Die hohen Effektivkosten von staatlich geförderten Altersvorsorge-Produkten sorgten wiederholt für Kritik. Nicht nur vom Verbraucherschutz, sondern auch von jener Institution, die über die Kosten wacht: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bemängelte anhand einer eigenen Studie, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Produkte derart hohe Kosten ausweist, dass sie unter Umständen gar nicht für die Altersvorsorge geeignet seien. Die Studie ist ein Grund dafür, weshalb die BaFin vermehrt Anstrengungen aufnahm, um die Versicherer zu niedrigeren Kosten zu zwingen: unter anderem durch neue Wohlverhaltensregeln.

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Doch das renommierte Fraunhofer-Institut bezweifelt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bei staatlich geförderten Produkten tatsächlich mit derart hohen Kosten konfrontiert werden. Das Argument: Der Gesetzgeber schreibe den Anbietern vor, bei der Angabe der Effektivkosten in den Produktinformationsblättern mit den teuersten Fonds zu rechnen und gegenläufige kostensenkende Effekte auszublenden. Dies spiegele aber nicht die tatsächlichen Kosten eines Produktes wider, die oft deutlich niedriger seien. Da auch bei wissenschaftlichen Studien gelegentlich die Frage auftaucht, wer sie in Auftrag gegeben hat, sei an dieser Stelle ergänzt: MLP. Eine Vertriebsorganisation also, die mit solchen Altersvorsorgeprodukten Provisionen verdient - und diese Provision ist ein Teil der Effektivkosten. MLP ist als Versicherungsmakler registriert.

Oft entscheiden sich Verbraucher nicht für die teuerste Anlageoption

Konkret hat sich das Fraunhofer Institut Kaiserslautern die Effektivkosten von Basisrenten angeschaut: von Produkten also, mit denen Selbstständige staatlich gefördert für ihr Alter vorsorgen. Effektivkosten sind in der Regel abhängig von der Chancen-Risiko-Klasse (CRK), die das Ertrags- und Risikopotential eines Produktes widerspiegelt und gesondert ausgewiesen werden muss, sowie auch von der Laufzeit des jeweiligen Vertrages. Da die Verträge in der Regel gezillmert sind, die Abschlusskosten also in den ersten 60 Monaten der Produktlaufzeit anfallen, wirkt sich dies auch auf die Rendite der Verträge aus: Da der Vermögensaufbau später beginnt, haben Verträge mit kurzer Laufzeit tendenziell höhere Effektivkosten, wie auch die BaFin festgestellt hat. Laut Muster-Produktinformationsblatt (Muster-PIB) sind die Effektivkosten für die Ansparphasendauern von 12, 20, 30 und 40 Jahren zu berechnen.

Der Begriff „Effektivkosten“ ist in diesem Zusammenhang bereits irreführend, der englische Begriff „Reduction in Yield“ ist treffender. Denn Effektivkosten stellen keineswegs die direkt zu zahlenden Kosten dar. Sie geben vielmehr in Prozentpunkten an, wie stark die Wertentwicklung des Vertrages bis zum Beginn der Auszahlungsphase durch die Kosten geschmälert wird. Was am Ende aus dem Vertrag herauskommt, hängt also schlicht auch davon ab, welche Rendite mit den Kapitalanlagen eines Produktes erzielt werden kann. Hierzu ist anzumerken: Es war auch die Versicherungswirtschaft, die sich für einen Ausweis der Kosten mittels Effektivkosten eingesetzt hat. So drängte zum Beispiel der verbrauchernahe Bund der Versicherten (BdV) schon im Gesetzgebungsprozess auf eine „verständlichere Kostendarstellung“.

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Die Expertinnen und Experten des Fraunhofer Instituts verweisen nun darauf, dass die Produktgeber bestimmte Grundsätze erfüllen müssen, wenn sie die Effektivkosten in den Produktinformationsblättern (PIB) ausweisen. Und diese gesetzlichen Vorgaben würden dazu führen, dass die Kosten in den BIP unrealistisch hoch angesetzt würden. „Beim Ausweis der Effektivkosten eines Produkts sind die Anbietenden verpflichtet, sowohl mit dem teuersten Fonds zu rechnen als auch gegenläufige kostensenkende Effekte auszublenden (»Maximalprinzipien«)“, heißt es dazu im Pressetext des Instituts. Oft würden Sparerinnen und Sparer aber gar nicht mit derart hohen Kosten konfrontiert: Weil sie schlicht günstigere Anlageoptionen wählen als den teuersten Fonds.

Effektivkosten laut BIP vs. "realistische Effektivkosten"

Konkret müssten sich die Produktanbieter von Basisrenten an folgende Vorgaben halten, wenn sie die Effektivkosten ausweisen, heißt es in der Studie:

