Herr Skaletz, welche Anpassungen waren in der Rückversicherung im abgelaufenen Geschäftsjahr erforderlich?

Anzeige

Rüdiger Skaletz: Nun, TransRe ist ein Bestandteil des Gesamtmarktes und eingebunden in die vorherrschenden Marktzyklen. In 2023 haben wir es mit einem Zyklus zu tun gehabt, der in den meisten Versicherungszweigen Anpassungen forderte, an deren Umsetzung wir partizipieren konnten und aktiv beteiligt waren. Lagen nicht in vollem Umfang technisch ausgereifte Bedingungen und Konditionen vor, so haben wir uns nur dann in gewünschtem Umfang beteiligt, wenn erste Schritte zur Verbesserung erkennbar waren. Insofern kann angemerkt werden, dass es keinen ganzheitlichen Zyklus gibt, sondern einzelne Versicherungszweige einem eigenen Zyklus unterliegen. Durch unsere Portfoliosteuerung und der damit entstandenen ausgereiften Komposition unseres Portfolios haben wir es über mehrere Dekaden erreicht, einen stabilen Ausgleich im Portfolio zu erreichen. Diesen Weg haben wir nach einigen Jahren mit belastenden Katastrophenschäden eingeschlagen, das Portfolio angepasst und rechtzeitig, wie andere Versicherer auch, unsere Kapazität an Katastrophendeckungen in 2022/2023 reduziert. Diese Strategie war und wird auch in Zukunft die Basis für eine erfolgreiche Fortführung unserer technisch fundierten Underwritingpolitik sein. Dabei konzentrieren wir uns auf die Nachhaltigkeit der Geschäftsbeziehungen, Fairness in Verhandlungen und die Aussicht auf Rekuperationsmöglichkeiten.

TransRe zeigt seit mehr als 40 Jahren einen professionellen Auftritt im Rückversicherungsmarkt. Welche Stärken schätzen Ihre Kunden an ihrem Unternehmen?

Skaletz: Die lokale Präsenz eines US-amerikanischen Rückversicherers ist ein unschätzbarer Wert. Unsere Kunden partizipieren direkt an unseren Erfahrungen, nutzen das lokale Know-how und den verfügbaren Service. Eine besondere Rolle spielt nach wie vor die ausnahmslos persönliche Betreuung, solide und verständnisvolle Kolleginnen und Kollegen, die eine Konstante bilden und unsere Kunden bereits über viele Jahre hinweg betreuen. Flache interne Strukturen ermöglichen schnelle und kompetente Entscheidungen. Besondere Wertschätzung erfährt unsere finanzielle Stärke, die uns in die Lage versetzt, zugesagte Leistungen jederzeit erfüllen zu können.

Wie sehen sie im Rückblick die Prolongation 2024? Captives wurden etabliert, Selbstbehalte der Erstversicherer angehoben und Beiträge auf ein neues technisches Niveau gehoben. Werten Sie die notwendigen Maßnahmen als erfüllt an oder gibt es noch einen weiteren Schritt hin zu Angleichungen an technisch angepasste Prämien?

Skaletz: Die Prolongation 2024 ist in zwei Zeitreihen aufzuteilen. Zu Beginn der Erneuerung mit den ersten Gesprächen in Monte Carlo und Baden Baden gab es kaum nachvollziehbare Trends. Es bestand Unsicherheit hinsichtlich der Kapazität im Katastrophenbereich und dem Preisniveau, das die Platzierbarkeit der Deckungen ermöglichen kann. Die ersten Quotierungen haben den Weg gewiesen und wurden von den meisten Versicherern als akzeptabel bewertet. Viele Rückversicherer und Investoren haben entsprechend Kapital und Kapazität zur Verfügung gestellt. Der Gesamtmarkt hat den Ausgleich gegenseitiger Positionen Anfang Dezember gefunden. Eine hohe Bereitschaft zur Prolongation war absehbar und es war Mitte Dezember klar, dass ausreichend Kapazität für die Kunden zur Verfügung stand. Unter Berücksichtigung der zu erwartenden weiteren Entwicklungen in 2024 war dies ein wichtiger erster Schritt, dem weitere folgen müssen.

Bei der Vertragsgestaltung wurden deutliche Anpassungen vorgenommen. Die Selbstbehalte waren über viele Jahre nicht angepasst worden, die Exponierung ist durch Wertzuwachs und Inflation jedoch entsprechend in die Deckungen hineingewachsen, ohne dass die Preise angepasst wurden. Angesichts der hohen Schadenfrequenz war eine Korrektur überfällig. Mit Hilfe des Risikomanagements und der besten Aktuare ist es gelungen, die Beiträge auf ein technisch akzeptables Niveau anzuheben. Damit ist die zweite Zeitreihe zunächst abgeschlossen. Im Jahr 2024 wird TransRe sehr genau beobachten, ob die befürchteten steigenden Frequenzen von Ereignissen kumulieren mit einer wieder einsetzenden höheren Inflation, sodass weitere Anpassungen der Beiträge nach oben erforderlich werden.

