Es sollte alles besser und transparenter werden mit der Flensburger Verkehrssünderkartei. Ab Februar 2014 sollte es nur noch Punkte bei Delikten geben, die die Verkehrssicherheit gefährden. Dafür hätten Verkehrssünder und Raser ihren Führerschein schon ab acht Punkten abgeben müssen statt wie bisher bei 18 Punkten. Anfangs bekam Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) viel Beifall für sein Reformvorhaben. Doch nun steht der neue Bußgeldkatalog auf der Kippe.

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Vielfahrer und Berufspendler werden benachteiligt

Nicht nur der Bundesrat wendete sich gegen Ramsauers Reformpläne. Kritik kam auch vom einflussreichen Bundesverkehrsgerichtstag, der seit Donnerstag in Goslar tagt. Dessen Präsident Kay Nehm bemängelte, dass künftig jedem Autofahrer bereits bei acht Punkten der Führerschein weggenommen werden soll. Dies benachteilige vor allem Berufspendler und Vielfahrer, sagte Nehm. Zudem stehe der Entwurf dem bisherigen System „an Komplexität und an Ungereimtheit und auch an Intransparenz nur unwesentlich nach.“

Ähnlich äußerten sich auch die Ausschüsse für Verkehr und Inneres des Bundesrates. Der Regierungsentwurf werde „dem Ziel, ein einfacheres, verhältnismäßigeres und transparenteres System zu schaffen, nicht gerecht“, heißt es in einer Beschlussempfehlung für die nächste Sitzung des Gremiums am Freitag. Nach Informationen der Berliner Zeitung wird die Kritik auch von Unionsgeführten Bundesländern geteilt. Die vom Kabinett beschlossene Reform des Bußgeldkataloges muss noch von Bundestag und Bundesrat bestätigt werden.

Notorische Dauerraser könnten profitieren

Doch die Komplexität des neuen Bußgeldkatalogs ist nicht der einzige Kritikpunkt der Länderkammer. Die Bundesländer stören sich zudem daran, dass notorische Dauerraser und Drängler von der Reform profitieren könnten. Der Grund für diese Annahme: Zukünftig soll jeder Strafpunkt einzeln nach zwei Jahren verjähren. Dies gilt auch dann, wenn der Verkehrssünder als Wiederholungstäter erneut aufgefallen ist und in der Zwischenzeit neue Strafpunkte angesammelt hat. Gegenüber dem jetzigen Verkehrssündenregister bedeutet dies eine Aufweichung der Regeln. Denn bisher verfallen Strafpunkte nur dann, wenn der Fahrer innerhalb von 24 Monaten nicht erneut auffiel.
Zudem plädiert der Bundesrat dafür, dass Verkehrsverstöße je nach Schwere nicht mit bis zu drei Punkten bewertet werden sollen, sondern wie bisher mit einem oder zwei Punkten. Hier sei die neue Regelung zu hart. "Die mit drei Punkten bewerteten Straftaten führen ohnehin zum Entzug der Fahrerlaubnis.", heißt es in der Beschlussempfehlung.

Dass Raser die Gewinner der neuen Regelungen sind, befürchtet auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Das separate Verjähren der Strafpunkte „könnte dazu führen, dass notorische Schnellfahrer, die gut rechnen können, zukünftig noch schneller fahren“, zitiert die Berliner Zeitung den Interessenverband. Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Verkehrsausschusses im Bundestag, warnte ebenfalls davor, Raserei als Kavaliersdelikt zu betrachten. Der Grünen-Politiker nannte notorische Raser und Drängler „Intensivtäter“.

Auch geplantes Pflichtseminar für Verkehrssünder steht zur Debatte

Kritisch sieht der Bundesrat zudem die geplante Regelung, dass Verkehrsrowdys zukünftig ein Pflichtseminar besuchen müssen, wenn sie sechs Punkte in Flensburg erreicht haben. Sowohl FDP als auch Linkspartei wollen an dem bestehenden System festhalten, wonach freiwillige Nachschulungen die Möglichkeit zum Punkteabbau bieten. Die Pläne Ramsauers sehen einen Wegfall der freiwilligen Nachschulungen vor.

Auch der Präsident des Bundesverkehrsgerichtstages, Kai Nehm, plädiert für einen Punkteabbau durch freiwillige Seminare. "Jeder von uns weiß, dass man aus Nachlässigkeit oder Unaufmerksamkeit Verkehrsverstöße begehen kann", sagte er. Wer jeden Tag „auf dem Bock sitzt“, müsse die Chance haben, dass Verkehrssünden in angemessener Zeit vergessen werden.

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Das Bundesverkehrsministerium reagierte auf die Kritik bisher gelassen. In einer Stellungnahme teilte ein Sprecher am Donnerstag mit, das Gesetzverfahren stehe erst ganz am Anfang. Für eine Bewertung der Gegenargumente sei es folglich noch zu früh. Die Beschlüsse des Bundesrates werde man abwarten und dann eine Gegenäußerung formulieren, bis das Gesetzesvorhaben schließlich dem Bundestag vorgelegt werden kann.

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