Kaum ein Markt in der Versicherungsbranche ist derart hart umkämpft wie die Kfz-Versicherung. Wiederholt sich doch jedes Jahr im Herbst das gleiche Spiel: Da bis zum 30. November die meisten Kfz-Policen gekündigt werden können, unterbieten sich Versicherer mit ihren Tarifen im Werben um neue Kunden. Dieser harte Preiskampf, der durch die Vergleichsportale wie Check24 oder Verivox noch befeuert wird, trifft aber auf steigende Reparaturkosten durch immer teurere Technik (Stichwort: „Digitalisierung“). In der Folge müssen in 2022 insgesamt 25 der 50 größten Kfz-Versicherer rote Zahlen schreiben. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio (CR) der Branche liegt bei 102,42 Prozent (Versicherungsbote berichtete).

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Ein Zeuge für das schwierige Kfz-Geschäft ist Klaus-Jürgen Heitmann, Chef von Deutschlands größtem Autoversicherer HUK-Coburg. Dieser äußerte zuletzt, dass Kfz-Versicherer die Prämien deutlich anheben müssten, wenn weitere Verluste vermieden werden sollen. Heitmann hierzu: "Der Markt in Deutschland ist brachial“ (Versicherungsbote berichtete). Solche Bedingungen machen natürlich Kennzahlen der größten Kfz-Versicherer, die um die Marktführerschaft kämpfen, besonders spannend. Umfangreichen Einblick in die Geschäftszahlen ermöglicht der soeben erschienene Branchenmonitor Kfz-Versicherung der V.E.R.S. Leipzig GmbH.

Der Marktführer im Jahr 2022: die HUK-Coburg

Da der Branchenmonitor Tochter eines Konzerns nach Rechtsform getrennt auflistet, tritt die HUK-Coburg gleich mit drei Tochterunternehmen an:

  • Größter Kfz-Versicherer der HUK ist die HUK-Coburg Allgemeine mit gebuchten Bruttoprämien in Höhe von 2,09 Mrd. Euro und Marktanteilen von 7,16 Prozent. Die Prämien konnten gegenüber 2021 um 60,7 Mio. Euro gesteigert werden. Auch die Vertragszahl wuchs um 280.476 Policen auf 11.235.378 Verträge im Zweig Kraftfahrt Gesamt. Die Combined Ratio der HUK-Coburg Allgemeine freilich liegt 2022 bei 102,46 Prozent: das Unternehmen hat mehr für Schadenaufwendungen und weitere Kosten ausgegeben, als es eingenommen hat. Dies bestätigt auch das versicherungstechnische Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) in 2022: es liegt bei minus 59,85 Mio. Euro in 2022. Hier zeigt sich, dass die Prämien nicht auskömmlich kalkuliert scheinen. Allerdings muss ergänzt werden, dass für den Untersuchungszeitraum des Branchenmonitors (2017 bis 2022) erstmals eine CR über 100 Prozent angezeigt wird. Der Sechs-Jahres-Schnitt liegt bei auskömmlichen 95,40 Prozent.
  • Der zweitgrößte Kfz-Versicherer der HUK ist die HUK-Coburg VVaG. Gebuchte Bruttoprämien in Höhe von 1,27 Mrd. Euro bedeuten 4,37 Prozent des deutschen Marktes. Die HUK-Coburg VVaG konnte Prämieneinnahmen in 2022 um 8,95 Mio. Euro steigern. Bei den Vertragszahlen allerdings sieht es weniger gut für das Geschäftsjahr 2022 aus: Ein Bestand von 7.377.802 Kfz-Policen bedeutet ein Minus um 32.086 Policen gegenüber 2021.
  • Auch bei der HUK-Coburg VVaG liegt die Combined Ratio mit 105,59 über den kritischen 100 Prozent. Ebenfalls ist das versicherungstechnische Ergebnis im Minus: es zeigt einen Verlust an von 38,99 Mio. Euro. Auch bei der HUK-Coburg VVaG aber ist der Wert von 2022 erstmals ein Wert über 100 Prozent ab 2017. Der Schnitt der Jahre 2017 bis 2022 liegt bei 96,85 Prozent.
  • Der drittgrößte Kfz-Versicherer der HUK ist der Direktversicherer HUK24: 981,12 Mio. Euro gebuchte Bruttoprämien bedeuten einen Marktanteil von 3,37 Prozent. Die HUK24 steigert 2022 die Prämieneinnahmen um 64,3 Mio. Euro. Verträge wuchsen in 2022 um 299.936 Stück auf einen Vertragsbestand von 5.436.781 Verträgen. Auch der Direktversicherer weist eine Schaden-Kosten-Quote über 100 Prozent aus, für 2022 liegt die Combined Ratio bei 104,5 Prozent. Beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) steht ein Verlust in Höhe von 27,50 Mio. Euro. Die HUK24 zeigt aber immerhin auch einen auskömmlichen Sechs-Jahres-Schnitt: 92,35 Prozent. Demnach verschlechtern sich die Schaden-Kosten-Werte der HUK erst ab 2022.