Das Thema Captive findet im Industriebereich großes Interesse: Unternehmen gründen eigene Risikoträger, um sich quasi selbst gegen bestimmte Risiken abzusichern. Verbleibt die spannende Frage, warum werden Captives gegründet?

Anzeige

Skaletz: Die Antwort ist recht einfach. Versicherer konnten ihre Forderungen in der Vergangenheit nach höheren Beiträgen bei bestimmten Industrieunternehmen nicht durchsetzen. Versicherer hatten keine Chance auf Rekuperation. Dies war nicht nachhaltig und die Versicherungsindustrie musste ihre Kapazität reduzieren, um die finanzielle Stärke nicht zu gefährden. Versicherer hatten hohe Verluste eingefahren, die nicht mehr zu vertreten waren. Als Folge hat die produzierende Industrie nach Lösungen zur Reduzierung der Kostensteigerung gesucht und dies in der Gründung von Captives gesehen. In der Erwartung, dass das eigene Unternehmen keine oder niedrigere Schäden produzieren wird, gehen diese Unternehmen in die Selbstversicherung. Wenn die Konstruktion und das Risk Management in Ordnung sind, kann dies eine gute Ergänzung zu Deckungen der Versicherer sein. Die Vergangenheit hat aber auch gezeigt, dass nicht alle Captives überlebt haben. Die Kosten, Strukturen, Komplexität von internationalen Programmen und die potentiellen Schäden und deren Abwicklung wurden unterschätzt. Dennoch sei den Captives jeder Erfolg gegönnt und der Weg zurück zur Versicherungsindustrie steht zu akzeptablen Bedingungen und Konditionen jederzeit offen.

"Keine Industrie kann auf Dauer Verluste aushalten"

Haben sich aus den Erkenntnissen der Zeichnungen im Jahr 2023/24 bereits Entscheidungen zu Änderungen der Strategie ergeben, die in 24/25 ihre Wirkung zeigen? Unter welchen Umständen werden Sie Ihre Kapazitäten nach Kundenbeziehungen oder Produktlinien neu ordnen und einsetzen?

Skaletz: Da bitte ich um Verständnis. Wir sind derzeit noch in der Analyse des bis 2024 gezeichneten Portfolios und der zu erwartenden Entwicklungen. Danach werden wir uns entsprechend ausrichten. Je nachdem, welche Schaden-, Struktur- und Preisentwicklungen zu erwarten sind, werden wir reagieren. Bei positiven Entwicklungen werden wir auf jeden Fall hohe Kapazitäten einsetzen. Mit unserer Finanzkraft sind wir jederzeit bereit, vertrauensvolle Beziehungen zu festigen und neue aufzubauen, wenn das gegenseitige Verständnis für Bedingungen und Konditionen gegeben ist. Insofern wird 2024 ein spannendes Jahr, das ein Übergangsjahr für die Konditionen ab 2025 darstellt und in einigen Bereichen noch von technischem Nachholbedarf begleitet sein wird.

Anzeige

Wie hat sich Trans Re hinsichtlich der vermeintlich problematischen Zweigen Industriegeschäft insgesamt, Cyber und D&O im Besonderen verhalten? Wie sehen ihre Erfahrungen aus?

Skaletz: Die Entwicklungen an den Märkten und bei den von uns gezeichneten Portfolios analysieren wir kontinuierlich und teilen gewonnene Erkenntnisse mit unseren Kunden in persönlichen Gesprächen. In einigen Segmenten haben unsere Kunden durch ein striktes Re-Underwriting Verbesserungen erzielt. Diese Massnahmen sind absolut notwendig gewesen, da die Ergebnisse sich deutlich verschlechtert haben. Keine Industrie kann auf Dauer Verluste aushalten und insofern waren wir im Gleichklang mit unseren Kunden. Grundsätzlich wird es natürlich immer negative Zyklen geben, wichtig ist, dass entsprechende Maßnahmen ergriffen werden, um die Nachhaltigkeit zu sichern.

Konkret hat sich das Sachgeschäft zwar erholt, aber noch nicht genug, um ein noch stärkeres Engagement in diesem Bereich zu rechtfertigen. TransRe vertritt den Ansatz, die Höhe der Kapazität in direktem Zusammenhang mit den Bedingungen zu sehen.

In Spezialsparten wie Cyber und D&O beobachten wir verschiedene Entwicklungen mit Sorge. Als Rückversicherer mit starker US-Präsenz sehen wir frühzeitig Entwicklungen, die wie in der Vergangenheit häufig auch auf Europa und insbesondere Deutschland zukommen. Wir empfehlen in diesen Bereichen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Speziell im Cyber-Bereich liegt das Hauptproblem in der Aggregation ohne geographische Grenzen. Mit anderen Worten: Wir müssen von weltweiten Schadenszenarien ausgehen, die massiv Kapital vernichten können. TransRe hat ein engmaschiges Risikomanagement, das auf einer langjährigen Erfahrung basiert und von dem unsere Kunden profitieren. Rückversicherer müssen auf dem neuesten Stand der Technologie sein, um Risiken effektiv zu bewerten und managen zu können.

