worden. Die VPV hat in Kooperation mit der DFV im vergangenen August die VPV VolksPflege eingeführt, die bis dato einzige Pflegeabsicherung in Deutschland, die das Familienpflegezeitgesetz berücksichtigt. Die VPV VolksPflege leistet im Hinblick auf die Familienpflegezeit nicht nur bei Berufsunfähigkeit und Tod, sondern auch bei Arbeitsunfähigkeit. Viele unserer Partner im Maklerbereich haben die Notwendigkeit erkannt, der die VPV VolksPflege wurde gut angenommen. Unserer Erwartung in Bezug auf die VPV VolksPflege haben sich also erfüllt.

VB: Das Gesetz erntet in seiner jetzigen Ausgestaltung viel Kritik. Obwohl das Familienministerium großen Bedarf sieht, lehnen kleinere Unternehmen wegen des hohen Bürokratieaufwandes häufig die Regelung ab. Doch auch Mitarbeiter von Post oder Telekom sind in der Annahme sehr verhalten. Liegt es daran, dass das Gesetz zu kompliziert ist? Was sollte der Gesetzgeber nachbessern, damit es häufiger in Anspruch genommen wird?

Büttner: Natürlich gibt es immer Möglichkeiten der Verbesserung. Der erste Schritt wäre schon getan, wenn alle Bürger in Deutschland über die vielfältigen Möglichkeiten Bescheid wissen und sich der Herausforderung Pflege stellen, hier ist ein verstärkter Informationsfluss von Nöten. Immer wieder stelle ich im Maklermarkt fest, dass sich nur sehr wenige Makler mit den Gesetzen im Pflegeversicherungsbereich auskennen, hier müssen alle ihre Hausaufgaben machen und sich mit ihrem Handwerkszeug rüsten. Sie haben in Ihrem Sonderheft 01.2012 sehr gut über das Familienpflegezeitgesetz berichtet. Wir von der Vereinigte Post. Die Makler-AG werden weiterhin mit einfachen Informationen wie Flyern auf unsere Partner zugehen.

VB: Bei der VPV kann man auch die staatlich geförderte Pflegeversicherung (Pflege-Bahr) in Anspruch nehmen. Welche Erwartungen verbindet die VPV bei dieser Gesetzesgrundlage?

Büttner: Ja, neben unserer VPV VolksPflege bietet die VPV seit Mitte Februar 2013 mit der VPV FörderPflege sowie der Ergänzung VPV FörderPflege+ die staatlich geförderte Pflegeversicherung an. Pflege ist eines der dringendsten Probleme unserer alternden Bevölkerung, Pflege-Bahr ist ein kleiner Schritt zur Linderung dieses Problems. Wir sind aber der Meinung, dass das Thema Pflege ganzheitlich betrachtet werden sollte und sind daher froh, dass die Bundesregierung durch ihre Initiativen den Augenmerk der Familien auf dieses wichtige Thema lenkt. Die Einführung des Gesetzes ist ein weiterer Anknüpfungspunkt, um der großen gesellschaftlichen Herausforderung „Pflege – Folgen für die gesamte Familie“ offensiv zu begegnen und mit jedem Bürger in Deutschland in Kontakt zu treten. Es ist eine Pflicht jedes Maklers, seine Kunden über gesetzliche Möglichkeiten zu informieren und mit ihnen Lösung auf den Weg zu bringen.

VB: Konzepte, wie das der Familienpflegezeit, entstehen als Reaktion auf die demografische Entwicklung. Diskussionen über diese werden vorrangig vor dem nationalem Hintergrund geführt. Sehen Sie durch Harmonisierungen auf europäischer Ebene die Chance, Folgen der demografischen Entwicklung abzumildern? Welche?

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Büttner: Alle europäischen Staaten stehen vor ähnlichen Herausforderungen, eine Überalterung der Gesellschaft und die daraus resultierenden Folgen drohen überall. Beim Thema Pflege müsste beispielsweise ein europaweites, einheitliches Leistungssystem entstehen. Zurzeit gibt es in Europa jedoch kein vergleichbares System wie das deutsche. Die Deutschen können sich glücklich schätzen, eine so gute Grundlage der Versorgung im Pflegefall zu haben. Wir müssen jedoch die großen Herausforderungen gemeinsam angehen und die finanziellen Folgen für die gesamte Familie mit einer rechtzeitigen Pflegeabsicherung so gering wie möglich halten.

Vielen Dank für das Gespräch!

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