Aktuell sind lediglich knapp 50 Prozent der Wohngebäude in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Wobei auch diese Zahlen trügerisch sind. Denn in Baden-Württemberg sind rund 94 Prozent der Gebäude gegen Naturgefahren versichert. In Bremen haben gerade einmal 28 Prozent einen entsprechenden Schutz. Die hohe Versicherungsdichte in Baden-Württemberg hat historische Gründe. Schließlich bestand bis zum Jahr 1993 eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden.

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Nachdem die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg das Thema forcierten, war auch die Bundespolitik gefordert. Anfang März 2023 sprach sich der Bundesrat einstimmig für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden aus. Damit erhöht die Länderkammer den Druck auf die Bundesregierung, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen. Diese hatte dem Vorhaben zuletzt eine Absage erteilt.

Nun haben sich die Versicherungsmathematiker der Branche dem Thema angenommen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion wurden verschiedene Aspekte diskutiert. „Wir positionieren uns in dem Kontext weder für noch gegen eine Pflichtversicherung bei Elementarschäden.“, sagte Maximilian Happacher, Vorsitzender der Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV). Den Aktuaren ginge es grundlegende darum, auf mathematische Zusammenhänge hinzuweisen.

„Egal, wie man die Elementarschadenversicherung ausgestaltet, ob als weiterhin freiwillige Variante, als Opt-Out oder als Pflichtversicherung: Es ist wichtig, dass der Preis dem Risiko angemessen ist. In den meisten Fällen sprechen wir da aktuell von niedrigen dreistelligen Summen im Jahr. In besonderen Risikolagen kann eine Prämie aber auch ein Vielfaches dessen betragen.“, führte Happacher aus. Hier sei unter anderem die bestehende Einordnung in Risikogebiete genannt. Denn Elementarschäden treten häufig kumuliert in einem Gebiet auf. Überdies seien bei Starkregen, Fluten oder ähnlichen Katastrophen meist ganze Landstriche betroffen. Das bedeute für Versicherer ein Extra-Risiko.

Grundlegend müsse es nun darum gehen, über traditionelle Lösungswege hinauszublicken und für alternative Vorschläge offen zu sein. Eine Möglichkeit zur Bewältigung hoher Prämien wären beispielsweise erhöhte Selbstbehalte. Dadurch könnten individuelle Beiträge erheblich gesenkt werden, da ein Teil des Risikos vom Versicherungsnehmer selbst getragen würde. Der Versicherungsschutz würde dann vor allem der grundlegenden Existenzsicherung dienen, anstatt einen hundertprozentigen Schutz vor allen Verlusten zu gewährleisten.

Im Falle einer Pflichtversicherung inklusive Kontrahierungszwang – also der Pflicht eines Versicherers zum Vertragsabschluss – muss jeder Versicherer im Risikomanagement auf die ihn maximal betreffende Schadenlast achten. Folglich braucht es für den Versicherer eine sogenannte Kumulschadenabsicherung. Auch eine Begrenzung des Deckungsumfangs wäre eine Maßnahme. „Durch eine Begrenzung des Deckungsumfangs können Höchstprämien verringert werden und gleichzeitig dem Sondereffekt einer besonders hohen Kumulschadenanfälligkeit entgegengewirkt werden.“, argumentiert der Diplom-Wirtschaftsmathematiker.

Es sei jedoch nicht ausreichend, nur Vorschläge für die Versicherungsseite zu machen, wenn es um die zunehmenden Risiken des Klimawandels geht. Ergänzend seien strengere staatliche Vorgaben für den Bau erforderlich, um die Neubesiedelung in gefährdeten und hochgefährdeten Gebieten zu regulieren. Zusätzlich müssten staatliche Präventionsmaßnahmen aufrechterhalten und verbessert werden. Dazu gehörten etwa der Ausbau von Deichen, Abwassersystemen und Frühwarnsystemen. Auch die Förderung individueller Präventionsmaßnahmen seitens der Verbraucher und Unternehmen spiele eine Rolle. „Dem sollte mit Information sowie gegebenenfalls auch Subvention von baulichen Veränderungen und deren Wartung begegnet werden“, so der Vorsitzende der DAV.

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