Ein Generationswechsel steht schon fest. Prof. Dr. Bert Rürup, der den MCC-Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ 24 Jahre lang moderiert und fachlich begleitet hat, übergibt den Staffelstab an Prof. Dr. Martin Werding, Prof. für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen, einem der Wirtschaftsweisen. Die Überschrift der Veranstaltung lautet „Aktuelle Entwicklungen in einem dynamischen Markt“.

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„Gegenwärtig erleben wir eine antizyklischen Rentenpolitik“

Prof. Rürup gibt einen Überblick über die Rentenpolitik der vergangen Jahrzehnte. Die Rentenpolitk hat in der Geschichte mit der Konjunktur geatmet. Läuft es gut, gibt es Verbesserungen, die später wieder kassiert wurden. Die Rücknahmen erfolgten in rezessiven Zeiten. In der letzten Zeit gab es nur Leistungsverbesserungen. Das sei eine Abkehr von dieser Parallelität.
Von 38 Industrienationen würden 30 das Äquivalenzprinzip gar nicht kennen. Auch Österreich und die Schweiz nicht, die in den Talkshows gerne als Vorbilder genannt werden. Innerhalb der Rente findet keine Umverteilung statt. Das deutsche Rentensystem ist nicht besonders generös.

„Mischsysteme sind Monosystemen in der Rente überlegen“

Die Einführung des Generationenkapitals begrüßt er ausdrücklich und hat auch gleich einen Vorschlag in der Tasche. Statt die demnächst zu erwartenden Ausschüttungen zur Stabilisierung der Beiträge zu verwenden, sollten damit lieber die niedrigeren Renten erhöht werden. Insbesondere in den neuen Ländern wird es zu einer großen Altersarmut kommen. Es gibt kaum Betriebsrenten und private Altersvorsorge. Die Aufstockung könnte den Armutsschub begrenzen. Das wäre eine Umverteilung ohne Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip der Beitragszahlung zur Rente. Ein gangbarer Weg.

Andrea Nahles meldete sich mit einem Grußwort per Video. Der Arbeitsmarkt sei stabil, zeige aber eine Spaltung. Fachkräfte würden händeringend gesucht. Weniger Qualifizierte kämen nicht so leicht aus der Arbeitslosigkeit heraus. Gleichwohl seien noch nie so viele Menschen in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung gewesen, wie heute.

Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg, der auch in diesem Jahr den angekündigten Minister Hubertus Heil vertrat, griff den Gedanken auf. „Heute ist der Josephs-Tag. Joseph ist der Patron der Arbeit“, sagte er. Deutschland war und ist ein Land der Arbeit. 46 Millionen gehen gerade zur Arbeit. Sie sorgen für die eigene Sicherheit. 21 Millionen sind in Rente.

Deutschland kann sich das Umlagesystem leisten

Explizit ging Schmachtenberg auf Berichterstattung ein, die behauptet, die Rente würde die Staatsfinanzen überlasten. „Wie hoch war der Anteil der Rente am BIP 1975 im Verhältnis zu 2022“, fragte er in die Runde um die Antwort gleich selbst zu geben: 1975: 9,4% und 2022: 9,3%
Das heißt der Anteil, den die Volkswirtschaft für die Rente erwirtschaftete, ist nicht gestiegen. Seit 11 Jahren sei er unter 10%. Die Zahl zeige: Die Wirtschaft wurde und wird nicht von der Rente erschlagen. Alle fünf Gründungsmitglieder der EU, sowie Österreich und die Schweiz gäben viel mehr für die Rente aus.
Den Vorschlag von Professor Rürup fand auch Schmachtenberg durchaus interessant. Auch er sah die Situation in den ostdeutschen Bundesländern. Die Grundrente zu erhöhen, könne eine gute Idee sein. Sie leiste jetzt schon wertvolle Dienste.
Die Einbeziehung der Selbständigen wird auf den Weg gebracht. Es werde vermutlich auf eine Pflicht mit Opt-Out hinauslaufen. Details werden nun erarbeitet und zeitnah vorgelegt.

Als Ergänzung der gesetzlichen Rente hat für das Arbeitsministerium die betriebliche Altersversorgung Priorität. „Das BRSG bietet weiter hohe Potentiale“, sagte Schmachtenberg. Die Zahl der bVA-Nutzer sei immer noch viel zu niedrig, die Ängste gegenüber dem Kapital seien zu groß. Und es gäbe einen Fetisch in Bezug auf die Nominalgarantie. Das Sozialpartnermodell will die Garantie durchbrechen, denn Garantien sind teuer und schmälerten nun einmal die Rendite.
Angesprochen auf die Weiterentwicklung der privaten Altersvorsorge sagte Schmachtenberg, dass die Abkehr vom Obligatorium und das Festhalten an der Garantie die Geburtsfehler der Riester-Rente gewesen seien. Daran gelte es nun zu denken.

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„Ich bin dafür, damit wir eine Neid- und Spaltungsdebatte zu beenden“

Schmachtenberg konnte sich auch vorstellen, Beamte in die gesetzliche Rente einzubeziehen. Dafür spräche, dass das System transparenter wäre und eine Gerechtigkeitslücke geschlossen würde. Allerdings seien Beamte ein schlechtes Risiko für die GRV. „Raucher wären mir lieber“, sagte er mit Augenzwinkern. Beamte würden länger leben. Dennoch: „Hätten wir alle in der GRV, erreichen wir auch die mit gebrochenen Erwerbslebensläufen“, unterstrich Schmachtenberg seine Sympathie für die Idee. Die Gegenargumente, die mit Grundgesetz-Problemen oder der Finanzierung zusammenhängen, seien lösbar. Aber es stehe nicht im Koalitionsvertrag.

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