Die Bundesregierung will mit einem Kapitalstock das Umlagesystem der gesetzlichen Rente stabilisieren. Ursprünglich als Aktienrente bekannt, firmiert das Projekt nun als Generationenkapital und geht auf das Engagement der FDP zurück. Der Kapitalstock ist ein wichtiger Bestandteil eines Reformprojekts, das mit „Rentenpaket II“ überschrieben ist und derzeit zwischen den Ressorts der Bundesregierung abgestimmt wird.

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Dieses Generationenkapital haben sich nun das Deutsches Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) und der Bundesverband Deutscher Vermögensberater (BDV) gemeinsam angeschaut und einem 12-Punkte-Faktencheck unterzogen. Beide stehen der Vermittlerschaft nahe. Als Verfasser des Papiers sind Helge Lach, Vorsitzender des BDV und Mitglied der Geschäftsleitung der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) sowie Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA genannt.

Anlass für das Papier ist die teils sehr kritische Berichterstattung zum Generationenkapital in den Medien. So titelte das Handelsblatt etwa „Gewagte Wette auf die Zukunft“, und die Kölnische Rundschau mit der Schlagzeile „Mit der Rente nicht spekulieren“. Tenor der Berichte: Im schlimmsten Fall werde mit Beitragsgeldern der gesetzlich Rentenversicherten an den Börsen gezockt.

Positives Fazit zum Generationenkapital

Das Fazit der beiden Autoren zum Generationenkapital fällt dabei auffallend positiv aus. Bereits im ersten Punkt des Faktenchecks schlussfolgern beide Autoren: „Die Aktienrente und das Generationenkapital sind keine Wette“. Der Vergleich von Aktieninvestments mit Wetten und Zockerei sei schlicht unangebracht. Denn es gehe nicht darum, wie „Day Trader“ mit riskanten Einzelwerten zu spekulieren, etwa mit undurchsichtigen Verbriefungen. Stattdessen entstehe ein staatlich verantworteter Mischfonds mit hoher Aktienquote, der mit einem langfristigen Horizont angelegt werde und breit gestreut investiere: sowohl international als auch nach Branchen.

„Der „worst-case“ wäre, dass der Fonds aufgrund schwacher Börsen vorübergehend insgesamt im Wert sinkt und deshalb die Basis für realisierbare Kursgewinne vorübergehend kleiner ist. Es ist aber bei breiter Streuung nahezu ausgeschlossen, dass dann auch alle Einzelpositionen im Minus liegen und insoweit überhaupt keine Mittel aus Kursgewinnen realisiert werden können“, heißt es in dem Faktencheck. Nahezu ausgeschlossen sei auch, dass der Fonds bei schwachen Börsen überhaupt keine Dividenden erzielen könne. „Die Quintessenz ist also, dass die Erträge zwar schwanken werden, die grundsätzliche Funktionsfähigkeit des Generationenkapitals aber durch fallende Kurse nicht beeinträchtigt wird“, schreiben Lach und Heuser.

Das Generationenkapital ist keine Aktienrente mehr

Ein weiterer Punkt des Faktenchecks greift einen Tatbestand auf, auf den auch bereits Versicherungsbote hingewiesen hat: Mit der ursprünglichen Idee der Aktienrente hat das Generationenkapital nichts mehr zu tun. Denn ursprünglich warb die FDP damit, dass die gesetzlich Rentenversicherten eine zusätzliche private Altersvorsorge aufbauen können, über die sie individuell verfügen - und bei der sie Anlageentscheidungen auch selbst beeinflussen können. Ähnlich ist dies in Schweden geregelt, wo die Bürgerinnen und Bürger verpflichtend 2,5 Prozent des Bruttolohnes privat anlegen: entweder in den Staatsfonds AP7 oder in 800 vergleichbare Anlageprodukte privater Anbieter. Dieser individuelle Kapitalstock ist ihnen gesetzlich zugesichert, der Staat darf hiervon nichts abgreifen.