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  • Grundsatz 1: Maximalprinzip Hat der Kunde die Möglichkeit, im Produkt seine Portfoliostruktur selbst zu wählen oder liegt kein regelbasiertes Verfahren zur Wahl der Portfoliostruktur vor, so ist im Muster-PIB automatisch die Portfoliostruktur mit maximalen Kosten anzusetzen. Dadurch werden in den Produktinformationen die potentiell höchsten Kosten ausgewiesen.
  • Grundsatz 2: Effektivkosten bei regelbasierter Vorgehensweise: Im Falle einer regelbasierten Portfoliostruktur, bei der zum Beispiel ein festgelegter mathematischer Algorithmus die verschiedenen Anlagetöpfe auswählt, ist in den Produktinformationen ebenfalls die teuerste Wahl anzusetzen.
  • Maximale Aktionärsbeteiligung: Ein weiterer, nicht explizit formulierter Grundsatz sei der, dass beim Sicherheitsvermögen (Deckungsstock) immer von der maximal möglichen Entnahmemöglichkeit der Aktionäre aus dem Kapitalertrag ausgegangen werden muss, berichten die Studienautoren. Alternativ hierzu könnte auch ein Mittelwert über die tatsächlichen Entnahmen der letzten Jahre angesetzt werden.
  • Keine Kickbacks: Bei vielen Fonds seien sogenannte Kickbacks, also Rückerstattungen von (Anteilen an) zu viel gezahlten Kosten üblich. Diese würden die Kosten zusätzlich senken. Die Verrechnung der gezahlten Fondskosten gegen Rückerstattungen in ungewisser Höhe sei beim Ausweisen der Effektivkosten aber nicht erlaubt. Was in der Studie nicht erwähnt wird: Die BaFin kritisiert diese Kickbacks, denn zunächst tragen sie auch zu höheren Kosten und höherer Intransparenz zulasten der Verbraucher bei. Hierbei handelt es sich um eine Art Provision, die Fondsanbieter an Versicherer dafür zahlen, dass bestimmte Fonds vermittelt werden. Zudem kritisiert die BaFin, dass nur bei einem Viertel der untersuchten Anbieter die Kickbacks tatsächlich vollständig an die Sparenden zurückfließen.

Ausgewiesene Kosten in den BIP unrealistisch hoch?

Diese Vorgaben des Gesetzgebers an die Anbieter führen nach Ansicht des Fraunhofer-Instituts dazu, dass in den Produktinformationsblättern unrealistisch hohe Kosten angegeben werden müssen. Die Experten weisen darauf hin, dass sich die Studien, auf deren Grundlage die hohen Kosten der Produkte kritisiert wurden, auf die BIP bezogen haben. "Die bestehenden Muster-PIB zeichnen schnell ein Zerrbild – insbesondere bei nicht fachlich versierten Kund:innen sowie Marktteilnehmenden. Sie eignen sich keinesfalls für allgemeine Aussagen zur tatsächlichen Kostenbelastung von Produkten", sagt der renommierte Aktuar Ralf Korn, Leiter der Studie. Im Muster-PIB werde das jeweilige Produkt „stets deutlich teurer dargestellt – mitunter sogar bis um das Dreifache überhöht“.

Um den Unterschied zwischen den Effektivkosten laut BIP und den „realistischen“ Kosten zu verdeutlichen, haben die Studienautoren berechnet, wie sehr die Rendite schmälern würde, wenn der Kunde oder die Kundin einen beliebten, aber kostengünstigen Fonds wählt. Beispiel Basisrente ohne Beitragsgarantie: Hier wird angenommen, dass die Sparenden 200 Euro monatlich in ihren Vertrag einzahlen und sich für einen beliebten ETF entscheiden, den iShares Core MSCI World. Dieser ETF von BlackRock investiert in eine Vielzahl von Unternehmen aus Industrieländern. Die anfallenden „realen“ Effektivkosten wurden nun mit den ausgewiesenen Effektivkosten nach BIP verglichen, wobei Laufzeiten von 30 und 40 Jahren angenommen wurden.

Tatsächlich unterscheiden sich die „realen“ Effektivkosten von jenen, die im BIP ausgewiesen werden müssen, deutlich. Bei einem Produkt der Allianz müssten demnach laut Muster-BIP bei 30jähriger Laufzeit Effektivkosten von 4,06 Prozent ausgewiesen werden. Die realistischen Effektivkosten bei Wahl des entsprechenden ETFs bewegen sich aber zwischen 1,31 Prozent und 1,34 Prozent, abhängig von der Risikoklasse (siehe Tabelle).

Effektivkosten freier Basisrente-Fondsprodukte unter Maximalkosten und unter realistischen KostenFraunhofer ITWM 2023

Nach Angaben von MLP wurden im Neugeschäft des Jahres 2022 bei Tarifen mit frei wählbaren Fonds ca. 75 Prozent mit kostengünstigen Fonds ausgewählt. Dies würde bedeuten, dass die Kundinnen und Kunden niedrigere „reale“ Effektivkosten haben, als es das Produktinformationsblatt wiedergibt. „Wir schlagen daher dringend das Erweitern des Kostenausweises vor, sodass Verbraucherinnen und Verbraucher die Chance haben, zwischen theoretischer Obergrenze und realistischem Fall zu unterscheiden. So wäre eine bessere Beurteilungsgrundlage gegeben“, sagt Studienleiter Korn.

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Die Fraunhofer-Studie mache außerdem klar, warum es unzulässig sei, die in einem Vertrag während der Laufzeit anfallenden Kosten nur auf die von Verbraucherinnen und Verbrauchern eingezahlten Beiträge zu beziehen. Denn dabei werde die ebenso relevante Leistung des Versicherungsprodukts (Rendite-Entwicklung) ganz außen vorgelassen, bemängeln die Autoren. Ein ausführlicher Studienbericht mit Beispielrechnungen kann auf der Webseite des Fraunhofer Instituts heruntergeladen werden.

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