In sogenannten Auszahlungsplänen hatte der britische Lebensversicherer Clerical Medical seinen Versicherten hohe Summen zugesagt. Doch das versprochene Geld war mit den Finanzprodukten nicht zu erreichen. Mehrere Kunden hatten daraufhin den Finanzdienstleister verklagt – und erzielten nun einen Erfolg vor dem höchsten deutschen Zivilgericht.

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Am Mittwoch haben die Karlsruher Richter entschieden, dass das Unternehmen seinen Kunden die in den Auszahlungsplänen zugesicherte Summe zahlen muss. Zudem haben die Kläger gute Chancen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Der Bundesgerichtshof verwies fünf Fälle zurück an die Vorinstanzen, um genauere Feststellungen nachzuholen.

Lebensversicherungen als hochriskantes Spekulationsobjekt

Aufgrund der hohen Zahl an Rechtsfällen -allein am Bundesgerichtshof sind 40 Klagen gegen Clerical Medical anhängig- wurden die Verfahren in zwei Gruppen verhandelt. Im ersten Verhandlungsteil standen Schadensersatzforderungen wegen kreditfinanzierten Lebensversicherungen des Produktes „Wealthmaster Noble“ aus den Jahren 2001 und 2002 im Zentrum. Im zweiten Verhandlungsteil wollten die Kläger ausschließlich von ihren Darlehensverpflichtungen befreit werden. Sie hatten hohe Bankkredite aufgenommen, um als Geldanlage eine Lebensversicherung gegen Einmalprämie abzuschließen, und blieben nach Ausbleiben der Gewinne auf ihrem Schuldenberg sitzen. Die Kläger berufen sich dabei auf Falschberatung von Seiten des Unternehmens. Ihnen seien unrealistische Renditen zugesichert worden. Auch eine Aufklärung über mögliche Risiken der Anlage sei nicht hinreichend erfolgt.

Wie die Kunden von Clerical Medical Geld verloren, kann anhand eines früher verhandelten Rechtsfalls verdeutlicht werden, bei dem der Versicherer ein Grundsatzurteil in letzter Minute verhindern konnte. Eine Frau hatte im Jahr 2002 eine Lebensversicherung gegen einen Einmalbetrag von 247.500 Euro abgeschlossen, den sie mit einem hoch verzinsten Kredit einer Bank finanzierte. Immerhin 6,5 Prozent Zinsen musste die Klägerin für ihren Bankkredit aufwenden – Laut Versicherer kein Problem, die Musterrechnung versprach der Frau einen weitaus höheren Gewinn aus ihrer Lebensversicherung. Versprochen waren der Kundin ein jährlicher Wertzuwachs von 8.5 Prozent, regelmäßige Ausschüttungen aus den angeschlossenen Fonds des Versicherers sowie ein hoher Einmalbetrag von 254.000 Euro zum 01. März 2012. Sowohl die Lebensversicherung als auch der Bankkredit wurden vom selben Vermittler empfohlen.

Doch für die Kundin entpuppte sich der Deal als Verlustgeschäft. Die Fonds warfen in den ersten Jahren nur 1,5 bzw. 3 Prozent Zinsen ab, so dass Clerical Medical weitaus weniger Geld ausschüttete als versprochen. Auch der Schlussgewinn wurde von dem Versicherungsanbieter deutlich nach unten korrigiert. Die Versicherungsnehmerin machte Verluste: Dabei hatte ihr der Vermittler per Musterrechnung zugesichert, dass sie mindestens ihr investiertes Geld zurückerhält. Letztendlich entschied sich die Frau, gegen den Versicherer zu klagen. Ungefähr 1.000 ähnliche Rechtsstreitigkeiten sind bundesweit durch das BGH-Urteil betroffen.

Versicherungsunternehmen müssen über Produktrisiken aufklären!

Die Richter sahen am Mittwoch eine eklatante Verletzung der Aufklärungspflichten durch den Versicherer gegeben, da den Kunden tatsächlich zu hohe Renditeerwartungen versprochen worden waren. In der Urteilsverkündung sagte die vorsitzende Richterin Barbara Mayen, bereits der Abschluss der Verträge über kreditfinanzierte Lebensversicherungen sei für die Kunden „wirtschaftlich nachteilig“ gewesen. Die Prognoserechnungen mit 8,5 Prozent Rendite waren „von Anfang an unrealistisch“, da Clerical Medical selbst nur mit 6 Prozent Rendite gerechnet habe.

Doch weder das Prospekt noch das Kurzexpose hätten ausreichend über die Risiken des hochspekulativen Produktes aufgeklärt. Dabei betonten die Richter, dass die Lebensversicherung "Wealthmaster Noble" in erster Linie als Anlagegeschäft gewertet werden müsse und daraus besondere Aufklärungspflichten erwachsen. So hätte Clerical Medical sicherstellen müssen, "die Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren."

Zudem dürften Zusagen, die der Versicherer seinem Kunden im Rahmen eines festgelegten Auszahlungsplans macht, nicht in den Versicherungsbedingungen wieder willkürlich eingeschränkt werden. Die fehlerhafte Beratung durch die Vermittler wird dem Versicherer zugerechnet.

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Als Fazit lässt sich festhalten: Auch Versicherungsunternehmen sind zu einer umfangreichen Aufklärung über die Anlagerisiken ihrer Produkte verpflichtet. Bei Modellrechnungen werden die Versicherer zukünftig größere Sorgfalt walten lassen müssen, da allzu optimistische Renditeprognosen hohe Schadensersatzforderungen nach sich ziehen können.

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