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Anders in Deutschland. Hier konnte sich die Idee eines individuellen Kapitalstocks nicht durchsetzen. Stattdessen legt das Geld eine öffentliche Stiftung an -angedacht ist der KENFO, der auch die Gelder für den Atomausstieg verwaltet- und soll ab Mitte der 30er Jahre eingesetzt werden, um die Beitragszahler zu entlasten. Individuelle Ansprüche für die einzelnen Beitragszahler sind damit nicht verbunden. Lach und Heuser verweisen darauf, dass es sich laut Koalitionsvertrag um eine „teilweise Kapitaldeckung“ der gesetzlichen Rentenversicherung handelt. Nicht das Generationenkapital selbst, sondern ausschließlich die Erträge daraus sollen zur ergänzenden Finanzierung der Rentenzahlungen genutzt werden. „Neben den Beiträgen und dem Steuerzuschuss erschließt das Generationenkapital also eine dritte Finanzierungsquelle für die laufenden Renten und kann so dazu beitragen, die drohende Anhebung des Beitragssatzes und / oder des Steuerzuschusses zu dämpfen bzw. ganz zu verhindern“, heißt es im Faktencheck.

Kann das Generationenkapital die Rentenversicherung entlasten?

Ein weiterer Faktencheck bezieht sich auf die Frage, ob das Generationenkapital in seiner derzeit geplanten Form überhaupt das Umlagesystem der gesetzlichen Rentenversicherung entlasten kann. Konkret sollen der Rentenbeitrag und der Bundeszuschuss stabilisiert werden. „Damit setzt die Politik genau dort einen Impuls, wo dieser dringend notwendig und für den sie zuständig ist. Denn es ist unbestritten, dass mit Blick auf die demografischen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte erheblicher Reformbedarf besteht, den nur die Politik leisten kann (und muss!)“, schreiben Lach und Heuser. Sich endlich dieses Themas anzunehmen, könne nur begrüßt werden. Denn der dringende Reformbedarf zeichne sich seit Jahrzehnten ab, ohne dass in den zurückliegenden Legislaturperioden Durchgreifendes geschehen sei. Die Lasten seien sogar vergrößert worden.

Vor diesem Hintergrund sei auch ein von Bündnis 90 / die Grünen geforderter staatlich verantworteter Fonds in der privaten Altersvorsorge kritisch zu sehen. „Eine solche Idee lenkt den Blick weg vom Kernproblem. Denn dieser Fonds würde der gesetzlichen Rente keinerlei Entlastung bringen“, heißt es im Faktencheck. Am Ende würden die Bürger gezwungen sein, in einen staatlich verantworteten Fonds und in eine gesetzliche Rente einzahlen zu müssen.

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Das „Spielfeld“ der privaten Altersvorsorge sei aber Sache der Bürger und der privaten Finanzwirtschaft, bei der der Politik nur eine Schiedsrichterrolle zukommen würde, argumentieren die Verfasser. Was im Faktencheck nicht erwähnt wird: Wenn ein solcher Fonds von den Bürgern akzeptiert ist und er erfolgreich arbeitet, müssten die Beteiligten um große Teile ihres Altersvorsorge-Geschäfts fürchten. Stark vereinfacht greifen Lach und Heuser das Argument auf, dass ein solcher staatlich gestützter Fonds massive Wettbewerbsverzerrungen bedeuten würde, zumal der Staat auch massiv mit Garantien unterstützend eingreifen kann: auf einem Niveau, das private Anbieter nicht haben.

