Wer sein Kind in einen privaten Kindergarten der „Villa Kindertraum“ geben will, idyllisch in einem Park oder unweit eines Waldgrundstücks gelegen, der muss ordentlich Geld auf den Tisch legen. Monatlich 630 Euro kostet ein Halbtagsplatz für Kinder bis 3 Jahre. Dafür lockt die Dresdner Einrichtung mit Vollverpflegung und einem umfangreichen pädagogischen Konzept. Kinder können hier in kleinen Gruppen an ihrer Persönlichkeitsentwicklung arbeiten, können spielend die Natur erleben und tanzend, singend und bastelnd ihre individuellen Fähigkeiten erproben.

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Von diesem Angebot profitieren jedoch überwiegend die Kinder von Eltern, die ein entsprechend hohes Einkommen haben. Zwar sind die Betreuungskosten für Kinder bis zu zwei Dritteln von der Steuer absetzbar. Doch für Geringverdiener dürften 630 Euro Monatsbeitrag kaum aufzubringen sein. Und tatsächlich haben Studien gezeigt, dass vor allem besserverdienende Eltern ihren Nachwuchs in private Einrichtungen geben – Pädagogen kritisieren, dass dies eine soziale Spaltung schon im Kindesalter begünstigt. Private Kita-Angebote sind häufig besser, da die Gruppen kleiner und die Öffnungszeiten elternfreundlicher sind.

Kinder in privaten Kindergärten sollen von Betreuungsgeld profitieren

Am Dienstag nun hat Kristina Schröder ihren Gesetzentwurf für das umstrittene Betreuungsgeld vorgestellt. Wenn es tatsächlich das erklärte Ziel der Bundesfamilienministerin gewesen sein sollte, etwas für das Kindswohl zu tun, so hat sie dieses Ziel wohl verfehlt. Denn die neue Familienleistung könnte die soziale Ungleichheit weiter verschärfen.

Das Betreuungsgeld soll erhalten, wer sein Kind nicht in die Obhut einer staatlich geförderten Kita, einer kommunal bezuschussten Tagesmutter oder einer anderen öffentlich geförderten Betreuung gibt. Langzeitarbeitslose sind ebenfalls ausgeschlossen, ihnen wird das Geld auf die Hartz IV-Leistung angerechnet: Ein Nullsummenspiel.

Eltern jedoch, die ihr Kind in eine private Einrichtung geben, sollen vom Betreuungsgeld profitieren. Wer also sein Kind derzeit in einem Kindergarten wie der „Villa Kindertraum“ betreuen lässt, wer genug Geld hat, um monatlich 630 Euro und mehr für einen Kita-Platz zu berappen, der erhält zukünftig auch die neue Familienleistung zugesprochen. Das Betreuungsgeld entpuppt sich in diesem Sinne als Wohltat für Besserverdienende, die sich eine teure Betreuung ihres Nachwuchses ohnehin leisten können. Gutverdiener werden es dankbar zur Kenntnis nehmen.

Inwiefern nützt das Betreuungsgeld Alleinerziehenden und Arbeitslosen?

Wie aber sieht es mit jenen Eltern aus, die nicht viel Geld zur Verfügung haben – werden auch sie vom Betreuungsgeld profitieren? Hier lautet die bittere Antwort: Gerade die Bedürftigsten könnten durch das Raster fallen, wenn die Gesetzesvorlage des Familienministeriums wie geplant umgesetzt wird.

Entsprechend einer aktuellen Studie von Unicef sind in Deutschland besonders die Kinder von Arbeitslosen und Alleinerziehenden armutsgefährdet. Daran wird auch das Betreuungsgeld nichts ändern: Beide Risikogruppen werden durch die Regelung benachteiligt, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II die Erziehungsprämie auf ihre Grundsicherung angerechnet bekommen. Rund drei Viertel aller alleinerziehenden Eltern, deren jüngstes Kind das dritte Lebensjahr noch nicht erreicht hat, bezieht derzeit Hartz IV-Leistungen – Folglich wird ihnen das Betreuungsgeld gekürzt oder gänzlich weggenommen.

Ärgerlich ist diese Benachteiligung auch deshalb, weil Alleinerziehende von einem Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung profitieren würden. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahr 2009 rund 60 Prozent aller alleinerziehenden Mütter erwerbstätig, 40 Prozent von ihnen sogar in Vollzeit. Fast 95 Prozent verdienten weniger als 1.300 Euro im Monat – Ein privater Kitaplatz ist für diese Frauen in der Regel nicht finanzierbar.

Vor diesem Hintergrund ist es fast schon zynisch, wenn Familienministerin Kristina Schröder das Betreuungsgeld nun mit einer neuen Wahlfreiheit für Eltern rechtfertigt. Gerade alleinerziehenden Eltern ist diese Wahlfreiheit eben nicht gegeben. Wenn die Familienangehörigen nicht als Babysitter einspringen, ist schlichtweg keiner da, der das Kind zu Hause betreut. Dann muss es in einen Kindergarten oder zu einer Tagesmutti gehen.

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Hier wäre Kristina Schröder besser beraten, die immensen Summen für das Betreuungsgeld in den Ausbau von öffentlichen Kindereinrichtungen zu stecken. Ab August 2013 haben alle Kinder unter 3 Jahren, deren Eltern berufstätig sind, einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz. Doch die kommunalen Spitzenverbände gehen davon aus, dass derzeit noch rund 200.000 Krippenplätze fehlen. Vor allem die angespannte Finanzlage in den Kommunen behindert einen weiteren Ausbau der Kindertagesstätten. Das Finanzministerium hat errechnet, dass das Betreuungsgeld im kommenden Jahr rund 400 Millionen Euro verschlingen wird – Finanzen, die man zum Ausbau der Kinderbetreuung gut gebrauchen könnte.

Mirko Wenig

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