Hierzu fällte das Oberlandesgericht (OLG) München einen Hinweisbeschluss vom 09.09.2019 (Az. 25 U 3910/19) – der anschaulich macht, wann ein Sturmschaden gemäß den Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen vorliegt.

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Was führte zu dem Streit vor Gericht? Ein im westlichen Teil Mittelfrankens beheimateter Grundstückbesitzer hatte in seinem Gehöft einen Schaden erlitten. Verursacht sah er diesen Schaden durch einen schweren Sturm vom 29.05.2016. Freilich: Der Schaden trat erst später ein. Denn durch diesen Sturm und nachfolgenden und dauerhaften Regen wurde Wasser ins Innere einer Mauer des Gehöfts getrieben, verursacht auch durch Risse in den Mauerwerksfugen. Aufgrund der Vernässung des Mauerwerks kam es dann – sechs Tage nach dem Sturm am 04.06.2016 – zum Einbruch der Mauer.

Der Geschädigte wollte nun einen Sturmschaden bei seiner Versicherung geltend machen und meinte, er könne sich hierfür auf die Versicherungsbedingungen seiner Wohngebäudeversicherung berufen. Leistungen für den entstandenen Schaden jedoch lehnte der Versicherer ab. Seien doch Schäden wie der entstandene nicht durch die Gebäudeversicherung abgedeckt. Also klagte der Versicherungsnehmer auf Ersetzen des Schadens – zunächst vor dem Landgericht (LG) Ingolstadt. Das Landgericht jedoch wies die Klage ab (Az. 21 O 1634/17), weswegen der Versicherungsnehmer beim Oberlandesgericht (OLG) München Berufung einlegte. Erneut allerdings ohne Erfolg: Mit Hinweisbeschluss vom 09.09.2019 (Az. 25 U 3910/19) wurde dem Kläger nahe gelegt, die Berufung zurückzunehmen. Denn nach einstimmiger Auffassung des zuständigen Senats hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

Geforderte Bedingung für Schadenleistungen: Die Unmittelbarkeit des Sturms

Was aber führte zu dem deutlichen Hinweis, dass einem Berufungsverfahren keine Aussicht auf Erfolg beschieden ist? Mehrere Gründe machte das Oberlandesgericht – in Bestätigung der Vorinstanz – hierfür geltend. Maßgebend war insbesondere § 4 der Allgemeinen Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB) mit Stand 2010 – dort sind die versicherten Naturge fahren und Schäden de finiert sowie Bedingungen, zu denen die Versicherung bei derartigen Schäden leistet. So zählt Sturm zwar zu den versicherten Naturgefahren – als eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8 nach Beaufort (Windgeschwindigkeit mindestens 62 km/h). Geleistet wird jedoch nur, wenn der Sturm unmittelbar auf versicherte Sachen oder Gebäude einwirkt oder unmittelbar auf weitere Gebäude, die mit dem versicherten Gebäude verbunden sind. Ist dies der Fall, leistet die Versicherung freilich auch für Folgeschäden. Eine solche Unmittelbarkeit jedoch fehlte laut Gericht bei dem verhandelten Schaden.

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Denn die Versicherung muss im Sinne dieser Bedingung nur leisten, sobald die versicherte Sache durch den Druck oder den Sog aufprallender Luft beschädigt oder zerstört wird. Bei einer durch längere Regenfälle sich hinziehenden Vernässung trifft dies jedoch nicht zu – dann ist der kontinuierliche Regen, nicht aber der vorausgehende Sturm Ursache für den Schaden. Zwar könnten die stürmischen Winde das Schadensereignis beschleunigt haben, indem mehr Wasser in das Innere der Mauer getrieben wurde. Dies aber reiche für die geforderte Unmittelbarkeit gemäß VGBs nicht aus, da durch den Regen eine weitere Ursache zwischen den Sturm und den Einsturz der Mauer hinzugetreten ist.

Kann man Regen „werfen“?

Freilich: Die klagende Partei des Versicherungsnehmers wollte es vor Gericht nicht bei einer behaupteten Unmittelbarkeit belassen. Stattdessen berief man sich auf eine weitere Bedingung, zu der für einen Sturmschaden gemäß § 4 VGB geleistet werden könnte. Denn versichert sind auch Sturmschäden, die wie folgt entstehen: Der Sturm wirft Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf versicherte Sachen oder wirft die Gegenstände auf Gebäude, in denen sich versicherte Sachen befinden. Daraus entstehende Folgeschäden an versicherten Sachen sind ebenfalls versichert. Oder der Sturm wirft Gebäudeteile, Bäume oder andere Gegenstände auf Gebäude, die mit dem versicherten Gebäude verbunden sind, woraus Schäden entstehen. Aber kann man denn Regen tatsächlich „werfen“? Mit dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht München ebenfalls auseinander setzen.

