Der Bremer Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Rothgang hat mit seinem Team den Pflegereport im Auftrag der Barmer GEK erstellt. Dazu haben sie die Kosten für rund 2000 Versicherte ab 60 Jahren analysiert, die im Jahr 2000 erstmalig pflegebedürftig geworden waren. Für die Pflege von Männern ermittelten die Wissenschaftler Durchschnittskosten von 42.000 Euro, für Frauen 84.000 Euro. Der Grund für die höheren Ausgaben bei den Frauen liegt in der höheren Lebenserwartung und einem längeren Aufenthalt im Pflegeheim. Für die Hälfte dieser Kosten kommen die Betroffenen selbst auf. „Damit wird konkret fassbar, dass die Pflegeversicherung immer eine Teilkaskoversicherung war, ist und bleiben wird", sagte Rolf-Ulrich Schlenker.

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Als Plädoyer für den Pflege-Bahr ist der Report dennoch nicht zu verstehen. Der Studienautor Heinz Rothgang rät momentan vom Abschluss des Pflege-Bahr ab, zu viele Fragen seien ungeklärt. „Unter Verbraucherschutzgesichtspunkten ist das ein wirklich gefährliches Produkt, von dem wir heute, vier Wochen vor seiner Einführung, eigentlich noch nichts wissen.“ Rothgang kritisiert weiter, dass die Durchführungsverordnung keinerlei Regeln enthalten, „das wird alles der privaten Versicherungswirtschaft übertragen, die bisher noch sehr zurückhaltend war mit Informationen". Der Pflege-Bahr werde sich für die Versicherungswirtschaft nicht rechnen prognostiziert er. Eine Förderung von fünf Euro sei zu niedrig und die Police zudem nicht obligatorisch. Rothgang warnt, „die Gefahr, die ich beim Pflege-Bahr dann letztlich sehe, ist nicht nur, dass dieser private Markt nicht funktioniert, sondern, dass es Rückwirkung gibt auf die soziale Pflegeversicherung". Er sieht die Gefahr, dass man die gesetzliche Pflegeversicherung nicht genug dynamisiere. Für die Lücke solle dann der Pflege Bahr aufkommen, der aber nur von einer Minderheit in Anspruch genommen werde.

Die soziale Pflegeversicherung übernimmt im Durchschnitt für einen Versicherten Leistungen in Höhe von rund 33.000 Euro. Dabei liegt die Spanne zwischen 13 und 262.000 Euro. Derartig hohe Beträge sind allerdings selten, knappe 30 Prozent der Pflegebedürftigen beanspruchen weniger als 5.000 Euro von den Pflegekassen, weitere 20 Prozent zwischen 5.000 und 15.000 Euro. Ähnlich hoch sind die Schwankungen bei den privaten Anteilen, sie lagen im Schnitt bei 31.000 Euro, im Extremfall bei stationärer Pflege allerdings bei bis zu 305.000 Euro.

Der Barmer GEK Pflegereport hat auch eine positive Nachricht: die Zahl der Pflegebedürftigen steigt weniger stark als erwartet. In 2011 war der Zuwachs bei den neuen Pflegefällen erstmals rückläufig, für die nächsten zwei Jahrzehnte werde der Anstieg der Pflegebedürftigen sogar noch weiter zurückgehen. Hierbei gibt es große regionale Unterschiede, in den neuen Bundesländern nahm die Zahl der Pflegebedürftigen zwischen 2005 und 2007 erheblich stärker zu, den Spitzenwert erreichte Brandenburg mit 14,1 Prozent. In den alten Ländern lag der Zuwachs hingegen unter dem Bundesdurchschnitt. Daher fällt nun auch der Rückgang bei den neuen Pflegefällen in den neuen Ländern deutlich höher aus als in den alten. Rolf-Ulrich Schlenker sieht mit einem Zuwachs bei den Pflegebedürftigen von etwas über drei Prozent den Gipfel erreicht. Da der Zuwachs abnehme, solle man das Thema Pflegebedürftigkeit und Zuwachs nicht dramatisieren. Er verweist außerdem auf die hohen Reserven der sozialen Pflegeversicherung: mehr als fünf Milliarden Euro.


Hier gibt es den aktuellen Pflegereport zum Download:

https://www.barmer-gek.de/barmer/web/Portale/Presseportal/Subportal/Infothek/Studien-und-Reports/Pflegereport/Pflegereport-2012/Content-Pflegereport-2012.html?w-cm=CenterColumn_tdocid



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