Das Rentenpaket II, mit dem die Bundesregierung die gesetzliche Rente reformieren will, besteht aus zwei Schwerpunkten: zum einen soll das Rentenniveau bis zum Jahr 2039 beim aktuell geltenden Minimalwert von 48 Prozent stabilisiert werden. Und zum anderen soll das sogenannte Generationenkapital zukünftige Beitragszahler entlasten. Das Generationenkapital ist ein zusätzlicher Kapitalstock, der das Umlageverfahren in der Rente ergänzen soll. Bisher fließen die Beiträge der Beschäftigten direkt in die Renten der Ruheständler, abgesehen von einer Notreserve - in einer alternden Gesellschaft, in der es immer mehr Rentnerinnen und Rentner gibt und weniger Menschen im erwerbsfähigen Alter, ist das ein Problem.

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Bis Mitte der 2030er Jahre soll ein Generationenkapital von 200 Milliarden Euro angespart werden und dann jährlich zehn Milliarden Euro in die Rentenversicherung fließen, damit der Rentenbeitrag weniger stark angehoben werden muss. Dabei hat die Konstruktion des Kapitalstocks aber zwei Besonderheiten. Zum einen ist er auf Pump finanziert, über ein Darlehen des Bundes. Folglich müssen auch die Zinsen dieses Darlehens bedient werden. Zum anderen ist lediglich die erzielte Rendite dafür vorgesehen, den künftigen Rentenbeitrag zu stabilisieren. Entsprechend muss auch eine ausreichend hohe Rendite erwirtschaftet werden.

Viereinhalbfacher Kapitalstock wäre erforderlich

Eine Studie der Unternehmensberatung TeckPro AG, die der Versicherungs- und Finanzwirtschaft nahesteht, kommt nun aber zu dem Ergebnis, dass das Generationenkapital nicht annähernd ausreicht, um die Mehrkosten aufzufangen, die aus der Stabilisierung des Rentenniveaus resultieren. „Billionenlasten – für kommende Generationen, Arbeitnehmer und Arbeitgeber“ ist die Studie überschrieben, die gemeinsam mit dem Finanzmathematiker Ralf Korn von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität (RPTU) in Kaiserslautern erstellt wurde. Über sie berichtet die „Welt“ vorab exklusiv.

Konkret geht es um die Frage, wie hoch der Kapitalstock ausfallen muss, um den aktuellen Status Quo - Rentenniveau und Beitragsniveau bei gleichbleibendem Renteneintrittsalter und gedeckelten Staatszuschüssen - zu sichern. Danach wäre längerfristig ein Staatsfonds im Volumen von mehreren Billionen Euro erforderlich. Um die geplante Rentenstabilität von 48 Prozent innerhalb von zehn Jahren zu finanzieren, müsste ein staatlicher Fonds in Höhe von 876 Milliarden Euro angesammelt werden. Das entspricht etwa viereinhalbmal dem vorgesehenen Kapitalvolumen für das Generationenkapital im Jahr 2036, wie es im Gesetzentwurf steht. Diese Schätzung basiert auf einer jährlichen Rendite von fünf Prozent nach Abzug der Zinsaufwendungen, was die Macher als sehr optimistische Annahme werten.

Bis zum Jahr 2050 müsste der Kapitalstock auf zwei Billionen Euro anwachsen, um die Mehrausgaben für die Stabilisierung des Rentenniveaus zu finanzieren, rechnen die Autoren der Studie weiter vor. Dabei sind die zusätzlichen Kosten von 235 Milliarden Euro, die bis zum Wirksamwerden des Kapitalstocks im Jahr 2036 anfallen, auf der Ausgabenseite noch gar nicht berücksichtigt. Sie müssen aus Beiträgen und Steuern finanziert werden. Auf welcher Zahlenbasis die Studie erstellt wurde, lässt sich aus dem Welt-Artikel im Detail nicht nachvollziehen. Die Studie ist derzeit noch nicht öffentlich verfügbar. Die Bundesregierung rechnet damit, dass der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Jahr 2035 auf über 22 Prozent ansteigen wird: er wird zu gleichen Teilen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern bezahlt.

Auch die Finanzierung auf Pump berge Risiken, wie Mathematiker Korn gegenüber „Welt“ berichtet. „Dem Staatsfonds steht bei diesem Konzept ein wachsender Schuldenberg gegenüber. Und gerade in der kurzen Frist von zehn Jahren ist das Risiko erheblich, dass die Schulden sogar höher sind als der gebildete Kapitalstock“, sagt der Experte. Um dieses Risiko zu berechnen, wurden für das Gutachten eine Million Simulationen durchgeführt. Das Ergebnis zeigt, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 28 Prozent der Schuldenstand nach zehn Jahren den Wert des Fonds übersteigt.

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“Die Studie zeigt eindrucksvoll, dass die Einrichtung eines Staatsfonds keine nachhaltige Lösung ist, um die gesetzliche Rentenversicherung zu stabilisieren“, sagt Michael H. Heinz, Präsident beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). „Denn sie führt zu Billionenlasten für den Staat und kommende Generationen.“ Allerdings ist der Staatsfonds auch weit von dem entfernt, was die FDP ursprünglich unter dem Begriff "Aktienrente" vorgeschlagen hatte - hier hätte jeder Bürger bzw. jede Bürgerin einen Teil des Einkommens privat über einen öffentlich verwalteten Fonds angespart, um daraus individuelle Ansprüche zu erwerben. Dieses Modell, in Staaten wie Schweden oder Norwegen erfolgreich praktiziert, hätte auch Einbußen für den Finanzvertrieb bedeuten können.

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