Zunächst gab der zuständige Senat zu: Der Begriff des „Gegenstandes“ wird in Literatur und Rechtsprechung mitunter weit ausgelegt – aus diesem Grund könnten tatsächlich auch Schäden durch Hagel, Schnee oder Regen unter die Bedingung fallen. Aus zwei Gründen jedoch kann der klagende Versicherungsnehmer dies nicht für den vorliegenden Fall geltend machen.

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Denn zum einen muss dann der Regen wieder unmittelbar im Zusammenhang mit dem Sturm den Schaden verursacht haben – zum Beispiel in Verbindung mit dem Druck oder Sog während des Sturms. Demnach muss der Schaden, trotz des aufprallenden Regens, durch die Windstärke verursacht sein. Laut Gutachten eines Bausachverständigen aber war nicht die Windstärke, sondern die Dauer des Regens entscheidend für das Schadenereignis. Schon deswegen standen Regen und Sturm nicht in einem Zusammenhang, dass erneut der Versicherer in die Leistungspflicht kommt.

Jedoch hat zum anderen das Oberlandesgericht auch dargelegt, dass es große Zweifel hat, ob es eine solche weite Auslegung des Begriffs „Gegenstand“ überhaupt mit tragen würde, der auch Regen zu einem Wurfgegenstand werden lässt . D enn die Versicherungsbedingungen seien grundsätzlich nach dem Sprachgebrauch des täglichen Lebens auszulegen. Und im Sinne dieses Sprachgebrauchs betrifft das „Werfen“ von „Gegenständen“ körperliche Gegenstände. Zwar könne man sich unter bestimmten Voraussetzungen noch vorstellen, Schnee „zu werfen“. Jedoch würde sich nach dem allgemeinen Sprachgebrauch kaum der Sinnzusammenhang ergeben, der auch Schäden durch Regen unter die maßgebende Klausel fasst.

Beweislast liegt beim Versicherungsnehmer Obwohl sich das Oberlandesgericht München die Mühe machte, all diese Entscheidungsgründe auszuführen, können diese Gründe letztendlich aber sogar dahinstehen. Denn schon eine wichtige Vorbedingung für einen Schadenfall im Sinne der Wohngebäudeversicherung war gar nicht gegeben: Der Beweis, dass überhaupt ein Sturmschaden vorlag. Die Beweislast nämlich, darauf weist das Oberlandesgericht hin, liegt beim Versicherungsnehmer. Der Versicherungsnehmer muss nachweisen, dass am Schadenstag auf dem versicherten Grundstück ein Sturm mit Windstärke 8 herrschte. Und das war im verhandelten Fall misslungen.

Die klagende Partei des Versicherungsnehmers wollte sich nämlich auf ein Sachverständigen-Gutachten des Deutschen Wetterdienstes berufen, wonach am 29.05.2016 am Schadensort sehr wahrscheinlich Windstärke 7 nach Beaufort erreicht wurde. Aufgrund der Wetterlage und örtlicher Gegebenheiten seien ferner wahrscheinlich auch Windspitzen der Windstärke 8 nach Beaufort aufgetreten – es sei also ferner auch Sturm aufgetreten im Gebiet des versicherten Grundstücks. Der Beweis einer solchen Wahrscheinlichkeit jedoch, die nur Windstärke 7 „sehr wahrscheinlich“ macht und die Möglichkeit eines Sturmschadens eröffnet, nimmt eine Versicherung noch nicht in die Leistungspflicht.

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Denn es muss mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden, dass am Schadensort eine Windgeschwindigkeit von mindestens 62 km/h und damit Windstärke 8 geherrscht hatte. Ist die Windstärke jedoch nicht feststellbar, muss die Luftbewegung in der Umgebung des Versicherungsgrundstücks Schäden an Gebäuden in einwandfreiem Zustand oder an ebenso widerstandsfähigen anderen Sachen angerichtet haben – hier greift wieder die Bedingung der Unmittelbarkeit. Eine solche Unmittelbarkeit jedoch zeigte sich im verhandelten Schaden nicht. Demnach gelang dem Kläger nicht einmal der Nachweis, dass überhaupt Wetterbedingungen für einen Sturmschaden vorlagen.

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