In der Summe hat die HUK-Coburg 2022 einen Marktanteil von 14,9 Prozent. Gebuchte Bruttoprämien stiegen um 133,95 Mio. Euro auf rund 4,34 Mrd. Euro. Und die Vertragszahlen stiegen um 478.326 Kfz-Verträge auf 24.049.961 Verträge.

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Wie die Schaden-Kosten-Quoten aber zeigen, war dieser Wachstum bitter erkauft. Auffallend ist hierbei, dass die HUK mit die niedrigsten Durchschnittsprämien der Branche je Vertrag ausweist:

  • So liegt die Durchschnittsprämie pro Vertrag im Zweig Kraftfahrt gesamt für die HUK-Coburg VVaG bei 172,35 Euro in 2022 (drittbilligster Anbieter, wobei die Prämie billiger ist als 2017 bis 2020);
  • die Durchschnittsprämie der HUK24 liegt 2022 bei 180,46 Euro je Vertrag (fünftbilligster Anbieter, wobei die Prämie niedriger liegt als 2017 bis 2019);
  • und die Durchschnittsprämie der HUK-Coburg Allgemeine im Zweig Kraftfahrt gesamt liegt 2022 bei 185,62 Euro (sechstbilligster Anbieter, wobei auch hier die Prämie billiger ist als 2017 bis 2020).

Allianz mit geringerem Wachstum

Die Allianz tritt mit zwei Unternehmenstöchtern für die Kfz-Versicherung an. So hält die Allianz Versicherungs-AG durch gebuchte Bruttoprämien in Höhe von 3,69 Mrd. Euro einen Marktanteil von 12,66 Prozent in 2022. Um immerhin 76,01 Mio. Euro konnten die Prämieneinnahmen gegenüber 2021 gesteigert werden. Auch der Bestand macht einen Sprung um 115.730 Verträge auf 12.899.352 Kfz-Policen.

Hinzu kommt für die Allianz noch der kleine Direktversicherer Allianz Direct, der durch gebuchte Bruttoprämien in Höhe von 131,28 Mio. Euro in 2022 0,38 Prozent des Marktes hält (nach Prämienumsatz bedeutet das Rang 37 am Markt). Für die Allianz Direct sah das Geschäft 2022 weniger gut aus: die Prämien sanken um 4,02 Mio. Euro gegenüber 2021. Und auch der Vertragsbestand sank von 593.644 Verträge in 2021 auf 587.086 Verträge. Dramatischer ist noch der Sechs-Jahres-Vergleich, denn in 2017 hielt der Direktversicherer der Allianz noch 1.306.343 Verträge.

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Geht es um gebuchte Bruttoprämien 2022, steht demnach ein Marktanteil von 13,04 Prozent für die Allianz einem Marktanteil von 14,90 Prozent für die HUK gegenüber. Der Vorsprung der HUK beträgt knappe 1,86 Prozentpunkte.