Wie setzen sie die Möglichkeiten der Trans Re speziell bei Elementarschadenrisiken ein?

Skaletz: Die Technologieentwicklung schreitet rasant voran. Wir haben in New York ein Spezialistenteam, das Datenanalysen immer weiter optimiert und vertieft. Das Resultat sind kontinuierliche Effizienzsteigerungen. Das ist ein Prozess, der eine laufende Anpassung an die jeweilige Risikolage erfordert. Diese Analysen beruhen auf neuesten Erkenntnissen und greifen nicht ausschließlich auf eingetretene Ereignisse (Zahlen/Daten) zurück. Sie bieten eine Basis, die unsere Aktuare in den Modellierungen verwenden können. Dabei sehen wir den Vorteil in der Zusammenarbeit von Aktuaren, Klimaforschern, Geologen und weiteren Spezialisten, die zur Effizienz im Underwriting und zur Begründung unserer Entscheidungen beitragen können.

Die Möglichkeiten bei den Elementarschadenrisken ist derzeit begrenzt, da die Daten in der Breite (noch) nicht vorhanden sind. Dies stellt ein Problem dar. In anderen Regionen ist die Datenqualität wesentlich besser. Wir erwarten, dass sich die Datenqualität in Deutschland verbessern wird. Dies schafft die Voraussetzung bessere Einschätzungen vornehmen zu können. Die neuen Technologien werden dies beschleunigen, damit wir dem grundsätzlichen Problem der schnellen Zunahme der Schadenfrequenzen mittelgroßer Ereignisse begegnen können.

"Innere Unruhen sind ein wichtiges Thema auch in Deutschland"

In welcher Form grenzen Sie negative Einflüsse aus vermeintlich unbekannten Gefahren aus, die sich in eklatante Risiken wandeln könnten?

Skaletz: Interessante Frage, unbekannte Gefahren einzuschätzen ist eine Herausforderung. Eine Möglichkeit unbekannte Gefahren zu begrenzen wären Deckungen auf Basis von “Genannten Gefahren”. Klare(re) Definitionen und eindeutige Wordings sind unabdingbar.
Unsere Lektionen diesbezüglich haben wir und andere Unternehmen lernen dürfen, als Beispiel wäre die Covid-Pandemie zu erwähnen.

Trans Re verfügt über Fachkenntnisse in der Analyse und Bewertung von Risiken, um angemessene Rückstellungen zu bilden und die finanzielle Stabilität zu gewährleisten. Halten Sie ein derartiges Vorgehen angesichts der desolaten Verfassung der politischen Lage in Deutschland für erforderlich? Oder sehen Sie die Gefahr innerer Unruhen in hohem Ausmaß als absurd an?

Skaletz: Innere Unruhen sind durchaus ein wichtiges Thema auch in Deutschland. Wir beobachten die Entwicklungen sehr genau. Dies betrifft u.a. alle Deckungen, die politische Risiken beinhalten. Absurd ist dies auf keinen Fall.

Lieber Rüdiger Skaletz, abschließend die Bitte einer kurzen Einschätzung, wie sich die deutsche Risikolandschaft aus ihrer persönlichen Sicht und versicherungstechnischen Einschätzung in 24/25 darstellen wird und ihre Strategie mögliche (Gegen-) Szenarien mit Lösungen beinhaltet.

Skaletz: Auch 2024/25 werden wir uns Herausforderungen stellen müssen. Die Hauptbereiche sind: D&O, Kfz-Versicherung, Naturkatastrophen (Gewitter (Hagel/Sturm/ Tornados), Trockenheit, Waldbrände, Überschwemmungen, Industriehaftpflicht (v.a. Produktehaftpflicht) und Cyber.

In diesen Segmenten gehen wir von steigenden Schadenbelastungen aus. Risiken werden schwieriger zu kalkulieren sein, auch wegen der weltweit bedenklichen Kumulsituation. Die erschwerte Kalkulierbarkeit mahnt zur Vorsicht. Wir sind mit unseren Kunden hierzu in einem kontinuierlichen Dialog.

Unsere Strategie hängt demnach von den in den letzten Jahren aufgekommenen unterschiedlichsten Ereignissen, deren Auswirkungen und die Resonanz der Kunden ab. Dies stellt eine Herausforderung im Rahmen unserer Strategie dar. Kapazitäten und deren Einsatz hängen direkt von der Erwartung ab, Rendite zu erwirtschaften und nicht etwa Kapital zu vernichten. Trans Re wird ihre Position auch in den kommenden Jahren unter Beibehaltung fairer Geschäftsbeziehungen stärken, um unsere Kunden und die Wertegemeinschaft nachhaltig unterstützen zu können.

Anzeige

Die Fragen stellte Alwin W. Gerlach

Seite 1/2/3/

Anzeige