Ein Wasserschaden, ein leerstehendes Haus und die Frage, was „Nutzung“ im Sinne einer Gebäudeversicherung bedeutet. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat am 10. Juli 2025 (Az.: 11 U 179/24) ein Urteil gefällt, das für viele Versicherungsnehmer von Bedeutung sein dürfte. Das Gericht musste klären, ob ein Haus, in dem nach dem Umzug der Eigentümerin ins Pflegeheim noch Möbel stehen, als „genutzt“ gilt. Die Antwort: Nein und das hat Folgen für den Versicherungsschutz.

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Die Klägerin, inzwischen 96 Jahre alt, war im Mai 2022 dauerhaft in ein Altenpflegeheim gezogen. Ihr Wohnhaus blieb zwar möbliert, wurde aber nicht mehr bewohnt. Tochter und Schwiegersohn – letzterer zugleich ihr gesetzlicher Betreuer – schauten wöchentlich nach dem Rechten, erledigten Garten- und Reinigungsarbeiten und aßen gelegentlich vor Ort. Die Wasserversorgung stellten sie normalerweise nach jedem Besuch ab. Doch im April 2023 wurde dies vergessen und auch bei einem weiteren Kurzbesuch vor einer Urlaubsreise nicht kontrolliert.

Am 16. Mai 2023 kam es zu einem folgenschweren Wasserschaden: Eine alte Mischbatterie im Bad brach, Wasser lief unbemerkt über Tage aus. Die Versicherung kürzte ihre Leistung um 80 Prozent, mit der Begründung, es habe eine grob fahrlässige Verletzung der sogenannten „Obliegenheiten“ gegeben. Konkret sei das Haus „ungenutzt“ gewesen, weshalb § 19 Abs. 1 lit. d) der Wohngebäudeversicherungsbedingungen (VGB 2000) vorschreibt: Wasserversorgung abstellen, Leitungen entleeren, Gebäude regelmäßig kontrollieren.

In der ersten Instanz vorm Landgericht Hannover wurde der Klägerin Recht gegeben. Das Haus sei weiterhin „genutzt“ gewesen, allein schon wegen der Möblierung und der Besuche. Daher habe keine Pflicht zum Abstellen der Wasserversorgung bestanden. Zudem sei das Vergessen einmalig und nachvollziehbar gewesen, nicht grob fahrlässig.

Die Richter des OLG Celle sahen dies allerdings anders. Denn ein Wohngebäude, in dem seit mehr als einem Jahr niemand mehr wohnt und in dem nur noch Möbel zurückbleiben, sei im Sinne der VGB „ungenutzt“. Die eigentliche versicherte Nutzung sei das Wohnen. Die bloße Lagerung von Hausrat zähle nicht. Entscheidend sei nicht, ob Möbel im Haus stehen, sondern ob es dauerhaft bewohnt wird.

Damit bestand die Pflicht, die Wasserversorgung komplett abzusperren. Diese Pflicht wurde verletzt und zwar grob fahrlässig. Zwar wertete das Gericht das erste Versäumnis im April 2023 noch als einfach fahrlässig. Doch das wiederholte Unterlassen wenige Tage später – trotz bevorstehender längerer Abwesenheit – sei nicht mehr entschuldbar. Hinzu kam, dass das Haus 20 Tage lang nicht kontrolliert wurde, bis der Schaden auffiel.

Anders als die Versicherung hielt das OLG eine Leistungskürzung um 80 Prozent jedoch für überzogen. Grobe Fahrlässigkeit erlaubt zwar eine Kürzung, die Quote muss sich aber am tatsächlichen Verschuldensgrad orientieren. Hier habe der Betreuer sonst zuverlässig die Wasserversorgung abgestellt. Zudem sei die Wahrscheinlichkeit eines solchen Schadens eher gering. Das Gericht setzte die Kürzung auf ein Drittel fest. Ergo muss die Versicherung zwei Drittel des Schadens übernehmen. Überdies muss der Versicherer der Klägerin alle Schäden ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass sie seit Ende Mai 2023 zu wenig gezahlt hat. Damit war sie im Zahlungsverzug. Einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten konnte die Klägerin hingegen nicht schlüssig darlegen.

Das Urteil weicht von einer Entscheidung des OLG Schleswig aus dem Jahr 2011 ab, das in einem ähnlich gelagerten Fall noch von einer Nutzung ausgegangen war, solange Möbel im Haus standen. Das OLG Celle macht derweil klar, dass bei einer Wohngebäudeversicherung die maßgebliche Nutzung das Wohnen ist und eben nicht das Lagern von Möbeln. Wer dauerhaft auszieht, muss sein Haus sichern, auch wenn noch Inventar darin ist. Angesichts der demografischen Entwicklung und häufiger Fälle, in denen Senioren ins Pflegeheim umziehen, dürfte diese Rechtsfrage künftig öfter relevant werden. Das OLG hat daher die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.