Schaden-Kosten-Quote beim großen Kfz-Versicherer der Allianz solide, beim kleinen sehr schlecht

Schaut man auf die zwei Kfz-Versicherer der Allianz, ist das Ergebnis bei der Schaden-Kosten-Quote sehr ambivalent. Der kleine Direktversicherer der Allianz hat 2022 die schlechteste Schaden-Kosten-Quote der gesamten Branche: 131,83 Prozent. 2021 war die Schaden-Kosten-Quote der Allianz Direct mit 131,22 Prozent schon ähnlich schlecht. Das versicherungstechnische Ergebnis der Allianz Direct (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) ist seit 2020 regelmäßig negativ – und zeigt für 2022 einen Verlust von 20,63 Mio. Euro.

Allerdings muss auch bedacht werden: bei der Allianz Direct liegen nur rund 4,35 Prozent aller Kfz-Verträge der Allianz. Und für den großen Teil des Allianz-Bestandes zeigen die Kennzahlen durchaus ein auskömmliches Wirtschaften. So liegt die Schaden-Kosten-Quote der Allianz Versicherungs-AG im Kfz-Bereich 2022 bei 97,39 Prozent. Überhaupt kommt die Allianz Versicherungs-AG seit 2017 nicht ein einziges Mal über die kritischen 100 Prozent. Der Schnitt der Jahre 2017 bis 2022 liegt bei 96,54 Prozent. Die Allianz Versicherungs-AG weist auch den höchsten Gewinn beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) auf: 94,77 Mio. Euro.

Fazit: Die HUK schluckt aktuell bittere Pillen für die Marktführerschaft

Geht es um die Zahl der gehaltenen Verträge, baut die Huk-Coburg ihren Vorsprung in 2022 aus. Hatte das Unternehmen aus Oberfranken 2021 noch 10.194.369 Verträge mehr im Bestand als die Allianz, liegt der Vorsprung der HUK 2022 bei 10.563.523 Verträgen.

Jedoch: dies scheint auch zulasten der Schaden-Kosten-Kalkulation zu gehen. Unter den sechs billigsten Durchschnittsprämien der Branche je Vertrag sind alle drei HUK-Töchter vertreten. Die Allianz hingegen hat die neuntteuersten Durchschnittsprämien der Branche im Zweig Kraftfahrt gesamt (285,82 Euro je Vertrag). Die Allianz Direct hat immerhin noch 19 Unternehmen hinter sich, die billiger sind (Durchschnittsprämie von 223,61 Euro je Vertrag in 2022).

Freilich sagen die Durchschnittsprämien noch nicht per se etwas über den Preis neuer Verträge. Die HUK hat zuletzt Prämien erhöht (Versicherungsbote berichtete), was am Analysezeitraum des Branchenmonitors noch nicht ersichtlich ist. Es wird spannend, wie sich dies auf den Kampf um die Marktführerschaft auswirkt.

Auch muss bedacht werden, dass erst ab 2022 die Zahlen der HUK einen negativen Trend zeigen, der im Kontrast steht zu dem Wachstum beim Vertragsbestand. Dieser Kontrast macht sich auch an den Marktanteilen bemerkbar, die sich nicht an der Vertragszahl, sondern an den gebuchten Bruttoprämien orientieren. Denn lag der Vorsprung der HUK-Töchter in der Summe 2021 noch bei 458,01 Mio. Euro gegenüber der Allianz – dieser Prämienbetrag wurde mehr gebucht – schrumpfte der Prämienvorsprung der HUK auf 456,97 Mio. Euro in 2022.

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Hintergrund: Alle hier vorgestellten Zahlen entstammen dem neuen „Branchenmonitor KFZ-Versicherung 2023“ der V.E.R.S. Leipzig GmbH, der soeben veröffentlicht wurde. Das Analyse-Instrument deckt zahlreiche Kennzahlen von 50 Unternehmen (und damit 87 Prozent der Branche) ab und kann zusammen mit weiteren Brachenmonitoren auf der Webseite der Leipziger Experten bestellt werden. Der Analysezeitraum umfasst die Jahre 2017 bis 2022. Einige hier vorgestellte Zahlen beruhen auf Rechnungen des Versicherungsbote auf Grundlage des Monitors.

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