Prof. Bert Rürup gab sich alle Mühe. Mehrfach fragte er bei der Podiumsdiskussion auf dem Kongress „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ in Berlin nach. Doch die vier Politik-Profis antworteten zwar, sagten aber nichts. Es waren nur vier, weil die Vertreter von Bündnis90/Grüne und AfD kurzfristig abgesagt hatten. Die Frage war: Wie lösen wir das Renten-Problem der kommenden 5-15 Jahre? Bis 2042 sei eine steigende Anspannung in der Demografie zu erwarten. Diese Entwicklung sei langfristig vergleichsweise sicher prognostiziert. Darauf hatte zuvor schon Prof. Dr. Martin Werding, Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, hingewiesen.

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Altersarmutswelle in den ostdeutschen Bundesländern: Man mag sich gar nicht ausdenken, was das für die Partei-Präferenzen in Zukunft bedeutet.

Und mehrfach wurde an diesem Tag ein Umstand benannt, der besonderen politischen Sprengstoff enthält. In den ostdeutschen Bundesländern droht eine Armutswelle unter den Rentnerinnen und Rentnern. Hintergrund ist, dass es kaum private und betriebliche Altersvorsorge gäbe und auch die Wohneigentumsquote geringer sei als in den westdeutschen Ländern. Interessant war, dass lediglich Matthias W. Birkwald (Die Linke) einen konkreten Vorschlag machte. „10% mehr Rente kosten 38€ im Monat“ rechnete er vor. „Wenn es etwas dafür gäbe, zahlen die Leute gerne 1% mehr.“ Es brauche eine solidarische Grundrente von 1200€. Das Modell würde 12 Milliarden Euro kosten. Das ist soviel, wie die Bundesregierung gerade in das Generationenkapital stecke.

Anja Schulz (FDP) sagte, dass das Problem sei, dass die Bevölkerung nicht verstanden habe, dass die gesetzliche Rente nicht lebensstandardsichernd ist. Das klang schon nach einer leichten „Watschn“. Zum Vorschlag vom Matthias W. Birkwald sagte sie: „1% sind alleine für die Arbeitgeber 8 Milliarden Euro Mehrkosten.“ Das seien keine Peanuts. Was die Kapitaldeckung angeht, so verwies sie darauf, dass bereits Ludwig Ehrhardt dafür gewesen sei, wobei sie sich aber von Prof. Rürup den launischen Konter einfing, dass die FDP damals dagegen gestimmt habe. Schulz hätte am liebsten eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild, das habe man aber in dieser Koalition nicht durchsetzen können. Außerdem würde sie gerne Rentengeschenke der Vergangenheit zurücknehmen und das Renteneintrittsalter flexibilisieren.

Eine echte Ohrfeige teilte allerdings Max Straubinger (CSU) aus, die selbst bei diesem Auditorium ein Raunen verursachte: „Sparen hängt auch vom Sparwillen ab“, sagte er. Allerdings schob er nach, diesen Willen wecken und fördern zu wollen. Außerdem wartete er mit Zahlen auf, die das Problem kleiner machten. Es seien nur 3,5% der Älteren auf Grundsicherung angewiesen. So schlimm könne das Problem demnach nicht sein. Womit er ebenfalls der Antwort auf die Frage auswich, was in 10 Jahren mit der Rente ist. Denn, dass es heute ganz gut aussieht, darin waren sich alle Tagungsteilnehmenden einig. Er wolle aber über das Renteneintrittsalter nachdenken. Vielleicht unterstützt durch staatliche Anreize. Und die Frühverrentung gehöre abgeschafft. Was den Osten angeht, habe die Union einen Vorschlag gemacht: es solle einen Zuschlag für langjährig Versicherte geben. Ferner wolle er die Bürger entlasten, damit überhaupt Liquidität zum Sparen da sei.

Systemverlierer auffangen, ohne sie in die Grundsicherung zu schicken

Dr. Tanja Machalat (SPD) gab zu, dass es kein Patentrezept für das Rentenproblem in den ostdeutschen Bundesländern gäbe. Man müsse sich die Grundrente noch einmal anschauen. Systemverlierer müssten aufgefangen werden, ohne sie in die Grundsicherung zu schicken. Aber: Das sei ein Problem für die nächste Legislaturperiode. Wie praktisch für sie.

Mit einem leicht resignierten Unterton sagte Prof. Rürup: „Das vor der Haustür liegende Problem lösen wir nicht. Die Armutswelle im Osten ist der Lackmustest für das gesamte System.“

Birkwald wollte auch weitere Verlierer in Erinnerung rufen, um sein Konzept einer solidarischen Grundrente zu unterstreichen: „Die Menschen in den schwierigsten Jobs bekommen weniger Lohn, weniger Rente und sterben früher. Das ist eine erhebliche soziale Schieflage“, sagte er und wollte gerade dieser Gruppe kein höheres Renteneintrittsalter zumuten. Frau Dr. Machalat durfte noch eben sagen, dass sie sich eigentlich eine Erwerbstätigenversicherung wünsche und das die Armut im Osten zeige, dass es gute Tariflöhne und bessere Erwerbsbiografien brauche.

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