Versicherungsbote: In einer Studie haben Sie festgestellt, dass die „tatsächlichen“ Effektivkosten bei fondsgebundenen Basisrenten von jenen, die in den BIP ausgewiesen werden, abweichen. In der Regel sind die tatsächlichen Kosten niedriger, weil der Gesetzgeber den Anbietern vorschreibt, mit den teuersten Fonds zu rechnen und gegenläufige kostensenkende Effekte auszublenden. Können Sie die Ergebnisse Ihrer Studie kurz zusammenfassen - vielleicht anhand eines Beispiels?

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Ralf Korn: Wir haben zunächst die Effektivkosten von fondsgebundenen Basisrenten mit einer 80%-Beitragsgarantie und den Varianten ohne Beitragsgarantie gemäß der Effektivkostenverordnung mit maximalen Kostensätzen und dann nochmals mit den von den Anbietern angegebenen tatsächlichen Kostensätzen berechnet. Die Reduktion der Effektivkosten von circa vier Prozent bei Verwendung der maximalen Kostensätze auf etwa ein Prozent bei den tatsächlichen Kostensätzen für die Produkte ohne Beitragsgarantie ist erheblich. So entsteht bei einer Laufzeit von 40 Jahren und einer monatlichen Zahlung von 200 € eine Ablaufleistung von ungefähr 119.000 Euro bei vier Prozent Effektivkosten, während sie bei einem Prozent Effektivkosten mit circa 237.000 Euro fast doppelt so hoch ist. Bei Produkten mit 80%-Beitragsgarantie ist der Effekt ähnlich, aber weniger ausgeprägt.

Warum existieren diese strengen Vorgaben, mit den teuersten Fonds zu rechnen - und sind sie aus Ihrer Sicht sinnvoll?

Die Absicht des Gesetzgebers war es, dem Verbraucher eine verlässliche Obergrenze für die Entnahmen des Anbieters aus den Erträgen zu präsentieren. Das ist sicher ein vernünftiger Grund, macht aber die Vergleichbarkeit mit anderen Investmentprodukten fast unmöglich.

Wie könnten die Effektivkosten von Basisprodukten alternativ ausgewiesen werden, um ein realistischeres Bild zu zeichnen?

Der Vorschlag liegt angesichts unserer Ergebnisse auf der Hand. Es sollte einfach der Ausweis der Effektivkosten auf der Basis von Maximalkosten im Muster-PIB ergänzt werden um die Angabe realistischer Effektivkosten, so wie wir sie errechnet haben.

Die Vergleichbarkeit der Effektivkosten von Verträgen für Verbraucherinnen und Verbraucher ist oft umstritten. Macht die Kennzahl der Effektivkosten überhaupt Sinn, wenn sie von verschiedenen Faktoren wie Chancen-Risiko-Klasse (CRK), Laufzeit und Rendite abhängt?

Ich finde, die Effektivkosten sind als Minderung der Rendite eine sinnvolle Größe. Unsere Rechnungen zeigen auch auf, dass sie für ein festes Produkt sehr stabil über die verschiedenen möglichen Chancen-Risiko-Klassen hinweg sind. Die von Ihnen genannten Abhängigkeiten sehe ich sogar als Stärke an, denn man vergleicht ja auch bei der Autowahl nicht einen SUV mit einem Elektro-Kleinwagen. Die Effektivkosten stellen nach der getroffenen Entscheidung für eine Chancen-Risiko-Klasse einen Indikator für die Kosten verschiedener Produkte innerhalb dieser Klasse dar. Sie sollten deshalb nie das alleinige Entscheidungskriterium sein und erst recht nicht das erste.

Die Effektivkosten geben an, um wie viele Prozentpunkte die Kosten eines Vertrages die Rendite bis zum Beginn der Auszahlungsphase schmälern. Wäre es im Sinne der Transparenz nicht wünschenswert, die Kosten eines Vertrages als Betrag bzw. als Betragsspanne auszuweisen? Was spricht dagegen?

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Zunächst ist es einleuchtend, zu fordern, einfach einen Geldbetrag zu nennen. Und man kann beim jetzigen Verfahren der Bestimmung der Effektivkosten diese auch in einen entgangenen Geldbetrag umrechnen. Allerdings würde der absolute Entnahmebetrag oft dem Kunden ein falsches Signal geben. So würden beim Musterkunden mit 100 Euro monatlichem Beitrag 2.000 Euro Kosten zu einer erwarteten Ablaufleistung von 53.000 Euro bei einem Produkt mit Chancen-Risiko-Klasse 1 führen, während die erwartete Ablaufleistung von 105.000 Euro beim Produkt der Chancen-Risiko-Klasse 4 mit 4.800 Euro Kosten einhergeht. Während man sich beim alleinigen Blick auf die Kosten für das erste Produkt entscheiden würde, fällt die Entscheidung beim Vergleich der erwarteten Ablaufleistungen für das zweite Produkt. Entscheidend ist letztendlich das, was beim Kunden hängen bleibt.

