Wirtschaftskriminalität ist allgegenwärtig. Doch dieser dreiste Raub von Beschlüssen, Gesetzentwürfen und E-Mails weitet sich zum größten Skandal, in den Interessenvertreter der Wirtschaft involviert sind, aus. Drahtzieher ist, laut Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin, ein freiberuflicher Lobbyist der Apothekerschaft. Dieser hatte seit 2010 mit einem Mitarbeiter des Unternehmens, das für die IT-Struktur des Ministeriums zuständig war, systematisch hochsensible Daten ausgespäht und diese anschließend an die Apothekerschaft verkauft. Dabei seien teilweise Gesetzesentwürfe weitergereicht worden, die nicht einmal der Minister oder die Staatssekretäre gekannt hätten.

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Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung sind davon auch Nachrichten von Staatssekretären, sowie den Ministern Philipp Rösler und Daniel Bahr (beide FDP) betroffen. Mittels der erkauften, geheimen Gesetzgebungsvorhaben war es so der Apothekerschaft möglich vorab Strategien und Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Dabei fiel den Vertretern des Ministeriums regelmäßig die gute Wissenslage der Gesprächspartner auf. So habe man sich regelmäßig darüber gewundert, wie gut die Gesprächspartner aus der Apothekerschaft über die jeweiligen Pläne des Ministeriums informiert gewesen seien .

Seit Beginn der Spionage waren diverse für die Apothekerschaft relevante politische Vorhaben im Ministerium behandelt worden. Darunter waren unter anderem die Neuordnung der Apotheker-Betriebsordnung, die Reform des Arzneimittelmarkts und die Verhandlungen über die Höhe des Abschlags der Apotheker an die Krankenkassen. Dieser wurde seit 2010 von 2,30 Euro je Arzneimittelpackung auf 1,75 Euro gesenkt und später auf 2,05 Euro angehoben.

Bereits im November durchsuchte die Staatsanwaltschaft Büro und Wohnung des Lobbyisten, sowie die Räume der IT-Firma und die Wohnung des verdächtigen Mitarbeiters. Dabei wurden Computer und Datenträger beschlagnahmt. Selbst Räume der Zentralabteilung im Gesundheitsministerium nahmen die Ermittler unter die Lupe.

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Während der Apothekenverband Abda sich vorerst nicht zu diesem Fall äußern wollte, diesen aber ernst nehme, war bei der Berliner Staatsanwaltschaft niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Weniger amüsiert äußerte sich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gegenüber der Bild-Zeitung. "Ich bin stinksauer über diese kriminelle Energie" empörte sich Bahr und forderte eine schnelle Aufklärung seitens der Staatsanwaltschaft.

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