Die Debatte um eine mögliche Elementarschaden-Pflichtversicherung wird seit über 10 Jahren geführt (Versicherungsbote berichtete). Nach den verheerenden Starkregen-Ereignissen im Sommer 2021, wurde die Debatte neu belebt. Doch erst ein Entschließungsantrag der Bundesländer Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bewegte die Bundesregierung dazu, 'aktiv' zu werden: Es wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die nun ihre Arbeit aufnehmen soll.

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Zuvor soll u.a. Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann (FDP) die Pläne, eine Elementarschaden-Pflichtversicherung einzuführen, ausgebremst haben. So zitierte etwa das Handelsblatt: „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht.“ Kosten, die mit einer solchen Versicherungspflicht einhergingen, würden an Mieter durchgereicht werden, so der Minister.

Auch der Vorsitzende der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV), Dr. Max Happacher, hält es für sinnvoll, finanzielle Belastungen für Verbraucher zu reduzieren. „Ein Wegfall der Versicherungssteuer hat seine Vorbilder etwa in der Kranken-, Renten- oder Lebensversicherung. Damit sorgt man bei Kunden im Falle einer freiwilligen Variante für einen Anreiz zum Abschluss. Gerade bei einer Pflichtversicherung ist ein Wegfall aber schon aus Akzeptanzgründen geboten. Denn die Steuer verteuert eine Versicherung erheblich. Ich sehe es kritisch, dass der Staat zusätzliche Einnahmen durch eine Pflichtlösung generiert.“

Doch Happacher nennt noch weitere Aspekte, die bei in der Debatte um eine Pflichtversicherung einbezogen werden sollten. Denn bislang werde vornehmlich über eine Pflicht zum Eigenschutz, also die Absicherung von Hauseigentümern selbst gesprochen. Ein weiterer Aspekt kann der Schutz von Dritten sein. „Dazu zählen insbesondere kreditgebende Banken“, so Happacher. „Eine ebenfalls denkbare Alternative zu einer allgemeinen Pflichtversicherung ist die der Versicherungspflicht bei Aufnahme eines Kredites (Baufinanzierung) zur Absicherung der Ausfallrisiken, denen die Bank bei einem Total-Verlust ausgesetzt wäre. Dafür wäre eine entsprechende Gesetzesänderung notwendig.“ Das wäre laut DAV ein geringfügigerer Eingriff als eine allgemeine Pflichtversicherung und würde ebenfalls zu mehr Versicherungsschutz führen.

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Bereits im Frühjahr diesen Jahres unterstrich Happacher, dass eine saubere Kalkulation immer mit einem risikogerechten Preis verbunden ist (Versicherungsbote berichtete). Das bekräftigte der DAV-Vorsitzende erneut: „Egal, wie man die Elementarschadenversicherung ausgestaltet: Es ist wichtig, dass der Preis dem Risiko angemessen ist. In der Höhe und hinsichtlich seiner geografischen Differenzierung.“ In den meisten Fällen befinden sich Prämien in der Elementarschadenversicherung bei einem Einfamilienhaus aktuell im niedrigen dreistelligen Bereich pro Jahr. In besonderen Risikolagen kann eine Prämie aber auch ein Vielfaches dessen betragen. Sollte im Falle einer Pflichtlösung oder auch generell ein gedeckelter Preis für Hochrisikolagen in Erwägung gezogen werden, müssten die Prämien insgesamt steigen. Es würde für alle anderen Versicherten deutlich teurer. Im Ergebnis würden Gebäude in Risikogebieten subventioniert und solche in unkritischen Lagen bestraft.

Niedrigere Prämie durch höheren Selbstbehalt

Als weitere Möglichkeit, sehr hohe Prämien abzuwenden, nennt Happacher höhere Selbstbehalte. „Hierdurch ließen sich individuelle Prämien deutlich senken, da ein Teil des Risikos vom Versicherungsnehmer selbst getragen würde. Der Versicherungsschutz dient dann der grundlegenden Existenzsicherung, nicht dem 100-prozentigen Schutz vor allen Verlusten“, schreibt die DAV dazu.

Die Aktuare sorgen sich insbesondere bei einer Pflichtversicherung um die Auswirkungen von Kumulschäden. Solche Schadenhäufungen verursachen außergewöhnlich hohe Kosten. Hinzu kommt, dass nach einem so großen Schadenereignis die Material- und Reparaturkosten in einem betroffenen Gebiet in die Höhe schießen. Dieser Umstand aus der Verbindung von hohen Schadensummen und Kumulschäden bedeutet für Versicherer ein kapitalintensives Risiko.

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Würde die Pflichtversicherung mit einem Kontrahierungszwang – der Pflicht eines Versicherers zum Vertragsabschluss – eingeführt, bräuchte es zusätzliche Instrumente, um den katastrophalen Kumulfall für die Versicherer beherrschbar zu machen, warnt die DAV. Max Happacher: „Eine sogenannte Kumulschadenabsicherung, z. B. durch Rückversicherer, die Kapitalmärkte (sogenannte Cat-Bonds) oder ein staatlich organisiertes Pooling, käme dann zum Tragen, wenn ein ganzes Gebiet mit zahlreichen, großen Schäden betroffen wäre und eine zu definierende Schadensummenhöhe überschritten würde.“

Die Versicherungsmathematiker drängten zudem darauf, dass eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden unbedingt mit weiteren Maßnahmen im Zusammenspiel ausgestaltet werden muss. So bräuchte es wirksame Bauvorschriften, die eine Neubesiedelung von hochgefährdeten Gebieten regulieren. Deiche, Abwassersysteme und Frühwarnsysteme müssten auf- und ausgebaut werden und Verbraucher, die eigene Präventionsleistungen erbringen, sollten dabei unterstützt werden, so die Aktuarvereinigung.

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