Um die Rentenversicherung langfristig wetterfest zu machen, muss unabhängig vom neuen Rentenpaket jedoch Vieles passen: "Wir müssen alle Register ziehen, um mehr Frauen, mehr qualifizierte Zuwanderer und mehr Ältere in Arbeit zu bringen.", fordert Heil. Sonst könne "der Fachkräftemangel zu einer dauerhaften Wachstumsbremse" werden. Dass der Ernst der Lage rund um das bestehende Rentensystem in der Bundesregierung erkannt wurde, zeigt auch die Antwort auf die Eingangsfrage: "Herr Heil, wie sicher ist die Rente?". Auf diese antwortet der Bundesarbeitsminister: "Die Rente muss dauerhaft gesichert werden. Wir haben in den letzten Jahren eine gute Entwicklung erlebt, weil die Beschäftigung auf Rekordniveau ist."

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Es war keine Antwort im Stile des früheren Bundesarbeitsministers Norbert Blüm, der einst “die Rente ist sicher“ sagte und damit einen politischen Grundsatz formulierte, der sich in die Köpfe der Deutschen einbrannte. Anno 2013 revidierte der CDU-Politiker seine Aussage: „Die Rente wäre sicher gewesen“, so Blüms Credo – wenn, ja wenn kein Systemwechsel hin zu mehr privater Altersvorsorge stattgefunden hätte. Blüm hatte dabei insbesondere die Problemathik des sinkenden Rentenniveaus im Blick. Während das Netto-Rentenniveau im Jahr 1985 noch 57 Prozent betrug, ist das Niveau in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgesenkt worden. Laut dem aktuellen Rentenversicherungsbericht könnte das Rentenniveau von derzeit 48,2 Prozent auf 46,9 Prozent im Jahr 2030 und auf 45 Prozent im Jahr 2037 sinken.

Ergo könnte der Leser aus den Worten von Hubertus Heil auch herauslesen, dass die Rente nicht so sicher ist. Oder, dass nur wegen der Beschäftigung auf Rekordniveau, die Beiträge zur Rentenversicherung noch bei nur 18,6 Prozent liegen und das Rentenniveau nicht noch niedriger liegt. Bei der Betrachtung der Entwicklung komplett außen vor blieb auch diesmal der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung. Alles in allem summierten sich die Zuschüsse des Bundes im Jahr 2023 laut Finanzschätzung auf fast 113 Milliarden Euro. Der größte Posten ist mit rund 75 Prozent der Zuschuss an die allgemeine Rentenversicherung. Dieser Zuschuss habe bei rund 84,3 Milliarden Euro gelegen. Ohne diesen Bundeszuschuss würde es wohl eher düster in der Rentenkasse aussehen. Denn die Deutsche Rentenversicherung erwartete laut hauseigener Schätzungen einen Einnahmeüberschuss von 1,1 Milliarden Euro.

Ein Grund für die guten Zahlen der Rentenversicherung findet sich in der guten Entwicklung der Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit: Sie erhöhten sich 2023 gegenüber dem Vorjahr um 5,4 Prozent auf 258,6 Milliarden Euro. An der Stelle ist ein weiterer Aspekt noch nicht eingepreist. Denn die Babyboomer-Generation wird sich in den kommenden Jahren Schritt für Schritt in den Ruhestand verabschieden. Laut Statistischem Bundesamt werden in den kommenden 15 Jahren rund 12,9 Millionen Erwerbspersonen in den Ruhestand wechseln. Es sind die geburtenstärksten Jahrgänge in der Geschichte der Bundesrepublik, die zeitnah den Arbeitsmarkt verlassen und folglich auch keine Pflichtbeiträge aus Erwerbstätigkeit mehr einbringen.

Sollen die angedachten Reformen der Bundesregierung tatsächlich langfristig helfen, bedarf es eines großen Wurfs. Ein Dreiklang, der keine Einschnitte mit sich bringt, wird wohl nicht helfen. Auch ein Generationenkapital in das jährlich 12 Milliarden Euro fließen sollen, wirkt in der Gesamtkonstellation wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, warnte im vergangenen Jahr: „Wenn man das Rentenniveau so wie geplant halten will und gleichzeitig die Beitragssätze begrenzen, dann müsste noch viel mehr Geld aus dem Bundeshaushalt in die Rentenkasse fließen“, sagt Schnitzer.

Derzeit zahle der Bund bereits gut 113 Milliarden Euro in die Rentenkasse ein: ein Viertel des gesamten Bundeshaushalts. „Wenn wir es so laufen lassen, müsste der Bund in 25 Jahren mehr als die Hälfte des Haushalts dafür ausgeben“. Das aber könne nicht funktionieren, da das Geld dem Bund dann für notwendige Zukunfts-Investitionen fehlen würde: etwa für Bildung, Infrastruktur und Energiewende. Die fehlenden Investitionen behindern dann auch die Wirtschaft, die den Sozialstaat letztlich finanziere. „Wir hätten keinen Handlungsspielraum mehr für die wirklich großen Aufgaben“, gibt Schnitzer zu bedenken.

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