In Nordamerika betrug der Gesamtschaden aus Wetterkatastrophen im Untersuchungszeitraum 1980 bis 2011 1.060 Milliarden US-Dollar (in Werten 2011). Die versicherten Schäden beliefen sich auf 510 Milliarden US-Dollar. Rund 30.000 Menschen kamen ums Leben. Hurrikan Katrina 2005 war mit einem versicherten Schaden von 62,2 Milliarden US-Dollar und einem gesamtwirtschaftlichen Schaden von 125 Milliarden US-Dollar (in Originalwerten) die bislang teuerste Naturkatastrophe in Nordamerika. Der Hurrikan forderte 1.322 Todesopfer, so viele wie kein Sturmereignis jemals zuvor oder danach.

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Die Studie soll Underwriter und Kunden in Nordamerika unterstützen, dem größten Erst- und Rückversicherungsmarkt der Welt. Auf der Grundlage der mit mehr als 30.000 Einträgen weltweit umfassendsten Schadensdatenbank für Naturkatastrophen NatCatSERVICE hat Munich Re Eintrittshäufigkeiten und Schadenstrends für die verschiedenen Gefahren analysiert. Nordamerika ist von allen Arten von Wetterextremen betroffen: Tropenstürme, Gewitter, Winterstürme, Tornados, Waldbrände, Dürren und Überschwemmungen. Ein Grund dafür ist, dass es in Nordamerika keinen Gebirgszug in Ost-West-Richtung gibt, der kalte Luft im Norden von warmer Luft im Süden trennen würde.

Nirgendwo auf der Welt steigt die Zahl der Wetterkatastrophen stärker als in Nordamerika. Die Studie zeigt, dass sich die Anzahl der wetterbedingten Schadenereignisse dort in den letzten drei Jahrzehnten fast verfünffacht hat. In Asien legte sie dagegen nur um den Faktor 4, in Afrika um 2,5, in Europa um 2 und in Südamerika um 1,5 zu. Für diese Zunahme wird auch der anthropogene Klimawandel verantwortlich gemacht. Allerdings beeinflusst er die verschiedenen Gefahren in unterschiedlicher Weise. So wirkt er sich etwa auf das Auftreten von Hitzewellen, Dürren und Starkniederschlagereignissen sowie langfristig höchstwahrscheinlich auch auf die Intensität tropischer Wirbelstürme aus. Die Ansicht, dass aufgrund der Erderwärmung in bestimmten Regionen Wetterextreme häufiger und stärker werden, steht im Einklang mit aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie sie im vierten Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC sowie im Sonderbericht zu Wetterextremen und Katastrophen SREX dargestellt sind. Allerdings sind soziökonomische Faktoren wie Bevölkerungswachstum, Zersiedelung und zunehmender Wohlstand nach wie vor die wesentlichen Treiber für die Zunahme der Schäden aus Wetterkatastrophen.

Neue Indizien für Klimawandel

Neben zahlreichen anderen Erkenntnissen liefert die Studie jetzt neue Indizien für die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels. Die Analyse von Schäden durch Gewitterereignisse zeigt für die letzten 40 Jahre eine zunehmende Volatilität sowie einen signifikanten langfristigen Aufwärtstrend bei den normalisierten, das heißt um Faktoren wie Wertezuwachs, Bevölkerungswachstum und Inflation bereinigten Zahlen. Die beobachteten Veränderungen passen nach einer detaillierten Analyse der Zeitreihen genau zu dem Muster der Veränderung der meteorologischen Bedingungen für die Ausbildung von großen Gewitterzellen. Damit ist es sehr wahrscheinlich, dass veränderte Klimabedingungen die Treiber dieser Entwicklung sind. Die beobachteten Klimaveränderungen stimmen mit den modellierten Veränderungen infolge des anthropogenen Klimawandels überein.

Der Leiter des Fachbereichs Georisiko-Forschung Prof. Peter Höppe: „Dieses Ergebnis kann aller Wahrscheinlichkeit nach als erster Fußabdruck gewertet werden, den der Klimawandel in den letzten vier Jahrzehnten in unseren Schadendaten hinterlassen hat. Eine derart starke Beweiskette hat es bislang noch nicht gegeben. Wenn die Auswirkungen des Klimawandels jetzt schon spürbar sind, werden alle Warnungen und Gegenmaßnahmen umso dringlicher.“ Aber auch unabhängig von der Veränderung der Gefährdung müsse Munich Re die Risiken im Blick behalten, die aus dem Anstieg der Bevölkerungszahlen, der bebauten Flächen und der steigenden Werte insbesondere in exponierten Gebieten resultierten, sagte Höppe. Für eine bessere Anpassung an den Klimawandel sei ein enger Schulterschluss aller Beteiligten erforderlich. Außerdem müssten Klimaschutzmaßnahmen unterstützt werden, um die Erderwärmung langfristig auf ein beherrschbares Maß zu begrenzen. „Gerade Nordamerika, das Wetterrisiken aller Art besonders ausgesetzt ist, würde davon profitieren“, fügte Höppe hinzu.