Es braucht eine zusätzliche Finanzierungsquelle

Das Generationenkapital aber sei sogar erforderlich, wenn man die laut Koalitionsvertrag definierten Haltelinien für die gesetzliche Rente halten will: Dass der Beitragssatz maximal auf 20 Prozent angehoben werden darf, das Rentensicherungsniveau zukünftig bei mindestens 48 Prozent liegen soll und das Renteneintrittsalter bei 67 Jahren. Nach bisherigen Schätzungen könne das System der gesetzlichen Rente zwar zumindest bis zum Ablauf der aktuellen Legislaturperiode stabil gehalten werden. Anders sehe es jedoch danach aus, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und 1960er Jahre in die Rente wechseln und sich dieser Trend beschleunige. Das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern wird sich dann deutlich zu Lasten der Erwerbstätigen verschlechtern: und hier seien neue Finanzierungsquellen gefragt.

„Wenn auch in Zukunft nur annähernd an den geltenden Haltelinien festgehalten werden soll, bedarf es deshalb eines echten „Durchbruchs“ an andere Stelle. Vor diesem Hintergrund ist die Idee des Generationenkapitals, nämlich die Erschließung einer zusätzlichen Finanzierungsquelle für die gesetzliche Rente, rundum zu begrüßen“, schreiben Lach und Heuser. Zugleich weisen sie die Kritik zurück, dass das Generationenkapital nicht sofort seine entlastende Wirkung entfalten könne, sondern erst „auf Sicht“. Dies dürfe nicht zu einer ablehnenden Haltung führen. „Richtig wäre stattdessen die Forderung, im politischen Konsens den Kapitalstock sehr schnell in einer Größenordnung aufzubauen, die wirklich hilft. Denn Eile ist geboten. Der Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge steht unmittelbar bevor“, argumentieren die Autoren. Sie fordern somit indirekt, noch mehr Geld in die Hand zu nehmen, um den Kapitalstock aufzubauen. Wer das Generationenkapital dennoch ablehne, müsse sich stattdessen festlegen, ob zukünftig der Rentenbeitrag erhöht, das Renteneintrittsalter nach hinten verschoben oder ob Leistungen künftig eingeschränkt werden müssten, polemisieren die Autoren.

Kreditfinanzierung kein Hindernis für langfristige Ertragskraft

Ein weiterer Faktencheck bezieht sich auf die Frage, ob das Generationenkapital überhaupt ausreichend Rendite erwirtschaften kann, um die Rentenbeiträge zu entlasten: Denn es soll ja auf Kredit finanziert werden. Hierfür ist derzeit ein Darlehen des Bundes sowie zusätzlich die Einbringung von Bundesvermögen in Höhe von 15 Milliarden Euro vorgesehen. Und wie bereits oben erwähnt: ausschließlich die Erträge der angelegten Gelder sollen die Rentenkasse entlasten. Eine direkte Entnahme aus dem Kapitalstock ist nicht vorgesehen.

“Es ist evident, dass aus dem Ertrag auch die Darlehenszinsen und daraus die Zinsen auf die korrespondierenden Bundesanleihen finanziert werden müssen. Das schmälert zwar den Ertrag, historisch ist aber nachvollziehbar, dass die staatliche Refinanzierung gerade im bonitätsstarken Deutschland regelmäßig deutlich unter dem mittel- und langfristigen Niveau von internationalen Kapitalmarkterträgen liegt“, schreiben die Autoren hierzu. Vereinfacht formuliert: Es könne davon ausgegangen werden, dass die am Kapitalmarkt erzielte Rendite über dem Zins liegt, den der Bund für ausgegebene Anleihen zahlen muss.

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Welche weiteren Punkte die beiden Autoren in ihrem Faktencheck anführen, können Interessierte auf der Webseite des DIVA nachlesen: Dort steht das Dokument zum Download bereit. Das Fazit: „Die anfangs zitierten, politischen Aussagen und Medienberichte zur „Aktienrente“ gehen am eigentlichen Thema vorbei, soweit mit ihnen langfristige und international gestreute Aktieninvestments als Wette und Zockerei mit der Rente abgelehnt werden. Das Generationenkapital ist eine sinnvolle Weiterentwicklung und Ergänzung des heutigen Systems der gesetzlichen Rentenversicherung und dazu geeignet, das System langfristig zu stabilisieren“.

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