„Kunden kaufen bei Menschen – nicht bei Prozessen“
Der Versicherungsvertrieb steht 2025 unter völlig neuen Vorzeichen: informierte, aber oft überforderte Kunden, digitale Tools und ein wachsender Preisdruck. Vertriebscoach Jörg Laubrinus erklärt im Interview bei Versicherungsbote, wie Vermittler in diesem Umfeld erfolgreich beraten, welche Haltung den Unterschied macht – und warum Effizienz und Abschlussstärke keine Gegensätze sind.

- „Kunden kaufen bei Menschen – nicht bei Prozessen“
- „Vertrieb ist ein Handwerk“
Versicherungsbote: Herr Laubrinus, wenn Sie den Versicherungsvertrieb 2025 mit dem von vor zehn Jahren vergleichen: Was hat sich am stärksten verändert?
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Jörg Laubrinus: Früher fragte der Kunde: „Was empfehlen Sie mir?“ – heute sagt er: „Ich habe da etwas online gefunden.“ Der Vermittler ist längst nicht mehr nur Informationsgeber, sondern Orientierungshilfe im Dschungel der Möglichkeiten. Die größte Veränderung: Kunden haben mehr Wissen, aber oft keine Klarheit. Sie vergleichen Preise, verstehen aber nicht, was wirklich zu ihrer Situation passt. Erfolgreiche Vermittler bringen Struktur, erklären Zusammenhänge und treffen Entscheidungen nicht für den Kunden, sondern mit ihm.
Viele Vermittler kämpfen mit dem Spagat zwischen Beratung, Dokumentation und Vertrieb. Wo sehen Sie Stellschrauben für mehr Effizienz ohne Qualitätsverlust?
Effizienz entsteht durch klare Gesprächsführung und Fokussierung. Statt in einem Termin drei Themen halb anzusprechen, ist es besser, ein Thema gründlich zu lösen. Dazu gehören Vorbereitung mit Analyse und Checklisten, eine eindeutige Zielsetzung pro Gespräch und ein strukturierter Abschluss mit Vereinbarung des nächsten Schritts. Wer am Ende nur sagt „Ich melde mich“, verliert. Wer sagt „Unser nächster Schritt ist…“, bleibt in Führung – und verkauft besser.
Wenn Kunden sich heute online informieren und mit klaren Vorstellungen kommen – welche Kompetenzen braucht ein Vermittler, um dennoch erfolgreich abzuschließen?
Er muss Entscheidungshilfe statt Produktempfehlung liefern. Ein Beispiel: Der Kunde bringt einen Onlinevergleich zur Privathaftpflicht mit – günstig, aber mit fragwürdigen Leistungen. Dann geht es nicht um eine Preisdiskussion, sondern darum zu prüfen: Passt das wirklich zu seiner Lebenssituation? Der Kunde will ernst genommen werden, aber auch geführt werden. Wer sich auf Augenhöhe begibt, aber dennoch Orientierung gibt, bleibt relevant.
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Sie betonen oft Haltung und Mindset. Welche Rolle spielt die innere Einstellung im Beratungsgespräch?
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Eine sehr große. Wer mit der Haltung „Ich bin nur Dienstleister“ ins Gespräch geht, wird auch so behandelt. Wer aber sagt: „Ich helfe Menschen, ihr Leben besser abzusichern“, verkauft anders. Haltung zeigt sich in Körpersprache, Gesprächsführung und Abschlusswillen. Trainieren lässt sich das durch Reflexion – „Wofür stehe ich als Berater?“ – und durch das tägliche Üben, auch unbequeme Fragen zu stellen. Vertrieb ist innere Klarheit. Ohne die wirkt auch der beste Tarifvergleich nicht.
„Vertrieb ist ein Handwerk“
Gerade junge Makler tun sich schwer mit dem Abschluss. Welche Tipps geben Sie?
Gespräche nicht einfach laufen lassen, sondern führen. Die Abschlussfrage sollte aktiv gestellt werden – zum Beispiel: „Sollen wir das heute gemeinsam auf den Weg bringen?“ Keine Angst vor einem Nein – das ist oft nur ein „noch nicht“. Und: üben, üben, üben. Vertrieb ist ein Handwerk. Wer regelmäßig gute Gespräche führt und sich jedes Mal ein Stück verbessert, gewinnt langfristig.
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Digitalisierung verändert den Vertrieb massiv. Was ist Hype, was bleibt?
Hype ist die Vorstellung, man könne Beratung komplett digitalisieren. Was bleibt, ist der persönliche Kontakt – ergänzt durch digitale Effizienz. Prägend sind Online-Beratungstermine, digitale Unterschriften, KI zur Unterstützung in administrativen Prozessen und Social Media als vertrauensbildende Maßnahme. Aber: Wer glaubt, KI ersetzt Beziehung, wird überholt. Kunden kaufen bei Menschen – nicht bei Prozessen.
Viele Vermittler orientieren sich stark am Preis. Wie gelingt es, den Wert der eigenen Leistung zu betonen?
Indem man über Bedürfnisse spricht, nicht über Beiträge. „Was wäre, wenn Sie heute aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten könnten?“ wirkt stärker als „Ich habe hier eine günstige BU.“ Visualisierungen, nachvollziehbare Argumente und der Bezug zum persönlichen Umfeld machen den Unterschied. Wer den emotionalen Kontext trifft, muss nicht über Zahlen feilschen.
Welche Best Practices empfehlen Sie Maklern, die ihr Geschäft skalieren wollen?
Zielgruppen klar definieren – etwa junge Familien, Akademiker oder Lehrer. Themenwelten entwickeln – wie „Hauskauf absichern“ oder „Ruhestand planen“. Content aufbauen, der Kompetenz zeigt und Anfragen generiert: Videos, Infografiken, Checklisten. Und Empfehlungsmarketing aktiv nutzen – mit einer konkreten Bitte, nicht nur im Nebensatz. Skalierung ist kein Zufall, sondern Ergebnis systematischer Wiederholung.
Wie bleibt man in schwierigen Marktphasen motiviert?
Motivation kommt nicht von außen, sondern durch Sinn. Wer weiß, warum er tut, was er tut – nämlich Existenzen absichern –, bleibt motiviert. Dazu helfen Routinen: fester Wochenstart, Erfolgsjournal, Austausch mit Kollegen. Und Fehler nicht als Niederlage sehen, sondern als Feedback. Kein Kunde sagt „nein“ zum Menschen, sondern nur zu einem Angebot im Moment. Das trennt Profis von Verzweiflern.
Zum Abschluss: Welche drei Fähigkeiten sind für den Vertrieb der Zukunft unverzichtbar?
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Menschen gewinnen können – durch Vertrauen und Persönlichkeit. Klar kommunizieren können – nicht belehren, sondern begeistern. Und sich selbst ernst nehmen – als Unternehmer, nicht nur als Vermittler. Wer das beherrscht, wird nicht mehr gefragt, ob er teuer ist, sondern ob er Zeit hat.
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Hintergrund: Das Interview erschien zuerst im neuen kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 02-2025. Das Magazin kann auf der Webseite des Versicherungsbote bestellt werden. Die Fragen stellte Björn Bergfeld.
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