Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem gestrigen Urteil über das Leistungskürzungsrecht eines Versicherers bei grober Fahrlässigkeit entschieden. Auslöser für das Gerichtsurteil war die Trunkenheitsfahrt eines Rockkonzertbesuchers. Dieser hatte mit 2,7 Promille im Blut nach dem Konzert mit seinem Wagen einen Laternenpfahl gerammt und dabei einen Fahrzeugschaden von 6.400 Euro verursacht. Aufgrund des „Vollrausches“ verweigerte die Vollkaskoversicherung ihre Leistung. Das Gericht gab dem Versicherer Recht.

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Eine Versicherung muss zahlen, wenn der Versicherer beim Herbeiführen des Versicherungsfalles unzurechnungsfähig war. Führte grobe Fahrlässigkeit zur Unzurechnungsfähigkeit und den entsprechenden Versicherungsfall, war er allerdings leistungspflichtig. Vor dem 1. Januar 2008 mussten Versicherer nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ noch uneingeschränkt für jeden solch grob fahrlässig herbeigeführten Vollkaskoschaden aufkommen. Mittlerweile „ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen“, so § 81 Abs. 2 VVG. Diese Quotenregelung wurde nun nochmals modifiziert.

„Unzurechnungsfähig durch grobe Fahrlässigkeit“ wird zunehmend dehnbarerer Begriff

Obwohl die grobe Fahrlässigkeit des Fahrzeugführers zur Unzurechnungsfähigkeit desjenigen führte, durfte der Versicherer nicht nur anteilig, sondern komplett die Leistungen verweigern. Laut BGH kann nämlich der Vorwurf, das Geschehen grob fahrlässig herbeigeführt zu haben, bereits vor Trinkbeginn bzw. einem noch zurechnungsfähigen Zustand, geltend gemacht werden. Mit anderen Worten: Beim ersten Schluck Bier kann man selbst erahnen, dass der Alkoholkonsum so ausartet, dass man später einen solchen Versicherungsfall herbeiführen könnte. Zumindest muss man dann für das Zustandekommen der Vollrauschfahrt beim Versicherer Zeugnis ablegen.

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Rechtsanwalt Robert Leisner fragt in seinem Blog zurecht, welche Quote sich demnach „der ,normal betrunkene‘ Versicherte anzurechnen lassen hat, der seinen Versicherungsfall durch Fahrantritt grob fahrlässig herbeigeführt hat“. Man kann vermuten, dass sich zukünftig mehr Vollkaskoversicherer auf eine sogenannte „Quotelung auf Null“ berufen. Den Weg hierfür hat der BGH mit diesem Urteil zumindest geebnet.

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