Pflegeversicherung ist „Notfallpatient auf der Intensivstation“
Heute startet die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform – und der Reformdruck ist hoch: Der Bundesrechnungshof warnt in einem aktuellen Bericht vor einer dramatischen Schieflage der Sozialen Pflegeversicherung (SPV). Zeitgleich legt der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) einen 10-Punkte-Plan vor, der einen Paradigmenwechsel in der Pflegefinanzierung fordert.

Bundesrechnungshof: „Finanzlage dramatischer als bisher eingeräumt“
Wie übereinstimmend mehrere Medien berichten, schlägt der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages deutliche Töne an. Die Finanzlage der Pflegeversicherung sei „dringend zu stabilisieren“ und Reformen müssten „in dieser Legislaturperiode endlich umgesetzt“ werden. Ein vom Bundesgesundheitsministerium geplantes Darlehen zur kurzfristigen Überbrückung werde die strukturellen Probleme nicht lösen, sondern lediglich Zeit erkaufen.
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„Der Rechnungshofbericht zeigt: Die Lage in der Pflegeversicherung ist dramatischer als bisher eingeräumt“, sagte DAK-Chef Andreas Storm gegenüber der dpa. Die Pflegeversicherung sei neben der Krankenversicherung ein weiterer „Notfallpatient auf der Intensivstation“. Storm fordert – wie auch der Deutsche Gewerkschaftsbund – eine Rückzahlung der offenen Corona-Auslagen in Höhe von 5,2 Milliarden Euro an die Pflegekassen sowie weitergehende Strukturreformen.
Auch DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel mahnt ein Umdenken an: Gute Pflege müsse sich am Bedarf orientieren, menschenwürdig funktionieren – und dürfe nicht zur Armutsfalle werden.
Startschuss für Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Pflegereform
Vor diesem Hintergrund nimmt heute eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung von Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) ihre Arbeit auf. Ziel ist es, noch in diesem Jahr konkrete Vorschläge zur finanziellen Stabilisierung der Pflegeversicherung vorzulegen. Im Koalitionsvertrag ist unter anderem festgehalten, dass die steigenden Eigenanteile der Pflegebedürftigen begrenzt werden sollen.
PKV-Verband legt 10-Punkte-Plan zur Pflegereform vor
Der PKV-Verband nutzt den Start der Arbeitsgruppe, um eigene Vorschläge zu unterbreiten. Der Verband fordert einen „echten Paradigmenwechsel“: Statt die umlagefinanzierte Pflegeversicherung weiter auszudehnen, solle Eigenverantwortung und kapitalgedeckte Vorsorge gestärkt werden. Die private und betriebliche Pflegevorsorge sei „Teil der Lösung“, so PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther.
Der 10-Punkte-Plan des Verbandes umfasst Maßnahmen zur Finanzierung, Leistungsvereinfachung und Prävention:
- Kapitaldeckung stärken: Nachhaltige Finanzierung durch freiwillige, staatlich geförderte Pflegevorsorge.
- Pflegevorsorgefonds erhalten: Die Eigenständigkeit des bestehenden Vorsorgefonds der PKV soll bestehen bleiben.
- Pflege-Betriebsrente ermöglichen: Arbeitgebern soll es erleichtert werden, Pflegevorsorge für Beschäftigte anzubieten.
- Prävention stärken: Maßnahmen zur Vermeidung oder Verzögerung von Pflegebedürftigkeit sollen gezielt gefördert werden.
- Leistungen vereinfachen: Pflegeleistungen sollen flexibler und verständlicher gestaltet werden.
- Entbürokratisierung umsetzen: Pflegedokumentation und Abrechnungen sollen vereinfacht werden.
- Pflegebedürftige entlasten: Bürokratiearme Hilfen für Betroffene und Angehörige sollen Priorität haben.
- Pflegekräfte entlasten: Durch digitale Lösungen und Entlastung von Verwaltungsaufgaben.
- Wettbewerb stärken: Mehr Transparenz über Qualität und Kosten verschiedener Pflegeangebote.
- Demografie-resiliente Finanzierung: Langfristige Stabilität durch ergänzende kapitalgedeckte Vorsorge.
Der PKV-Verband bietet der Bundesregierung seine „volle Unterstützung“ bei der Umsetzung an. Man bringe jahrzehntelange Erfahrung mit nachhaltiger Finanzierung in die Debatte ein.
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