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Peter Röder, bei Munich Re als Vorstandsmitglied verantwortlich für den US-Markt sagte: „Steigende Risiken aufgrund des Klimawandels schlagen sich, anders als wachsende Exponierungen, nicht automatisch in den Prämien nieder. Damit unser Versicherungsmodell nachhaltig bleibt, müssen wir als Risikomanager dieses Änderungsrisiko möglichst genau verstehen und Lösungen zur Anpassung an den Klimawandel aber auch zu seiner Eindämmung finden. Deshalb ist es notwendig, dass wir auf die künftigen Veränderungen bei Wetterrisiken vorbereitet sind. Das gilt nirgends mehr als in Nordamerika.“

Tony Kuczinski, CEO von Munich Reinsurance America: „Mit dieser Studie wollen wir weltweit in Dialog treten über Wetterrisiken und ihre Ursachen. Wenn man sich die Langzeittrends ansieht, wird klar, dass die Schäden aus Wetterereignissen in Nordamerika tendenziell zunehmen. Hier einfach zu sagen, dieser Trend sei eine statistische Anomalie oder Teil einer langfristigen zyklischen Entwicklung, geht an der Sache vorbei. Wir müssen unsere vorgefassten Meinungen über Bord werfen und bei der Suche nach Lösungen einen zielführenden Dialog fortsetzen, um die Schäden zu begrenzen.“

Schäden aus Wetterkatastrophen

Stürme

Stürme spielen in der Wetterschadenstatistik eine dominierende Rolle. Sie verursachen 76 Prozent der wirtschaftlichen Schäden (seit 1980 805 Milliarden US-Dollar) und – aufgrund der hohen Versicherungsdichte – 89 Prozent der versicherten Schäden (454 Milliarden US-Dollar). 2005 war das Jahr mit den größten Hurrikanschäden (Katrina, Rita und Wilma), während 2011 die Schäden aus Gewitterereignissen Rekordhöhe erreichten. Die versicherten Sachschäden allein aus dieser Ereignisart beliefen sich in den USA auf 26 Milliarden US-Dollar.

Tropische Wirbelstürme


Tropische Wirbelstürme können die gesamte nordamerikanische Ost- und Golfküste treffen, insbesondere, wenn sie sich zu Hurrikanen entwickeln. Ein wesentlicher Schadenstreiber ist die hohe Bevölkerungs- und Wertekonzentration in den Küstenregionen, verbunden mit hohen und zum Teil noch wachsenden Vulnerabilitäten. In den letzten Jahren sind neben Starkwind- auch Sturmflutrisiken in den Fokus gerückt, da sie ein enormes Schadenspotenzial bergen und viele Menschenleben fordern können. Vor zwanzig Jahren, am 24. August 1992, ereignete sich mit Andrew der teuerste Hurrikan des vergangenen Jahrhunderts. Er bescherte der Versicherungsindustrie Originalschäden von 17 Milliarden US-Dollar und wirkte wie ein Wecksignal: Nach Andrew wurden die Bauvorschriften in den USA verschärft. Die Assekuranz führte komplexe Risikomodelle ein und forderte bessere Vorbeugungsmaßnahmen. Sollte sich ein Hurrikan wie Andrew in derselben Region noch einmal ereignen, würden heute die normalisierten Schäden deshalb vermutlich geringer ausfallen.

Gewitter


Gewittern widmet die Studie besondere Aufmerksamkeit: neben tropischen Wirbelstürmen zählen sie für die Versicherungsindustrie in den USA zu den wichtigsten Extremwettergefahren. In den Jahren 1980 bis 2011 entfielen 43 Prozent der durch Stürme verursachten versicherten Sachschäden (180 Milliarden US-Dollar) auf schwere Gewitter. Schäden aus Gewitterereignissen sind über die letzten 40 Jahre angestiegen, wofür die Studie zwei wesentliche Gründe nennt: Zum einen die Zersiedelung, die dazu führt, dass immer mehr Sachwerte der Zerstörungskraft von Gewittern ausgesetzt sind. Zum anderen liefert die Studie deutliche Hinweise darauf, dass hier der Einfluss veränderter Klimabedingungen bereits spürbar ist.

Überschwemmungen

Die Überschwemmungsschäden aus Hunderten von Schadensereignissen summieren sich Jahr für Jahr auf einen Milliardenbetrag. Zwar nimmt die Exponierung gegenüber dieser Naturgefahr zu, gleichzeitig gibt es aber auch Verbesserungen beim Hochwasserschutz. Solche Maßnahmen zahlen sich aus, auch wenn sie teuer sind. So hätte das Mississippi-Hochwasser im Jahr 2011 ohne Hochwasserschutzsysteme nicht Kosten in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar, sondern von über 100 Milliarden US-Dollar verursacht.

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Hitzewellen und Dürren

Hitzewellen, Dürren und großflächige Brände verursachten im betrachteten Zeitraum 15 Prozent (160 Milliarden US-Dollar) der wirtschaftlichen Schäden aus Extremwetterereignissen. Über die Hälfte dieser Schäden entfiel dabei auf Dürren. Der Klimawandel wird künftig das Auftreten extrem trockener und heißer Wetterlagen beeinflussen. Das Schadenpotenzial von Dürren und Hitzewellen wird häufig unterschätzt, weil ihre Auswirkungen erst allmählich spürbar werden. Sie betreffen aber innerhalb großflächiger Gebiete sämtliche Bereiche: Privathaushalte ebenso wie die Infrastruktur, die Energieversorgung bis hin zur Landwirtschaft. Zudem begünstigen lange Trockenperioden den Ausbruch von Wald- oder Buschbränden und deren Ausbreitung. In den letzten Jahren gab es neue Höchsttemperaturrekorde. So war 2012 in den USA bisher (Stand September) das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1895. Die mittlere Temperatur lag um 3,8°F (2,1°C) über dem Jahrhundertdurchschnitt. Über zwei Drittel der Anbauflächen waren von der Dürre in diesem Jahr betroffen, die eine der extremsten der letzten 50 bis 100 Jahre war. Angesichts des Klimawandels kommt der Agrarversicherung deshalb künftig eine noch wichtigere Rolle zu.

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