Bisher war es eine gute Woche für Ergo-Chef Thorsten Oletzky. Am Mittwoch hatte er zu einer Pressekonferenz geladen, die dazu dienen sollte, einen Schlussstrich unter die Skandale des Versicherers zu ziehen – Sexparty und falsch berechnete Riester-Verträge lassen grüßen. Angekündigt hatte sich auch ein Flashmob, der die Pressekonferenz mit Bademänteln, Pornobrillen und alkoholischen Getränken „bereichern“ wollte – eine Anspielung auf die Sex-Orgie in Budapest. Doch obwohl über 500 Facebook-User ihr Kommen vermeldeten, fanden nur wenige Bademantelträger den Weg zur Ergo-Zentrale.

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So konnte das Projekt „Imagepolitur“ unbeschadet angegangen werden. Oletzky stellte den neuen Verhaltenskodex für selbstständige Vertreter vor, der zukünftige Verfehlungen verhindern soll. Da störte es kaum, dass Oletzky zur Aufklärung der Skandale wenig beizutragen hatte:

  • Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PriceWaterHouseCoopers, beauftragt mit der Untersuchung der Skandale, bemängelte die schwierigen Bedingungen bei der Überprüfung der Vorwürfe – man kann das durchaus so interpretieren, dass eben keine vollständige Aufklärung möglich war.

  • Den Tatbestand, dass der Vertriebler HMI tausende Riester-Verträge falsch berechnete, konnte die Ergo sogar in ihre aktuelle Werbekampagne einbinden. Man habe das Kleingedruckte der Verträge einfach nicht verstanden, so das Bekenntnis. Versichern heißt verstehen? Wie gut, dass man gerade an einer Vereinfachung der Vertragswerke arbeitet. Warum der Versicherer bereits ab 2005 von den fehlerhaften Policen wusste, aber dennoch seine Kunden nicht informierte, ist weiterhin ungeklärt.

Diesmal blieb ein negatives Medienecho nach der Pressekonferenz jedoch aus. Die Presse ist Ergo-müde: zu viel wurde in den letzten Wochen über den Versicherer geschrieben.

Verbraucherschützer erstatten Anzeige gegen Ergo

Dass die Ergo dennoch in den Schlagzeilen bleibt, dafür sorgt aktuell der Verbraucherschutz. Wie das Handelsblatt berichtet, hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen Strafanzeige gegen den Versicherer erstattet. Die am Donnerstag eingereichte Strafanzeige lautet auf „Verdacht des Betruges durch Ergo-Versicherungsvermittler sowie des Betruges durch die Mitarbeiter des Ergo-Konzerns“.

Hintergrund für die Klage sind die Praktiken bei den Betriebsrenten, die in der letzten Woche bekannt wurden. Obwohl die Ergo mit Unternehmen Rahmenverträge für die betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen hatten, verkauften die Mitarbeiter Einzelpolicen zu wesentlich schlechteren Konditionen – nicht ohne Eigeninteresse, denn statt 150 Euro Provision konnten die Vertreter sogar einen vierstelligen Betrag für ihre Vermittlungsleistung kassieren. Die hohen Provisionskosten fehlen den Versicherten dann bei ihrer Rente.

Doch die Verbraucherzentrale rechnet mit weiteren Fällen. „Wir befürchten, dass wir bisher nur die Spitze des Eisberges sehen“, kommentierte Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, den aktuellen Betrugsverdacht. „Die Versicherten, aber auch die Unternehmen, wurden hier klar getäuscht und geschädigt.“

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Es wird also weiterhin über die Ergo diskutiert. Bisher jedenfalls hatte der Imageverlust kaum Auswirkungen auf das Versicherungsgeschäft: von circa 20 Millionen Verträgen wurden nur 500 aufgrund der Verfehlungen gekündigt.

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