Altersvorsorge: "Eine der größten Investitionen des Lebens"

Versicherungsbote: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in einer Studie die hohen Effektivkosten vieler Lebensversicherungen bemängelt und sogar kritisiert, dass ein Teil der Produkte für die Altersvorsorge ungeeignet sei. Lassen sich Ihre Erkenntnisse zu Basisrenten generell auf andere Lebensversicherungen übertragen, so dass auch hier tendenziell zu hohe Kosten ausgewiesen werden müssen? Müsste folglich auch die Aufsichtsbehörde auf andere Zahlen schauen?

Ralf Korn: Die BaFin hat meines Wissens hier Effektivkosten nicht auf der Basis des Maximalkosten-Prinzips gerechnet, hat aber auch nicht alle Produkte pauschal kritisiert. Ich bin mir sicher, dass die BaFin weiß, was sie tut.

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Wie stehen Sie zu Plänen der EU und auch der BaFin, Abschlusskosten zu deckeln oder gar Provisionen zu verbieten, sodass nur noch gegen Honorar beraten werden darf? Würde dies die Kosten von Leben-Verträgen senken, oder ist das Wunschdenken?

Die Kosten vom Produkt zu trennen, klingt auf den ersten Blick attraktiv. Allein mir fehlt der Glaube, dass Beratung dann überhaupt noch in Anspruch genommen werden wird, weil sie dann explizit etwas kostet. Sie wird dann weder nachgefragt noch zum absoluten Nulltarif angeboten werden, denn ein guter Berater wird auch nicht für nichts beraten. Eine gute Beratung ist aber beim Abschluss von Altersvorsorgeprodukten absolut notwendig, schließlich tätigt man aufgrund der langen Laufzeit der Einzahlungen eine der größten Investitionen seines Lebens. Eine Fehlentscheidung aufgrund fehlender oder schlechter Beratung wäre fatal und könnte weitaus schlimmere finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Empfehlungen haben Sie für Sparerinnen und Sparer, um die tatsächlichen Kosten ihres Vertrages basierend auf ihrer konkreten Geldanlage herauszufinden? Worauf sollten sie besonders achten?

Für eine Neuanlage ist meine Empfehlung, im Bereich der Altersvorsorge gemeinsam mit einem qualifizierten Berater die für die Sparerin oder den Sparer geeignete Chancen-Risiko-Klasse herauszufinden, dann dort für individuelle Anlagen (also Fonds etc. bereits fest gewählt) die Effektivkosten aus den individuellen Produktinformationsblättern zu vergleichen und das in die Kaufentscheidung einfließen zu lassen. Bei bereits existierenden Verträgen kommt es stark auf die Art des Vertrags an. Da will ich keine pauschale Empfehlung geben.

Alternativ zu staatlich geförderten Riester- und Basisrenten wird auch ein öffentlich organisiertes Vorsorgeprodukt nach dem Vorbild des schwedischen Staatsfonds AP7 diskutiert. Ein Argument: die niedrigen Kosten, wenn es verpflichtend ist oder nach dem Opt-out-Verfahren organisiert. Wie bewerten Sie ein solches Modell? Wo sehen Sie Vor- und Nachteile?

Auch hier steckt der Teufel im Detail. Es sind ja nicht nur die genannten Kapitalmanagement-Kosten, wie sie beim AP7 meistens angeführt werden. Ein Opt-Out-Verfahren ist auch erstmal nur die Hoffnung darauf, dass der Kunde eher träge ist. Und auch hier braucht es vorhandenes Know-how, um eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können, also entsprechende Beratung. Dann sollte man auch mal die Verwaltungskosten der Deutschen Rentenversicherung sehen, die alles andere als unerheblich sind, aber vermutlich schon eine realistische Größenordnung für einen Staatsfonds als Ganzes darstellen. Und schließlich muss auch ein solcher Staatsfonds Produkte anbieten, die zumindest in gewissem Maße die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Personen im Hinblick auf Chance und vor allem Risiko abbilden können. Auch für die Beratung dieser Personen braucht es qualifizierte Spezialisten. Ich würde hier gern erstmal ein Gesamtpaket inklusive aller Kosten für die Situation in Deutschland sehen, bevor ich das als eine konkurrenzfähige Alternative ansehe. Momentan ist mir hier viel Wunschdenken im Spiel.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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