Der Dieselskandal zieht für Volkswagen eine weitere juristische Niederlage nach sich. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe einen weiteren Schlag versetzt. Das höchste deutsche Zivilgericht erklärte den milliardenschweren Vergleich zwischen dem Autobauer und seinen Manager-Haftpflichtversicherern (D&O) für unwirksam (Az.: II ZR 154/23).

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Der Vergleich sah vor, dass die Versicherer rund 270 Millionen Euro an Volkswagen zahlen, um mögliche Haftungsansprüche gegen aktuelle und ehemalige Führungskräfte abzudecken. Im Gegenzug verzichtete der Konzern auf weitere Schadensersatzforderungen gegen bis zu 170 Top-Manager. Doch genau dieser Verzicht wurde den Aktionären im Rahmen der Hauptversammlung 2021 verschwiegen. Aus Sicht des BGH stellt dies einen so schwerwiegenden Transparenzmangel dar, dass die gesamte Vereinbarung nichtig ist.

Warum der Vergleich scheiterte

Der Kernpunkt des Karlsruher Urteils liegt in der Informationspflicht gegenüber den Anteilseignern. In der Einladung zur Hauptversammlung war lediglich von einem Deckungsvergleich die Rede, nicht aber davon, dass VW gleichzeitig auf eigene Ansprüche gegen Manager verzichten würde. Dieser Punkt hätte nach Auffassung des Gerichts zwingend offengelegt werden müssen, da er wesentliche Auswirkungen auf die Rechtsposition der Aktionäre hat.

Die Konsequenz: Der Vergleich entfällt vollständig, VW muss nun in einer neuen Hauptversammlung über die Sachlage informieren und kann erst danach erneut über einen möglichen Vertrag mit den Versicherern abstimmen.

Folgen für Volkswagen und die Versicherer

Das Urteil bringt Volkswagen in eine missliche Lage. Einerseits hatte sich der Konzern durch den Vergleich erhebliche Rechtssicherheit versprochen: Mit der Zahlung der Versicherer sollte das Risiko weiterer Schadenersatzforderungen gegen Führungskräfte weitgehend abgeschlossen sein. Andererseits drohen nun neue Verhandlungen und möglicherweise langwierige Prozesse.

Zwar haben sich Volkswagen und das Konsortium der Versicherer darauf verständigt, Rückforderungsansprüche vorerst ruhen zu lassen. Dennoch ist offen, ob die Gesellschaften die gezahlten 270 Millionen Euro zurückverlangen könnten, sollte kein neuer Vergleich zustande kommen. Dem Konsortium gehören nach Angaben des Konzerns rund 30 Gesellschaften an, darunter große Namen wie Zurich, Allianz Global Corporate & Specialty und die XL Insurance Company.

Ex-Vorstände Winterkorn und Stadler im Fokus

Auch die Haftungsvergleiche mit den Ex-Vorständen Martin Winterkorn und Rupert Stadler stehen nun auf wackeligen Füßen. Beide hatten sich im Rahmen der 2021 getroffenen Vereinbarungen zu Eigenzahlungen von zusammen 15 Millionen Euro verpflichtet. Während Winterkorn 11,2 Millionen zahlte, waren es bei Stadler 4,1 Millionen Euro. Doch diese Abkommen waren ausdrücklich an die Wirksamkeit des Versicherervergleichs geknüpft. Fällt dieser weg, könnten auch die Deals mit den Ex-Managern hinfällig sein.

Für Winterkorn, der als ehemaliger Vorstandschef die Verantwortung für den Dieselskandal trägt, läuft das Strafverfahren bislang ins Leere. Nach mehrfachen Verzögerungen wurde der Prozess 2024 aus gesundheitlichen Gründen vorläufig eingestellt. Die Schuldfrage bleibt damit unbeantwortet. Anders sieht die Lage bei Rupert Stadler aus. Der frühere Audi-Chef wurde 2023 wegen Betrugs zu einer Bewährungsstrafe und einer Geldauflage von 1,1 Millionen Euro verurteilt.

Für Volkswagen bedeutet das Urteil nicht nur neue juristische Unsicherheit, sondern auch erheblichen Reputationsschaden. Denn erneut steht der Eindruck im Raum, dass Transparenz und vollständige Information der Aktionäre nicht gewährleistet wurden. Ob ein neuer Vergleich zustande kommt, ist offen. VW selbst erklärte zwar, man wolle die Vereinbarungen von 2021 erneut abschließen, da die damaligen Gründe weiterhin gültig seien. Doch ob Versicherer und Aktionäre nach dem BGH-Urteil bereit sind, sich auf die gleichen Bedingungen einzulassen, bleibt abzuwarten.

Klar ist: Der Dieselskandal, der Volkswagen bereits rund 32 Milliarden Euro gekostet hat, ist längst nicht abgeschlossen. Mit jedem neuen Urteil zeigt sich, wie komplex die juristische Aufarbeitung noch immer ist und dass alte Wunden in Wolfsburg nicht verheilt sind.

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